Billie Jean King Cup: Deutschland "am Boden zerstört" - Schüttler tritt zurück
Was als vielversprechendes Billie-Jean-King-Cup-Wochenende begann, endete für die deutsche Mannschaft in einer sportlichen Enttäuschung. Und mit dem Rücktritt von Rainer Schüttler.
von Florian Heer
zuletzt bearbeitet:
17.11.2025, 18:29 Uhr

von Florian Heer aus Ismaning
Eigentlich hätte in Ismaning alles nach Plan laufen sollen: Deutschland ging als Favorit in die Gruppe F, der Auftaktsieg gegen die Türkei war fest eingeplant, und am Sonntag sollte das Duell gegen Belgien über den Gruppensieg entscheiden. Doch schon am Freitag geriet das Drehbuch ins Wanken. Die Türkinnen schockten die Gastgeberinnen mit einem 2:1-Erfolg. Tags darauf verhinderten Ayla Aksu und Ipek Öz nur knapp, dass das Wochenende frühzeitig bedeutungslos wurde. Belgien wehrte mehrere türkische Matchbälle ab und setzte sich 2:1 durch – rein rechnerisch blieb Deutschland damit im Rennen.
Am Sonntag jedoch platzte der deutsche Traum endgültig. Vor mit 1.415 Zuschauern ausverkauften Rängen am TC Ismaning unterlag das Team von Rainer Schüttler Belgien klar mit 0:2. Jeline Vandromme (7:6, 2:6 und 6:3 gegen Anna-Lena Friedsam) sowie Hanne Vandewinkel (6:0 und 6:4 gegen Ella Seidel) sicherten ihrem Team bereits nach zwei Einzeln den Sieg. Belgien darf damit zum vierten Mal in die Qualifiers einziehen – Deutschland hingegen steigt erstmals seit 2012 aus der Weltgruppe ab.
“Wir haben uns das anders vorgestellt”
Nach der Niederlage war die Stimmung im deutschen Lager gedrückt. "Das war ein sehr enttäuschendes Wochenende und wir sind gerade alle am Boden zerstört. Wir haben uns das anders vorgestellt. Man hat aber auch gesehen, wie knapp das alles ist“, sagte Teamchef Rainer Schüttler.
Die deutsche Mannschaft hatte auf Schützenhilfe hoffen müssen und am Samstag das Duell Türkei gegen Belgien gemeinsam verfolgt: “Wir haben das in einer geschlossenen Gesellschaft im Restaurant schreiend verfolgt. Die wussten wahrscheinlich auch nicht so genau, was passiert. Wir hatten unsere Handys auf dem Tisch und bei jedem dritten Punkt haben wir geschrien. Für die geschlossene Gesellschaft war das vielleicht nicht so schön, aber wir hatten unseren Spaß.”
Verletzungen, fehlende Erfahrung – und ein Blick nach vorn
Nichtsdestotrotz, der Abstieg schmerzt – und Schüttler ordnet die Situation klar ein: “Absteigen ist nie schön. Wir hatten in den letzten Jahren bereits eine Relegation, haben uns aber durchgekämpft. Mit ein wenig Abstand muss man auch analysieren, woran es gelegen hat, und was verbessert werden muss. Man muss allerdings auch realistisch sein: Wieder aufzusteigen ist nicht einfach. Da muss alles zusammenkommen."
Dabei spielte auch das Fehlen der Routiniers Tatjana Maria und Laura Siegemund eine Rolle: “Wir haben drei Top-50-Spielerinnen, und keine hat heute gespielt. Mehr braucht man nicht sagen”, stellte Schütter klar. “Die fehlen an allen Ecken und Enden. Wenn man sieht, welches Potenzial wir hätten – das zählt allerdings nicht. Wenn jemand verletzt ist, kann man daran nichts ändern.”
Erschwerend kommt hinzu, dass der Billie Jean King Cup von zwölf auf acht Teams verkleinert wurde – der Weg zurück in die Weltgruppe wird also noch steiniger.
Über seine eigene Zukunft als Teamkapitän wollte sich Schüttler kurz nach dem Ende der Partie gegen Belgien noch nicht festlegen: “Wir hatten hier sehr lange Tage und Matches. Wir sind jetzt erstmal platt und leer. Wir werden uns das anschauen. Im Dezember haben wir einen traditionellen Call mit allen Spielerinnen. Es gibt Dinge, die bestimmt verändert werden sollten, zum Beispiel wie trainiert wird, wann man anreist – tausend Sachen. Dann sehen wir weiter.”
Schüttler tritt zurück
Am Montag erfolgte dann die Meldung des Deutschen Tennis Bundes, dass Schüttler sein Amt als Kapitän der deutschen Billie Jean King Cup-Mannschaft niederlegt. Er möchte damit Raum für neue Impulse und eine personelle Neuausrichtung schaffen. Schüttler hatte das Amt des Teamkapitäns im Jahr 2020 übernommen. Unter seiner Leitung erreichte die Mannschaft in den vergangenen fünf Jahren dreimal die Finals des Nationenwettbewerbs.
"Ich habe diese Aufgabe mit großer Leidenschaft ausgeübt und bin stolz auf die Entwicklung der Spielerinnen und des gesamten Teams. Nach dem enttäuschenden Ausgang der Play-Offs ist jetzt der richtige Zeitpunkt, Verantwortung zu übernehmen und Platz für neue Akzente zu machen“, sagte Schüttler zu seinem Rücktritt.
Einen Nachfolger gibt es noch nicht. Für Deutschland endet das Wochenende somit ernüchternd – und mit vielen offenen Fragen. Sicher ist nur: Der Wiederaufstieg wird alles andere als einfach.
