Eva Asderaki-Moore – Aus dem Leben einer Weltklasse-Schiedsrichterin

Die erste Frau, die ein Herren-Endspiel bei den US Open leitete, zeigt uns die Tenniswelt aus der Schiedsrichter-Perspektive.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 21.04.2016, 16:15 Uhr

Wer gewinnt? Tippt jetzt!
NEW YORK, NY - SEPTEMBER 13: Chair Umpire Eva Asderaki-Moore looks on during the Men's Singles Final match between Roger Federer of Switzerland and Novak Djokovic of Serbia on Day Fourteen of the 2015 US Open at the USTA Billie Jean King National T...

Sie war der heimliche Star beim letztjährigen US-Open-EndspielzwischenNovak DjokovicundRoger Federer. Eva Asderaki-Moore überzeugte bei ihrer Premiere – nie zuvor hatte eine Frau das Herren-Finale in New York geleitet – mit einer fehlerlosen Leistung. Die in Melbourne lebende Griechin überstimmte mehrfach ihr Linienpersonal und lag damit in jedem Fall richtig.Vier Jahre zuvor geriet Asderaki an gleicher Stelle mit Serena Williams aneinander. Im Damenendspiel 2011 verwehrte die heute 34-Jährige der US-Amerikanerin einen Punkt, da diese mitten im Schlag ein lautes „Come on“ rief, was die spätere SiegerinSamantha Stosurirritierte. Daraufhin pöbelteWilliamsin Richtung der Stuhlschiedsrichterin: „Du bist völlig neben der Spur“ und „Schau mich nicht so an“. Diese Worte und noch wüstere Beschimpfungen veranlassten Asderaki, Williams zu verwarnen – welche sich auch im Anschluss nicht bei der Griechin entschuldigen wollte.

Durch diesen Vorfall erhöhte sich der Bekanntheitsgrad der Wahl-Australierin sprunghaft. Seit 2007 ist Asderaki Inhaberin des sogenannten „Gold-Abzeichens“, welches dem höchsten Qualifikationsgrad für Stuhlschiedsrichter entspricht. Nach vielen Jahren als „WTA-Umpire“ arbeitet Asderaki seit diesem Januar für die International Tennis Federation (ITF). Mit dem Portal „Tennissmash“ sprach sie neulich unter anderem über ihr Pokerface bei „Hawk-Eye“-Entscheidungen, Nervosität in großen Matches und darüber, warum keine Freundschaften zu den Spielern möglich sind.

Eva Asderaki-Moore über…

… den Reisestress auf der Tour:

„Es ist nicht einfach, bis zu 30 Wochen im Jahr unterwegs zu sein, vor allem wenn du eine Familie hast. Jetlags und unterschiedliche Wetterbedingungen jede Woche sind die Regel. Dieses Jahr trete ich etwas kürzer, und bin lediglich bei den Grand Slams, den Olympischen Spielen sowie bei Fed- und Davis-Cup-Partien im Einsatz.“

… ihre Anfänge als Schiedsrichterin:

„Alles begann in meiner griechischen Heimat, als ich 16 Jahre alt war. Ich reiste mit meinem Tennisclub zu einem international Turnier und half da als Linienrichterin aus. Ich liebte es sofort und sagte mir: ,Das will ich machen!’ Da es nur wenige Schiedsrichter in Griechenland auf diesem Level gab, wurde ich direkt bei ,Futures’ und ,Satellites’ eingesetzt – sowohl bei Damen- als auch bei Herrenturnieren, und das oft auf dem Stuhl. Meistens hatte ich kein Linienpersonal und musste alles selbst entscheiden, was eine sehr wertvolle Erfahrung war.“

… Interpretationsspielräume der Regeln und Fingerspitzengefühl:

„Es gibt so viele Situationen, wo die Regeln Handlungsspielräume zulassen. Wenn ein Spieler beispielsweise seinen Schläger malträtiert, muss nicht automatisch eine Verwarnung ausgesprochen werden. Es kommt darauf an, wie stark der Schläger geworfen wird und in welcher Phase des Matches. Manche Schiedsrichter belassen es bei einer Ermahnung, andere sprechen grundsätzlich eine Verwarnung aus. Wir wollen keine Polizisten sein, es geht mehr darum, die Balance zu finden und innerhalb der Grenzen zu entscheiden. Wenn du Anfänger bist, hälst du dich meist sehr strikt an die Regeln, da du keine Fehler machen willst. Mit mehr Erfahrung nimmst du dich etwas zurück und händelst strittige Situationen individueller.“

… Unstimmigkeiten mit Spielern wegen Ballabdrücken auf Sandplätzen:

„Auf Sand hinterlassen die Spieler viele Spuren, deshalb gibt es oft nicht den perfekten Abdruck.  Du musst dich fragen: ,War es ein Lob? War es ein Cross-Schlag? War es ein Gewinnschlag die Linie entlang?’ Dann musst du entscheiden, ob der Abdruck symmetrisch ist, außerhalb oder auf der Linie – an dieser Stelle gibt es die meisten Diskussionen mit den Spielern.“

… die Einführung des „Hawk-Eyes“:

„Am Anfang war es so: ,Puuh, mal sehen, was es anzeigt’ (lacht). Aber jetzt ist es großartig und definitiv eine Hilfe. Jetzt schauen die Spieler einfach, ob sie richtig oder falsch lagen und spielen dann weiter. Vorher diskutierten sie mehr mit uns Schiedsrichtern, wenn wir die falsche Entscheidung trafen. Wenn Spieler ein „Overruling“ von uns anzweifeln und das ,Hawk-Eye’ befragen, gibt es diesen Moment, wo du denkst: ,Gib mir recht, gib mir recht, bitte gib mir recht’ (lacht). Aber du musst ein ,Pokerface’ aufsetzen und so aussehen wie: ,Okay, alles klar.’“

die Beziehung zu den Spielern und harte Entscheidungen:

„Auf dem Platz kennen wir die Spieler sehr gut. (lacht) Außerhalb, reden wir mit ihnen ab und zu ein wenig, aber es gibt Grenzen. Du kannst keine freundschaftliche Beziehung aufbauen und dann ein Match desjenigen schiedsen. Allerdings hilft es schon, wenn du weißt, wie der Spieler tickt, um auf dem Platz entsprechend zu handeln. Wenn jemand permanent gegen die Regeln verstößt, ist es schon unangenehm, den Spieler ständig zu maßregeln. Aber am Ende musst du das machen, wozu du da bist. 90 Prozent der Zeit werden nicht beide Spieler mit dir zufrieden sein, aber so ist das eben. Auch die Akteure wissen, dass du deinen Job machen musst.“

… Schwierigkeiten, die Nerven bei großen Matches zu behalten:

„Besonders am Anfang bin ich oft sehr nervös, vor allem in Finals. Letztendlich ist aber jedes Match wichtig, und du weißt nie vorher, was passiert. Die Einschlagphase der Spieler ist auch gut für uns Schiedsrichter, um sich zu akklimatisieren. Danach sind auch wir in ,The Zone’. Ich achte zudem darauf, nie mit leerem Magen in ein Match zu gehen und genug Getränke dabei zu haben – aber nicht zu viel, damit ich nicht zur Toilette rennen muss (lacht). Das Publikum, der Lärm, die Lichter und so weiter sind dir bewusst, aber du lässt dich davon nicht beeinflussen.“

Hier geht es zum kompletten Interview.

von tennisnet.com

Donnerstag
21.04.2016, 16:15 Uhr