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Andrea Petkovic: "Ich habe mehr Spaß am Tennis als je zuvor"

Andrea Petkovic steht nach ihrem überragenden Kampfsieg gegen Hsieh Su-Wei in der dritten Runde der French Open - und dort muss noch lange nicht Schluss sein.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 31.05.2019, 11:06 Uhr

Andrea Petkovic in Paris
© Juergen Hasenkopf 2019
Andrea Petkovic

Es war auf dem Höhepunkt des Zweitrunden-Thrillers, als sich Andrea Petkovic ein paar lange Sekunden einfach nur umblickte auf Court 14. Und den Beifallssturm in sich aufsog, den Jubel, die Begeisterung der Fans. Petkovic hatte gerade das entscheidende Break zum 5:5 geschafft, sie war nur noch zwei Punkte vom French Open-Turnieraus entfernt gewesen, ein Balanceakt am Abgrund. „Es wird schwer, solche Momente zu ersetzen“, sagte Petkovic später, als sie ein eher unwahrscheinliches Comeback gegen die Taiwanesin Hsieh Su-Wei inszeniert und die Partie noch mit 4:6, 6:3 und 8:6 gewonnen hatte, „das war einer jener Tage, an denen du denkst: Mann, was hab´ ich doch für einen coolen Job.“ Gefragt, wie sie ihr Erlebnis da draußen zusammenfassen könne, gab Petkovic augenzwinkernd zu Protokoll: „Erst bin ich wie ein Ochse gerannt, dann habe ich gefeiert wie eine Kranke.“

Es war Petkovics bester, stimmigster Auftritt bei einem Grand Slam-Turnier seit Jahren, vielleicht sogar der stärkste Auftritt seit ihrem überraschenden Halbfinal-Einzug vor fünf Jahren hier beim Pariser Grand Slam-Treffen. Und es war ein Lebens- und Ausrufezeichen einer Spielerin, die bereits durch manche mehr oder minder schwere Krise geschliddert war, sich aus den Top 100 abgemeldet hatte und auch schon mit dem Gedanken spielte, ihren Beruf als professionelle Athletin aufzugeben. Zuletzt war Petkovic oft in anderer Rolle wahrgenommen worden, auch als Gelegenheitsjournalistin, die sich etwa vor den Roland Garros-Ausscheidungsspielen in einem FAZ-Zeitungsbeitrag zur großen Kollegin Serena Williams äußerte. „Mein Leben hat viele Facetten, ich habe selbst viele Gesichter“, sagt Petkovic, „aber ich bin zuallererst Tennisspielerin. Und ich habe mehr Spaß daran als je zuvor.“

Erwartungsdruck ist weg

Vor allem, weil sie glaubt, sich selbst und niemandem anderen noch etwas beweisen zu müssen. Die Zeiten, in denen sie unter „Erwartungsdruck an allen Fronten“ litt, seien vorbei, sagt Petkovic, „mit 31 Jahren sollte man das auch abschütteln können.“ Petkovic ist Realistin genug, um zu wissen, dass sie nicht mehr ganz vorne angreifen kann, im Revier der Elitespielerinnen, jedenfalls nicht dauerhaft. Aber sie kann gezielt Nadelstiche setzen, in ausgewählten Momenten, auch bei einem ganzen Turnier. So wie jetzt in Paris, wo sie erst ihre Angstgegnerin Alison Riske (USA) und dann auch Su-Wei distanzierte, die Ballkünstlerin aus Taiwan. „Ich stand fünf Mal mit dem Rücken zur Wand, habe mich irgendwie immer wieder rausgezogen“, sagte Petkovic, „das spricht für meine Moral, für meine Überzeugung.“ Und sie fügte hinzu: „Ich glaube weiter an mich.“ Auch in der nächsten Runde, gegen Ashleigh Barty aus Australien, die Nummer 8 der Welt.

Petkovic spricht dieser Tage gern von der „langen, langen Zeit“, die sie schon im Tennis verbracht habe. Häufig kokettiert sie mit der Redewendung „in meinem Alter“, aber sie findet das „durchaus okay“, schließlich seien Jahre in dieser Branche „Hundejahre“, es gehe oft an die Substanz. 2015 fühlte sie sich sogar schon einmal ziemlich ausgebrannt, es war die Zeit, als sie nach der Rückkehr in die Top 10 in ein großes, schwarzes Loch gefallen war. „Ich wusste nicht mehr weiter. Das Comeback oben war mein einziger Lebenszweck gewesen“, sagt Petkovic, „danach aber war jeder Spaß weg, alles hatte seinen Sinn verloren scheinbar.“ Danach habe sie ihr Leben „auf mehrere Pfeiler“ stellen müssen, Tennis sei aber „die klare Priorität“ geblieben.

Ich glaube weiter an mich.

Andrea Petkovic

Nun, mit 31 Jahren, kann Petkovic die Tour erst so richtig genießen. Umso mehr bei Spielen wie am Donnerstag, bei Grand Slam-Tennis bis zur Erschöpfung und zum triumphalen Sieg. Zweieinhalb Stunden fightete sie unerbittlich, trieb ihren Vater Zoran, den langjährigen Förderer, halb in den Wahnsinn und sorgte für Länderspiel-Atmosphäre auf Platz 14. „Es war eine richtig harte Sache. Zum ersten Mal in meiner Karriere war ich so kaputt, dass ich dachte, ich kriege Krämpfe“, sagte Petkovic hinterher, „aber wenn du im Rausch bist, steckst du das weg. Irgendwie.“

Sie ist nun auch die letzte Mohikanerin in Paris, Kerber und Görges und alle anderen sind draußen. Es ist fast wie in der alten Zeit, als Petkovic die Frontfrau des deutschen Frauentennis war und erste große Erfolge der goldenen Generation feierte. „Das Ende naht“, hat Petkovic auch gesagt am Donnerstag, sie wolle dieses und nächstes Jahr auf jeden Fall noch spielen, „danach? Mal sehen.“

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von Jörg Allmeroth

Freitag
31.05.2019, 12:05 Uhr
zuletzt bearbeitet: 31.05.2019, 11:06 Uhr