Spielt Andy Murray bald nicht mehr für Großbritannien?
Das anstehende Referendum in Schottland könnte für Andy Murray Auswirkungen auf seine weitere Karriere haben.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
18.08.2014, 07:14 Uhr

Es war einer dieser magischen Momente bei den Olympischen Spielen 2012 in London, als Andy Murray das olympische Tennisturnier in Wimbledon gewann und somit für Großbritannien die Goldmedaille holte. Die Atmosphäre auf dem Centre Court in Wimbledon, auf dem es in den zwei normalen Turnierwochen eher ruhig und förmlich zugeht, war während des olympischen Turniers wie in einem Fußballstadion. Wenige Minuten nach seinem triumphalen Sieg gegenRoger Federerspielte Murray auch in der Mixedkonkurrenz an der Seite von Laura Robson um Gold. Es reichte jedoch „nur" zur Silbermedaille. Großbritannien feierte an diesem Tag seinen Nationalhelden, Andrew Baron „Andy" Murray.
Murray nicht stimmberechtigt
Wenn im Jahr 2016 das olympische Tennisturnier in Rio de Janeiro ausgetragen wird, geht Murray als Titelverteidiger an den Start. Mit 29 Jahren wird er dann weiterhin im besten Tennis-Alter sein und höchstwahrscheinlich zu den Anwärtern auf Edelmetall zählen. Ob Murray dann unter der Flagge von Großbritannien spielen wird, entscheidet sich am 18. September 2014. Warum? Murray ist gebürtiger Schotte. Seine Landsleute, vier Millionen wahlberechtigte Bürger, sind dazu aufgerufen,in einem Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands vom Vereinigten Königreich abzustimmen. Murray selbst darf an der Abstimmung nicht teilnehmen, da er seinen Wohnsitz mittlerweile in England, in London, hat.
Während der Schauspieler und ehemalige James-Bond-Darsteller Sean Connery (ebenfalls nicht stimmberechtigt) der prominenteste Befürworter der Abspaltung Schottlands ist, sind seine Berufskollegen Michael Douglas, Judi Dench sowie die Musiker David Bowie und Mick Jagger für den Verbleib im Vereinigten Königreich. Murray mag sich zum Thema Referendum ungern äußern. Im Teenager-Alter hatte sich der Schotte mit einem abwertenden, aber wohl scherzhaft gemeinten Kommentar gegenüber England in die Nesseln gesetzt, als er im Jahr 2006 vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft erklärte, dass er jede Mannschaft außer England unterstützen werde. Der Kommentar des damals 19-jährigen Murray kam bei vielen Engländern überhaupt nicht gut an, sodass ihm ein kleiner Teil in Wimbledon die Unterstützung verweigerte.
Kopfschmerzen und Beschimpfungen
Viele Jahre war die Meinung der Engländer über Murray wie folgt: „Wenn er gewinnt, ist er Brite. Wenn er verliert, ist er Schotte." Anders als in Mannschaftssportarten wie Fußball, zumindest bei Wettbewerben außerhalb von Olympia, oder Rugby tritt im Tennis und vielen anderen Sportarten ein Team aus Großbritannien an. „Ich möchte meine Gedanken über solch eine Sache nicht öffentlich machen, weil nicht viel Gutes dabei herumkommt. Ich weiß nicht viel über Politik. Ich habe den Fehler in der Vergangenheit gemacht, der bei mir Kopfschmerzen für sieben oder acht Jahre meines Lebens hinterlassen hat sowie eine Menge an Beschimpfungen. Deshalb möchte ich in solche Angelegenheiten nicht mehr involviert werden", erklärte Murray im April am Rande des Turniers in Indian Wells.
Eine andere Bemerkung Murrays im Juni dieses Jahres deutet ein wenig daraufhin, dass er gegen die Unabhängigkeit stimmen würde, wenn er die Wahl hätte. „Ich spiele, seitdem ich elf Jahre alt bin, für Großbritannien. Viele Leute vergessen das", sagte Murray im Interview mit der „Sunday Times". Die Gegner der schottischen Unabhängigkeit liegen derzeit in allen Umfragen voraus, wobei die Befürworter sukzessive aufgeholt haben. Sollten die Schotten am 18. September 2014 tatsächlich für die Unabhängigkeit stimmen, könnte diese am 24. März 2016 endgültig vollzogen werden. An jenem Tag wurden im Jahr 1603 die Kronen des Königreichs Schottland und des Königreiches England vereinigt. Bei einer Abspaltung Schottlands würde Murray bei den Olympischen Spielen 2016 die Titelverteidigung unter schottischer Flagge in Angriff nehmen. Auch die Neugründung eines Davis-Cup-Teams aus Schottland wäre dann realistisch.(Text: cab)