ATP Finals London: Roger Federer - Die ungebrochene Magie des Maestro

Mit seinem ersten Erfolg gegen Novak Djokovic seit 2015 hat Roger Federer zum Jahresende bei den ATP Finals noch einmal ein sportliches Ausrufezeichen gesetzt.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 15.11.2019, 14:55 Uhr

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Roger Federer am Donnerstag in London
© Getty Images
Roger Federer am Donnerstag in London

Als die TV-Kameras am Donnerstagabend immer mal wieder den Blick in Roger Federers Ehrenloge warfen, war stets auch ein sehr zufriedener Mensch zu sehen. Stefan Edberg, der schwedische Gentleman-Spieler, zeigte ein glückliches Lächeln, er war in bester Laune. Edberg war einer der großen Angriffsstrategen des Welttennis, ein Mann aus der Abteilung der bedingungslosen Attacke. Und was Edberg an diesem Abend in der Londoner O2 Arena von seinem ehemaligen Chef und Arbeitspartner Federer sah, im mit 6:4, 6:3 gewonnenen WM-Prestigeduell mit Novak Djokovic, musste ihn zwangsläufig an den eigenen Sturm und Drang erinnern. An Zeiten, in denen Matches noch am Netz gewonnen wurden, von vorwärtsgewandten Stilisten und brillanten Aufschlägern wie ihm, dem großen Edberg. 

Es sei „ein ganz besonderer Sieg“ gewesen, sagte Federer hinterher, als er seine meisterliche Mission vollendet hatte. Besonders, weil er seit vier Jahren nicht mehr gegen Djokovic gewonnen hatte, seit der WM 2015 hier in London. Und besonders wohl auch, weil so viel auf dem Spiel stand, einerseits Platz eins der Weltrangliste, den nun zum Saisonabschluss in jedem Fall Rafael Nadal einnehmen wird, nicht aber Djokovic. Aber natürlich andererseits auch das drohende Ausscheiden im Titelrennen noch in der Gruppenphase, zum zweiten Mal überhaupt erst in Federers Karriere – oder die Chance, weiter im großen Pokalspiel zu verbleiben. „Für diese Spiele lebst du als Profi. Und wenn du sie gewinnst, sind natürlich auch Genugtuung und Stolz da“, sagte Federer, „aber das Entscheidende kommt ja erst noch, am Wochenende.“ Im Halbfinale, seinem sage und schreibe 16. bei diesem Abschlussturnier der Besten, wird er nun entweder auf Nadal oder den Griechen Stefanos Tsitsipas treffen, und er wird wieder versuchen, seinen Gegner unter Dauerdruck zu setzen, ihn gar nicht erst zum Atmen kommen zu lassen. So wie es ihm einst Edberg empfahl, auch mit der klaren Empfehlung, dass Federer in seinen Dreißigern eine ökonomischere Spielidee braucht. Schlicht: Kürzere Ballwechsel, aggressive Grundhaltung. 

Federer entwickelt sich stets weiter

Edberg war ja nicht nur immer eines der großen Vorbilder von Federer, sondern er war auch der diskrete Dirigent, mit dem sich der Schweizer Superstar in der Spätphase seiner Karriere noch einmal neu erfand in einer wegweisenden Allianz. Der beständige Wandel, das ewige Fortentwickeln, die Lust an der sportlichen Innovation, all das gehört zum Markenzeichen von Eliteprofis wie Federer. Aber bei keinem sticht diese Charaktereigenschaft, dieses Karriereprofil so heraus wie bei Federer, dem Patron und Elder Statesman der Branche. Dem Spieler, der seine Idole längst in allen Rekordbilanzen und Statistiken übertroffen hat. Federers Lernfähigkeit, aber auch seine Ausdauer, seine Hartnäckigkeit, sich immer noch und immer wieder mit viel Jüngeren und den Allerjüngsten zu messen, mit Spielern, die inzwischen seine Söhne sein könnten, das alles ist beispiellos. Edberg, Becker, Sampras, die Leuchttürme des jungen Federer: Sie traten Anfang Dreißig zurück in ihrem Tennisleben, zermürbt vom Profigeschäft, von der Tortur in der Tretmühle der Tennistour. Aber Federer ist immer noch da, mit nunmehr 38 Jahren und drei Monaten.

Magische Nächte mit Federer gibt es nicht mehr so zahlreich wie früher, auch am Größten der Gegenwart geht die Zeit nicht spurlos vorüber. Aber in den späten Spieljahren seiner Karrierezeit kann er immer noch diese herausragenden Matches vom Schläger zaubern. Oder in ganzen Turnierwochen die Konkurrenz aus den nachfolgenden Generationen distanzieren, so wie in diesem Jahr bei den Triumphen in Dubai, Halle oder Basel. Selbst der neunte Titel in Wimbledon, ein einsamer Rekord, war in Griffweite für den Ästheten, zwei Matchbälle hatte er im Duell mit Djokovic, dem störrischen Dauerrivalen, bevor er im Tiebreak des fünften Satzes scheiterte. Zu Federers Qualitäten auf der Zielgeraden seiner Berufslaufbahn gehört, mehr denn je, indes auch das schnelle Abschütteln solcher Frustmomente. Federer weiß, bei allem Ärger gerade über jenes Scheitern, dass er sich nicht lange mit der Schadensbewältigung aufhalten darf. Seine Zeit im Tennis ist begrenzt, er muss und will sie nach Kräften nutzen.

2018 gegen Zverev verloren

Federer wirkte unaufhaltsam im Spiel gegen Djokovic, gegen seine Aufschlagstärke gab es kein Gegenmittel – auch nicht vom besten Returnspieler im Welttennis. Federer schlug zwölf Asse, er ließ insgesamt nur elf Punkte gegen seinen Aufschlag nur einen einzigen Breakball zu. Federer spielte wie ein kommender Champion, aber er ist selbst gewarnt durch die Erinnerung an die beiden letzten Jahre. Da scheiterte er jäh in seinen Halbfinalpartien, einmal gegen den Belgier David Goffin, einmal gegen Alexander Zverev. „Das will ich nicht wieder erleben. Ich will jetzt schon den Weg zu Ende gehen hier“, sagt Federer.

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von Jörg Allmeroth

Freitag
15.11.2019, 11:40 Uhr
zuletzt bearbeitet: 15.11.2019, 14:55 Uhr

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