"Ich bin ja eigentlich kein kritischer Typ"

In den vergangenen Woche hatte Deutschlands Nummer drei mit Verletzungen zu kämpfen. Im großen Interview beschreibt Philipp Kohlschreiber, was er von der nächsten Generation hält, wie er wieder in Form gekommen ist und was er von den French Open erwartet.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 26.05.2017, 11:26 Uhr

Philipp Kohlschreiber geht voller Optimismus in die French Open

tennisnet: Herr Kohlschreiber. Sie mussten ihren Start in Rom absagen, am Sonntag beginnen die French Open in Paris. Wie geht es Ihnen derzeit?

Philipp Kohlschreiber: Es ist natürlich schade, dass ich in den letzten Wochen immer wieder mit ein paar Kleinigkeiten zu kämpfen hatte. Aber das kann man eh nicht ändern. Ich habe jetzt eine Woche pausiert, am Montag wieder angefangen. Mit dem Fuß ist im Großen und Ganzen alles wieder in Ordnung, auch wenn er teilweise noch schmerzt. Aber damit kann man im höheren Tennisalter gut umgehen.

tennisnet: Sie haben in der Tennisbase in Oberhaching trainiert. Mit wem haben Sie sich dort spielerisch vorbereitet?

Kohlschreiber: Es waren einige junge Spieler da, aber auch Flo Mayer und Daniel Brands. Wir haben gut durchgemischt, dass man sich auch an verschiedene Spielertypen gewöhnen kann.

tennisnet: Davor waren Sie ein paar Tage in Ihrem neuen Zuhause in Kitzbühel. Sind Sie ein Typ, der sich sein Mountainbike schnappt und die Berge hoch radelt?

Kohlschreiber: Normalerweise auf jeden Fall. Nur: In der vergangenen Woche war das nicht möglich, weil ich nicht so viel Druck auf den Fuß geben konnte. Ich habe dann eher im regenerativen Bereich gearbeitet, etwa beim Stanglwirt auf dem Ergometer, ein wenig Wellness gemacht.

Zwei-, dreimal verloren

tennisnet: Vielleicht also gar nicht verkehrt so eine Pause?

Kohlschreiber: Absolut. Ich war in den letzten Wochen viel unterwegs, auch wenn es nicht so erfolgreich wie gewünscht gelaufen ist. Aber man ist dann doch wieder drei Tage an einem Ort, dann geht es weiter, da tun ein paar Tage zuhause gut. Und jetzt freue ich mich richtig auf die French Open, habe Monsterspaß an meinem Beruf!

tennisnet: Sie haben das Jahr hervorragend begonnen, in Dubai beinahe Andy Murray geschlagen. Und in Marrakesch die Chance auf den Turniersieg gegen Borna Coric gehabt. Dieses Match haben Sie dann verloren. Wie lange wirkt so eine Niederlage nach?

Kohlschreiber: Über die letzten Wochen gar nicht mehr. Aber klar, wenn man das Gefühl hat, dass man dieses Match zwei- oder dreimal verloren hat, dass ich eigentlich der bessere Spieler war, dann dauert es schon eine Weile, bis man das Ergebnis verarbeitet hat.

tennisnet: In Madrid haben Sie jedenfalls schon wieder einen starken Eindruck hinterlassen.

Kohlschreiber: Ich finde auch, dass das Match gegen Dimitrov nicht verkehrt war. Da gab es vielleicht noch minimale Unsicherheiten, vielleicht mangelndes Selbstvertrauen in der einen oder anderen Situation, wo ich zu hektisch den Fehler gemacht habe, aber daraus habe ich auch etwas gelernt, bin ruhiger geworden. Und habe jetzt auf Sand auch nicht den Druck, unbedingt gewinnen zu müssen. Trotzdem hoffe ich natürlich auf eine adäquate Auslosung in Paris, die spielt ja auch immer eine Rolle. Und freue mich darauf, wenn es am Sonntag, Montag oder Dienstag dann losgeht.

tennisnet: Sie haben in Marrakesch gegen Coric gespielt, in München gegen Casper Ruud, zwei Vertreter aus der #NextGen-Generation. Wie sind Ihre Eindrücke gerade von diesen Beiden?

