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Australian Open: Kerbers verkorkster Geburtstag rundet das deutsche Frauen-Debakel ab

Keine deutsche Frau in Runde zwei der Australian Open - das gab es zuletzt 1977. Auch Angelique Kerber konnte kein Erfolgserlebnis verbuchen.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 18.01.2022, 16:15 Uhr

Angelique Kerbers Trip nach Australien fiel nur kurz aus
© Getty Images
Angelique Kerbers Trip nach Australien fiel nur kurz aus

Als Angelique Kerber am Dienstagabend die „Kia Arena“ im National Tennis Center betrat, war zunächst alles wie in besseren Zeiten. Die Fans im brandneuen Stadion sangen dem Nordlicht ein Geburtstagsständchen, Kerber bedankte sich artig, mit einem Lächeln schritt sie zum Einspielprogramm mit ihrer estnischen Gegnerin Kaia Kanepi. Doch knapp anderthalb Stunden später war die Musik und Freude draußen aus dem Feiertag, Kerber, nunmehr 34 Jahre alt, war nach einer weithin tristen Vorstellung mit 4:6 und 3:6 an der Nummer 113 der Weltrangliste gescheitert. Und mit diesem verkorksten Geburtstag war auch das Australian-Open-Debakel für das deutsche Frauentennis perfekt – dass zum ersten Mal seit 1977 nun keine DTB-Spielerin nicht mal mehr in der zweiten Runde kämpfte, zeigte auch an, dass die goldene Ära der Generation Kerber und Co. sich machtvoll dem Ende zuneigt. „Es war nicht mein bestes Tennis heute. Aber ich konnte auch nicht viel erwarten“, sagte Kerber, die sich im Dezember eine Corona-Infektion zugezogen hatte und stark in ihrer Turniervorbereitung eingeschränkt war.

Im letzten Jahr hatte Kerber sich nach dem Erfolg bei dem von ihr mitverantworteten Turnier in Bad Homburg noch einmal spektakulär zurückgemeldet – mit dem Selbstbewusstsein und dem Schwung aus der Heimat rückte sie danach in Wimbledon bis ins Halbfinale vor, wurde dann erst von der Weltranglistenersten Ashleigh Barty gestoppt. Doch ansonsten war und ist es ruhig geworden um Kerber und die Gruppe von Spielerinnen, die Mitte und Ende der Nuller-Jahre ihren langen Marsch durch die Tennis-Institutionen antrat und immer wieder für spektakuläre Centre-Court-Augenblicke sorgte. Inzwischen sind aus der „goldenen Generation“ ohnehin nur noch Kerber und ihre Freundin Andrea Petkovic übrig geblieben. Julia Görges ist zufriedene Ruheständlerin, sie beendete inmitten der herausfordernden Pandemie-Zeiten ihre Karriere. Sabine Lisicki, die Wimbledon-Finalistin des Jahres 2013, bastelt angeblich weiter an einem eher ungewissen Comeback: Es würde allerdings nicht überraschen, wenn auch sie wegen ihrer bitteren Verletzungshistorie und körperlichen Anfälligkeit in nicht allzu ferner Zukunft einen Schlussstrich ziehen würde.

Neben Kerber nur Petkovic und Maria am Start

Mit nur drei deutschen Spielerinnen – neben Kerber und Petkovic noch Tatjana Maria - hatten diese Offenen Australischen Meisterschaften 2022 begonnen, es war die dünnste Starterzahl seit dem Jahr 2004. Petkovic und Maria schieden chancenlos am Eröffnungstag aus, nun folgte mit Kerber jene Frau, die dem Frauentennis hierzulande im letzten Jahrzehnt die denkwürdigsten Szenen und Erfolge beschert hatte. Mit dem Melbourne-Pokalcoup vor sechs Jahren begann ihre Glanzzeit, noch in jener Saison 2016 rückte sie auf Platz 1 der Weltrangliste vor, gewann die US Open. Die Krönung ihres Lebenswerks erlebte sie 2018 auf dem heiligen Rasen des All England Club in Wimbledon.

Aber hinter Kerber, Görges und Co. etablierte sich keine neue Gruppe von Spielerinnen, die das Establishment national und international bedrängte. Talente wie Annika Beck oder Carina Witthöft schafften nie nachhaltig den Sprung in die Weltspitze. Unter den Top 200 finden sich dieser Tage gerade einmal sechs deutsche Spielerinnen, nur zwei – Kerber und Petkovic (jeweils 34 Jahre alt) – stehen in den Top 100. Die einzige Spielerin unter 25 Jahren, die sich noch einigermaßen gut im Tourgeschäft behauptet, ist die gebürtige Dortmunderin Jule Niemeier: Sie ist 22 Jahre alt, auf Platz 129 der WTA-Hitliste eingestuft. Ein Schlaglicht auf die Krise hatten schon im Vorjahr bereits die French Open geworfen, auch dort hatte keine Akteurin des DTB die zweite Runde erreicht. DTB-Damenchefin Rittner richtet ihre Hoffnungen mittlerweile auf Spielerinnen wie die 18-jährige Karlsruherin Nastasja Schunk, die 2021 hin und wieder schon bei WTA-Turnieren hereinschnupperte. Rittner, die erfahrene Beobachterin, macht aus der schwierigen Lage keinen Hehl: „Wir haben eine Durststrecke vor uns.“ 2019 hatte sie schon einmal von einem „beängstigenden Gesamtbild“ gesprochen.

Kohlschreiber in Runde zwei

Ein Erfolgserlebnis war am Dienstag ausschließlich dem 38-jährigen Veteranen Philipp Kohlschreiber vergönnt: Der Augsburger, inzwischen auf Weltranglistenplatz 134 abgerutscht,  gewann sein Auftaktspiel mit 6:4, 7:5 und 7:6 gegen den Italiener Marco Cecchinato und trifft nun am Donnerstag auf Roberto Bautista Agut (Spanien). Sang- und klanglos verlor Davis Cup-Spieler Jan-Lennard Struff mit 4:6, 3:6 und 2:6 gegen den jungen Niederländer Botic van de Zandschulp. Auch der Nürnberger Maximilian Marterer verlor seine Eröffnungspartie – mit 6:7, 3:6 und 2:6 gegen Taylor Fritz aus den USA.

Hier das Einzel-Tableau bei den Frauen

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von Jörg Allmeroth

Dienstag
18.01.2022, 18:00 Uhr
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