ATP-Cup-Fazit von Alex Antonitsch: "ATP und ITF müssen zusammenfinden"

Der ATP Cup hat bei seiner ersten Austragung zum Saisonstart 2020 packende Matches geliefert. Alexander Antonitsch hat das Turnier genau beobachtet und zieht im Interview mit tennisnet ein Fazit zum neuen Teamwettbewerb.

von Lukas Zahrer
zuletzt bearbeitet: 15.01.2020, 18:47 Uhr

Herr Antonitsch, Sie haben den ATP Cup als Experte von Servus TV hautnah verfolgt. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Alexander Antonitsch: Die Stimmung beim ATP Cup war top, die Zuschauerzahlen geben dem Event Recht. Sportlich gab es über weite Strecken großes Tennis. Das Format mit Duellen der jeweiligen Nummer zwei und Nummer eins funktioniert ausgezeichnet. Außerdem ist es toll, dass Legenden wie Henman, Hewitt, Safin, Becker oder Muster auf der Betreuerbank sitzen. Der Erfolg hat meiner Meinung nach einen ganz bestimmten Grund.

Verraten Sie ihn uns.

Antonitsch: Der große Vorteil ist, dass Tennis Australia und die ATP als Veranstalter auftreten. Der Spielerrat war stets involviert in der Ideensammlung und Umsetzung. Die Veranstalter gingen auf die Wünsche ein. Dadurch sagten auch so viele Top-Stars zu. Ihnen gefällt, dass sie mindestens drei Spiele auf Wettkampfniveau bekommen. Die Idee an sich ist ja nicht neu.

Sprechen Sie den World Team Cup an?

Antonitsch: Auch dort wurde das Team von der jeweiligen Nummer eins angeführt, ja damals sogar zusammengestellt. Das Problem damals war, dass der Event in der Woche vor einem Grand Slam gespielt wurde.

Was sind die größten Kritikpunkte am ATP Cup?

Antonitsch: Für das Turnier in Doha ist der Termin natürlich nicht ideal. Es bräuchte aber noch ein weiteres 250er-Turnier zum selben Zeitpunkt. Es haben ja bei weitem nicht alle Spieler Matches beim ATP Cup bestritten. Große Nationen wie Spanien oder Frankreich hätten ja auch zwei Teams stellen können.

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Was halten Sie vom System der Bonuspunkte? Es war ja sehr unübersichtlich.

Antonitsch: Das System ist vielleicht etwas kompliziert, aber ich finde es gut. Ginge es nach mir, könnten wir das auch bei normalen Turnieren einführen. Es macht eben einen Unterschied, ob ich einen Djokovic oder eben eine lokale Wildcard aus dem Turnier nehme. Ich glaube, die Bonuspunkte beim ATP Cup bleiben auch in Zukunft bestehen.

Kritik kam vor allem an der Zählweise für die Weltrangliste. ATP-Cup-Teilnehmer bekommen in ihrem Ranking einen eigenen Platz für die dort erspielten Punkte.

Antonitsch: Ich bin davon überzeugt, dass viele Spieler das erst jetzt verstanden haben, dass es ein zusätzliches, 19. Turnier für das Ranking gibt. Das gehört weg. Man muss aber die Kirche im Dorf lassen. Djokovic und Nadal kommen am Ende des Jahres ja nicht einmal auf 18 Ergebnisse. Es ist ein Thema für die hinteren Rankings, dort ist die Kritik berechtigt. Da verstehe ich Reilly Opelka mit seiner harschen Kritik voll und ganz. Diese Regelung könnte schon im nächsten Jahr fallen.

Mit Davis Cup, Laver Cup und ATP Cup gibt es drei Mannschaftswettbewerbe. Verträgt das Welttennis alle drei?

Antonitsch: Ich weigere mich, das aktuelle Format Davis Cup zu nennen. Der ist tot, den gibt es nur mit Heim- und Auswärtsspielen. Das Problem bleibt die Terminfindung. Das Format zum ATP Cup ist zu ähnlich. Auch für die Qualifikationsbegegnungen bleibt viel zu wenig Zeit. Erst im November bekommen die Verbände vom Davis Cup die Info, dass sie im März eine Begegnung ausrichten sollen. Es ist an der Zeit, dass ATP und ITF gemeinsame Sache machen.

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Wie kann der ATP Cup noch verbessert werden?

Antonitsch: Es muss eine Möglichkeit geben, dass sich auch andere Nationen qualifizieren. Ich habe etwa die Niederlande, Tschechien oder Kasachstan vermisst. Das sind Nationen, die im Davis Cup regelmäßig groß aufspielen. Vielleicht kann man das Turnier auf 32 Teams aufstocken, dann braucht es aber in jedem Fall einen weiteren Austragungsort. Mir ist klar, dass das schwierig sein könnte. Es ginge aber auch anders.

Wie?

Antonitsch: Um die Reisestrapazen zu minimieren, könnte man eine Qualifikation auf regionaler Ebene austragen. Das kann in der Folge aber nur gemeinsam mit dem Davis Cup ausgetragen werden. Beispielsweise könnten anstelle der Finals in Madrid regionale Events stattfinden, bei denen sich Nationen ohne Top-Spieler für den ATP Cup qualifizieren könnten. Dann gibt es eben weniger fixe Startplätze für Topnationen, dafür mehr Tickets, die über eine Qualifikation vergeben werden. Es ist nur eine von vielen Ideen, den Davis Cup mit dem ATP Cup zu verstricken. Noch einmal: ITF und ATP müssen zusammenfinden - am besten mit Tennis Australia - dabei aber unbedingt auch die Spieler ins Boot holen. Ohne die funktioniert es nicht.

Was war das Feedback der Tennis-Fans zum ATP Cup?

Antonitsch: Es gab eine Umfrage unter tennisnet-Usern. Von 1.800 Stimmen gingen im direkten Vergleich mit dem aktuellen Davis Cup 90 Prozent an den ATP Cup. Viele Rückmeldungen lauteten aber auch: ‚Wo kann ich für den alten Davis Cup abstimmen?’

Ist es nicht auch an der Zeit, sich mit den Frauen zusammenzutun?

Antonitsch: Es gibt jetzt schon Gespräche zwischen WTA und Tennis Australia, um etwas für Damen umzusetzen. Es ist nicht okay, in Brisbane die Top-Damen nur auf den Außenplätzen spielen zu lassen. Es würde mich nicht überraschen, wenn im nächsten Jahr ein WTA Cup stattfindet. Dann hätten auch Frauen eine ideale Vorbereitung auf das erste Major, mit einer zugesicherten Anzahl an Matches.

von Lukas Zahrer

Mittwoch
15.01.2020, 18:40 Uhr
zuletzt bearbeitet: 15.01.2020, 18:47 Uhr