Kohlschreiber: Borna Coric ist ja schon länger auf der Tour, hat in diesem Jahr ganz gute Schritte nach vorne gemacht. Wenn man ihn allerdings mit Sascha Zverev vergleicht, der in der gleichen Altersrange spielt, dann ist Sascha schon ein gutes Stück voraus. Den würde ich als absoluten Top-Mann der kommenden Generation sehen, "Junior" trifft es ja schon lange nicht mehr bei Sascha.

tennisnet: Casper Ruud?

Kohlschreiber: Hat gute Voraussetzungen, ist körperlich schon sehr weit, spielt eine gute Vorhand. Aber, und das ist ja das Schöne am Tennis, eine Entwicklung ist nie abgeschlossen, auch bei mir nicht. Ich tüftle an Aufschlag, Vorhand und Rückhand rum, man versucht sich taktisch zu verbessern.

tennisnet: Dominic Thiem hat in Rom Rafael Nadal geschlagen, Alexander Zverev im Finale Novak Djokovic. Werden sich die Verhältnisse in Paris auch so offen gestalten?

Kohlschreiber: Das wird sicherlich wieder anders sein als in Madrid und Rom. Dort haben die Topleute ein wenig gewackelt. Wawrinka hat nicht so viel Leistung gebracht, Murray war nicht in seiner besten Form, Raonic kommt zurück von einer langen Verletzung, Nishikori war auch nicht in Topform. Dominic und Nadal haben auf Sand schon extrem viel gespielt. Es hat also vieles zusammengepasst in Rom, was die Leistung von Sascha keineswegs schmälern soll. Das war einfach sensationell. Und es ist ja schön, dass auch einmal ein anderer Spieler die Masters-Turniere gewinnt.

tennisnet: Sie kommen seit vielen Jahren nach Paris. Was gefällt Ihnen dort besonders gut, wo sehen Sie Verbesserungsbedarf?

Kohlschreiber: Ich bin ja eigentlich kein kritischer Typ. Es ist natürlich eine kleine Anlage, und wenn es regnet, leidet jedes Turnier an Platzmangel. Aber die Franzosen sind ein wirklich tennisverrücktes Publikum, die Stimmung ist jedes Jahr toll, das Essen ist gut, die Facilities sind top. Was vielleicht stört, ist, dass man am Abend die Matches nicht fertig spielen kann. Nur für den fünften Satz Flutlicht, das wär schon eine gute Sache. Aber es wird viel für die Spieler gemacht. Wir haben auch ein Hotel herausgesucht, von dem aus die Anlage fußläufig zu erreichen ist.

tennisnet: Gibt es da Aberglauben, eine Tradition vielleicht?

Kohlschreiber: Die letzten Jahre war ich schon in diesem Hotel. Von dem man auch abends, wenn man mal weg vom Tennis möchte, recht schnell in der Stadt ist. Das muss ab und zu auch sein.

Frühe Anreise

tennisnet: Wie sieht Ihre Trainingsplanung für Paris aus?

Kohlschreiber: Wir sind schon seit Anfang der Woche dabei, mit jenen Leuten Kontakt aufzunehmen, mit denen wir gerne trainieren. Normalerweise kommen wir zu guten Trainingsmöglichkeiten mit den Jungs. Aber man muss sich eben früh organisieren, um sicherzustellen, dass man Trainingsmöglichkeiten mit den Topspielern auf den besten Courts zu bekommen.

tennisnet: Kleiner Blick voraus noch. Nach den French Open werden Sie in Stuttgart und Halle auf Rasen spielen. Wie viel Eingewöhnungszeit brauchen Sie erfahrungsgemäß?

Kohlschreiber: Ich finde die Umstellung von Sand auf Rasen gar nicht so schlimm, andersrum ist es mühsamer. Auf Rasen spielen der Aufschlag und kurze Ballwechsel die Hauptrolle. Ich glaube schon, dass ich da ein ganz gutes Timing habe. Wenn ich etwa am Donnerstag nach Stuttgart anreise und dann am Montag spiele, hat das während der letzten Jahre immer ganz gut geklappt.

tennisnet: Hand aufs Herz: Wer wird bei den Herren die French Open gewinnen?

Kohlschreiber: Das ist jetzt wahrscheinlich ein zu sicherer Tipps, aber ich denke schon, dass es Rafael Nadal machen wird. Nadal spielt das ganze Jahr über schon sehr stark, in Paris, wenn es trocken ist, ganz besonders.

tennisnet: Herr Kohlschreiber, vielen Dank für das Gespräch.

Philipp Kohlschreiber im Steckbrief

von Jens Huiber

Freitag
26.05.2017, 11:26 Uhr