ATP-Chef Andrea Gaudenzi: "Wir müssen aufhören, uns zu bekämpfen"

Der neue Chairman der ATP, Andrea Gaudenzi, ruft zu mehr Geschlossenheit auf. Und hält eine Sandplatz-Saison nach den US Open für eine gute Option.

von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet: 09.04.2020, 16:14 Uhr

Andrea Gaudenzi
© Ubitennis
Andrea Gaudenzi

Gaudenzi, der die Nachfolge des langjährigen ATP-Chefs Chris Kermode antrat, hatte bislang einen herausfordernden Start. Erst die Buschfeuer in Australien, nun die Coronakrise, die auch den Tennissport vor nie da gewesene Ungewissheit stellt. Bislang hat Gaudenzi jedoch vieles richtig gemacht, beginnend mit der Absage des Masters-Turniers in Indian Wells, zu einem Zeitpunkt, zu dem viele noch nicht annähernd mit der aktuellen Situation gerechnet hatten./

"Unsere unmittelbare Strategie bestand darin, die öffentliche Gesundheit und Sicherheit zu schützen. Wir haben Indian Wells abgesagt, als die NBA-Saison noch lief - eine riskante Entscheidung, wenn man bedenkt, dass die Spieler bereits in Kalifornien weilten und bereit waren, am Turnier teilzunehmen, so Gaudenzi. Wir haben darüber nachgedacht, es hinter verschlossenen Türen auszurichten, aber nach einiger Überlegung haben wir uns dagegen entschieden." Die aktuelle Pause könne man im Tennis indes sinnvoll nutzen: zur Selbst-Reflektion und einer Langzeit-Planung. "Um eine Zukunft zu kreieren, die wir für unseren Sport wollen."   

Die eigenmächtige Verlegung der French Open habe gezeigt, dass Tennis strengere Vorschriften brauche, damit Turniere nebeneinander existieren könnten. Sanktionen, wie der Gedanke, für Roland Garros in diesem Jahr keine ATP-Punkte zu vergeben, scheinen jedoch nicht auf dem Tisch.

Sand-Tour nach den US Open?

Er sei auch im Austausch mit dem Spielerrat, so Gaudenzi, "Ich habe mit jedem Mitglied gesprochen, mit Roger, mit Rafa, mit Djokovic, und alle sind sich einig, dass unsere Philosophie darin bestehen sollte, die prestigeträchtigsten Events auszurichten", sagte er. "Selbst wenn alles hypothetisch ist, ist es dennoch sinnvoll, die French Open auf September zu verschieben. Während es keinen Sinn macht, die US Open um zwei oder drei Wochen zurückzuschieben. Wenn das Tennis nicht Anfang September wieder aufgenommen wird, bezweifle ich sehr, dass es Ende des Monats sein wird. Jetzt sprechen wir über den Kalender der Saison, aber man sollte wissen, dass wir ungefähr 50 verschiedene Versionen entwickelt haben und diese täglich neu mischen mussten. Wir müssen auch berücksichtigen, dass einige Dinge bereits in Stein gemeißelt sind: Zum Beispiel ist die o2-Arena exklusiv für das ATP-Finale in dieser Woche (15. bis 22. November) verfügbar." Das gelte für die meisten Indoor-Plätze, so auch für Wien oder Basel - Mehrzweckhallen ist hier das Stichwort. "Idealerweise möchten wir zwei Masters-1000er auf Sand entweder vor oder nach den French Open neu planen." 

Ein vierwöchiger Clay-Swing nach den US Open sei ein Gedanke. "Das beste Szenario wäre, den nordamerikanischen Swing im Sommer, dann den Sand, dann Asien und dann die ATP Finals zu haben. Bei sieben Masters-1000ern und drei Slams wäre nicht viel Platz für Beschwerden. Wenn die US Open abgesagt werden, würde die Komplexität der Situation exponentiell zunehmen, da wir auch im November und Dezember spielen sollten. Aber im Moment konzentrieren wir uns auf einen Neustart nach dem Wimbledon-Slot."

Gaudenzi: "Macht keinen Sinn, die Top 50 zu unterstützen

Allerdings müsse auch eine Situation bedacht werden, falls die Reisebeschränkungen bestehen blieben. "Wir wollen kein regionaler Sport werden, denn das würde einen Schritt zurück bedeuten und auch ein Ranglistenproblem schaffen, da die besten Spieler in verschiedenen Ligen gegeneinander antreten würden. Es ist jedoch sicherlich eine Option, auch wenn es nicht unsere bevorzugte Wahl ist."

Auch um die finanzielle Seite mache man sich viele Gedanken. "Wir werden uns zuerst mit Challenger-Turnieren und 250er-Events befassen, zusammen mit den Spielern, deren Rang zwischen 250 und 500 liegt, weil sie die Bedürftigen sind. Es macht keinen Sinn, die Top 50 oder die Slams zu unterstützen."

Das Gespräch führte Ubaldo Scanagatta/UbiTennis in Partnerschaft mit TennisActu und tennisnet.com.

von Florian Goosmann

Donnerstag
09.04.2020, 10:38 Uhr
zuletzt bearbeitet: 09.04.2020, 16:14 Uhr