"Zu uns kommen die Frustrierten"
Der ehemalige Davis-Cup-Spieler spricht im Interview über die Fortsetzung seiner Doppelkarriere, Verletzungsprobleme und die Arbeit in seiner Akademie.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
18.10.2011, 21:29 Uhr

Alexander Waske führt derzeit ein Doppelleben: Mindestens bis zum Saisonende ist er noch als Tennisprofi unterwegs und leitet parallel die Schüttler-Waske-Akademie in Offenbach, die nicht erst seit dem Halbfinaleinzug von Angelique Kerber bei den US Open in aller Munde ist. Der 36 Jahre alte Frankfurter spricht im Interview mit tennisnet.com über alt-bewährten Ehrgeiz, ausgeklügelte Erfolgsrezepte, gute Ratschläge und was Florian Mayer nun mit ihm gemein hat.
Herr Waske, eigentlich wollten Sie doch nach den US Open Ihre Profikarriere beenden – was hat Sie umgestimmt?
Alexander Waske: Das habe ich doch nie gesagt. Ich werde wohl kein Einzel mehr spielen, wenn ich nicht aus Spaß noch mal bei irgendeinem Turnier antrete. Es stimmt, grundsätzlich war das bei den US Open mein letztes Match, aber nur im Einzel.
Sie hatten drei Jahre lang durch Ihre Verletzung nicht mehr gespielt. Fiel das Ende dann doch schwer oder hatten Sie sich mit dem Gedanken schon angefreundet?
Waske: Natürlich musste ich mich mit dem Thema anfreunden. Und die US Open haben mir immer viel bedeutet. Mein Bruder war mit in New York dabei, das war toll. Er war von Beginn meiner Karriere an dabei und dass er nun auch beim vermutlich letzten Match meiner Karriere da war, war eine schöne Sache.
Ist denn der Doppelwettbewerb nun eine Art Trostpflaster?
Waske: Wenn man so lange gar nicht spielen kann und dann zurück kommt und wenigstens Doppel spielen kann, ist das trotzdem toll und funktioniert auch gut. Und man muss ja auch sagen, dass mein Arm nicht perfekt geheilt ist. Ich brauche jeden Tag eine Stunde Physiotherapie und muss unheimlich viel für den Arm machen, damit er geschmeidig bleibt und die Verspannungen rausgehen. Dass er das Doppel schafft, damit bin ich schon sehr zufrieden. Und irgendwo muss man auch realistisch bleiben.
Sie könnten mit Ihrer Krankengeschichte als warnendes Beispiel gelten. Kommen Spieler, wie z.B. gerade Benjamin Becker, auf Sie zu und fragen um Rat?
Waske: Ich habe Benni neulich mal gefragt, wie es ihm geht, nicht nur, weil er auch am Ellbogen verletzt ist. Und er will demnächst in der Akademie bei uns vorbeischauen, um sich fit zu machen. Aber grundsätzlich muss jeder selbst entscheiden, was er bei Verletzungen macht. Ich habe zuletzt aber viel mit Andrea Petkovic gesprochen und ihr erklärt, dass sie "smart" mit ihrem Knie bleiben soll. Was bringt es, jetzt noch auf Teufel komm raus Turniere zu spielen? Sie soll sich auskurieren, Reha machen und dann neu im nächsten Jahr anfangen. Aber Petko ist sehr hart zu sich selbst, sie geht über den Schmerz drüber. Ich hoffe aber, dass man ein bisschen von meinem Beispiel lernen kann. Dass man auf seinen Körper hören muss und im Zweifel auch mal einen Schritt zurückgehen muss.
Aber gerade das ist doch schwer für die Spieler, die unter dem ständigen Druck stehen, Punkte verteidigen müssen, und die permanent eigentlich spielen. Pausen sind da doch selten drin.
Waske: Ich möchte mir von keinem Topspieler mehr anhören müssen, dass die Saison zu lang ist. So lange Nadal und Djokovic noch nach Indian Wells zu einem Schaukampf nach Kolumbien fliegen können und dann weiter in Miami spielen und auch andere permanent für viel Geld Showmatches bestreiten und dafür Energie haben, ist die Saison definitiv nicht zu lang.
Aber trotzdem machen sich viele Spieler doch selbst sehr viel Druck und wissen nicht, wann sie besser pausieren sollten.
Waske: Das stimmt, und deshalb brauchen sie ja auch jemanden, der sich das von außen anschaut und das große Ganze im Blick hat. Unser Cheftrainer hat das im Training mit Petko sehr gut gemacht. Sie hat ständig irgendwelche Schritte gemacht, um dem Knieschmerz auszuweichen. Da ist er zu ihr hingegangen und hat ihr in aller Freundschaft gesagt, dass das keinen Sinn macht und das Training für sie zu Ende ist. Sie haben lange geredet und sie macht jetzt wohl auch etwas weniger. Aber es ist natürlich schwierig, den eigenen Ehrgeiz zu bremsen. Das ist mir auch immer schwer gefallen.
Wie ehrgeizig sind Sie denn jetzt noch mit 36 Jahren?
Waske: Ich gehe immer noch mit dem maximalen Anspruch auf den Platz, um zu gewinnen. Ich gebe immer alles. Es hat mich zuletzt auch teilweise genervt, weil ich nicht so gespielt habe, wie ich es trotz all der Umstände von mir erwarte. Ich kann nicht mehr so viel trainieren wie früher, und mein ganzer Tagesablauf ist inzwischen anders, aber ich bin immer noch mit vollem Einsatz dabei.
In Bangkok waren Sie gerade mit Michael Kohlmann im Finale nur knapp unterlegen. Macht das nicht Lust auf mehr?
Waske: Ich habe jetzt erstmal gesagt, dass ich bis zum Saisonende spiele. Hier in Stockholm und dann in St. Petersburg sind meine letzten beiden Turniere mit dem Protected Ranking. Danach habe ich mit Philipp Petzschner ausgemacht, zwei Challenger zu spielen. Ich muss jetzt einfach mal schauen, ich stehe auf Rang 160 und mir fehlen noch 300 Punkte für die Top 100. Das war mein Ziel bis zum Saisonende.
Aber wie lässt sich denn das Profidasein mit der Leitung einer Akademie vereinbaren?
Waske: Indem man eben die ein oder andere Trainingseinheit nicht mehr macht. Das Hauptaugenmerk liegt momentan für mich klar auf der Akademie. Auf der Strecke bleibt dabei natürlich gerade das Privatleben.
Das heißt aber auch, dass Sie inzwischen gelernt haben, zu delegieren, wenn Sie selbst so viel unterwegs sind?
Waske: Klar, in der Akademie wird eigenverantwortlich gearbeitet. Aber wir haben ein eigenes System, wir bilden unsere Trainer selbst aus und danach sollen alle Spieler bei uns trainiert werden.
Was ist denn das Erfolgsrezept Ihrer Akademie? In den letzten Monaten waren ja wahre Wunderdinge aus Offenbach zu hören...
Waske: Ich denke, wir machen viele Sachen anders. Wir haben klare Strukturen und klare Vorstellungen, wie wir etwas verändern wollen. Wir wurden jetzt immer ein bisschen als Fitnessakademie hingestellt, was aber nur zur Hälfte richtig ist. Wir achten schon viel auf Fitness, noch wichtiger aber ist, dass wir die Technik der Spieler verändern.
Lassen die Spieler das denn überhaupt zu? Manche Spieler wechseln ihr Leben lang doch nicht mal das Schlägermodell...
Waske: Man muss ja auch sehen, wer zu uns kommt. Es sind vor allem die, die frustriert sind und nicht wissen, wie sie weiterkommen sollen. Die sprechen uns dann an, wollen etwas ändern und sind meistens auch offen für Neues. Dazu kommt, dass sie sehen, wie es bei anderen auch klappt. Und Tennisprofis sind ja bekannt dafür, dass sie sich immer verbessern wollen.
Wie läuft die Arbeit konkret?
Waske: Wir filmen die Spieler und zeigen ihnen dann ihre Schwachpunkte. Die wenigsten Spieler, die zu uns kommen, haben sich selbst schon mal spielen sehen. Wir sind da sehr detailgenau und viele sagen hinterher, dass noch nie so mit ihnen an der Technik gearbeitet wurde. Wir zeigen ihnen dann, was sie anders machen müssen. Der Spieler fühlt sich damit im ersten Moment natürlich überhaupt nicht wohl, aber wir filmen dann wieder und legen die beiden Videos übereinander. Dann sagen sie immer: 'Stimmt, das sieht viel besser aus' und dann steht schon mal der Kopf dahinter. Weil sie sehen, dass es besser aussieht, sind sie dann bereit, daran zu arbeiten und die Änderungen umzusetzen.
Das Grundprinzip liegt also in der Technikverbesserung?
Waske: Wir stellen die Technik um, die Beinarbeit und machen sie fitter. Unser großes Geheimnis ist, dass wir sehr individuell arbeiten. Bei uns stehen immer nur zwei Spieler auf dem Platz, es gibt keine Gruppentrainings. Es wird eng zusammengearbeitet, von der Technik über Taktik bis zum Mentaltraining. Ob Petkovic, Kerber oder Stebe. Wir haben unseren eigenen Stil, und es funktioniert.
Sie sind gut mit Florian Mayer befreundet. Hätten Sie ihn nicht mal gerne in Ihrer Akademie?
Waske: Erst einmal muss ich sagen, dass ich mich tierisch für ihn freue. Top 20, Nadal geschlagen – das, was er mit Tobias Summerer macht, muss richtig sein. Das ist tolle Arbeit. Ich würde sicher ein paar Sachen anders machen, aber ob das dann erfolgreicher wäre, weiß ich auch nicht. Flo ist ein extrem sensibler Mensch und vielleicht ist das alles genau so richtig für ihn. Ich würde mit ihm auch noch härter trainieren, es über die Schiene probieren, ihn noch besser zu machen. Aber vielleicht wäre das genau kontraproduktiv. Und es gibt bei Flo ja auch überhaupt keinen Handlungsbedarf.
Was würden Sie sich für ihn in den nächsten Monaten erhoffen?
Waske: Ich hoffe, dass er sich die Latte für die nächste Saison noch höher legt und anfängt, die Top Ten anzugreifen. Warum auch nicht? Ich hatte ihm nach seinem Sieg gegen Nadal auch gleich geschrieben: "Schon ein geiles Gefühl, wenn man den geschlagen hat oder?" Ich werde meinen sicher auch nie vergessen.
Das Gespräch führte Petra Philippsen