Boris Becker sehnt sich nach dem Duft der Blumen in Wimbledon
Am 7. Juli jährt sich zum 40. Mal der erste Wimbledonsieg von Boris Becker. Allerdings: Das Jubiläum kann er nicht vor Ort feiern.
von SID
zuletzt bearbeitet:
24.06.2025, 15:59 Uhr

Der große Wunsch von Boris Becker ist im Grunde genommen sehr bescheiden. Und doch wird er auch in diesem Jahr, ausgerechnet in diesem Jahr, nicht in Erfüllung gehen. "Letztendlich", hat Becker gesagt, "möchte man durch die Tore von SW19 gehen und einfach wieder die Blumen riechen". Doch ganz so einfach ist es eben nicht, wie so oft, wenn es um ihn geht.
Im Londoner Stadtteil SW19, oder einfach nur: Wimbledon, liegt die Anlage des All England Lawn Tennis and Croquet Club. Jener Ort, an dem Becker am 7. Juli 1985, also vor 40 Jahren, für eine Art Urknall sorgte. Wo er sein "Wohnzimmer" verortet, seine "Wohlfühloase", in dessen Nähe er, auch das hat er im Überschwang seiner Gefühle schon mal erwähnt, sogar begraben werden möchte.
Es war 17.26 Uhr an jenem 7. Juli vor 40 Jahren, als der "17-jährige Leimener" im Finale von Wimbledon den Matchball zum 6:3, 6:7, 7:6, 6:4 gegen Kevin Curren aus Südafrika verwandelte - mit einem krachenden Aufschlag. Ein historischer Moment: jüngster Wimbledonsieger, der erste ungesetzte, und sowieso der erste aus Deutschland. Zweimal wiederholte Becker den Triumph, 1986 und 1989 - vor 30 Jahren verlor er sein letztes und insgesamt siebtes Wimbledon-Finale gegen Pete Sampras.
Becker hätte Wimbledon gerne etwas später gewonnen
Sein Urknall aber war der erste Triumph auf dem "heiligen Rasen". Wie ein "Wunder aus einer anderen Welt" hätten ihn die Leute danach angesehen, sagte Becker (57) erst kürzlich im Interview mit Sports Illustrated. Und er glaubt: "Für meine Gesundheit, für mein Leben wäre es besser gewesen, hätte ich Wimbledon erst später gewonnen, mit 21 oder 22" - nicht als Unreifer.
Sein Sieg vor 40 Jahren sei ein "unglaubliches Erlebnis gewesen, ein sehr einschneidendes", sagt der sechsmalige Grand-Slam-Sieger heute - was doch reichlich untertrieben klingt. "Ich bin öffentlich groß geworden", erklärt er im Rückblick, und öffentlich groß werden heißt: "Mit allen Stärken und Schwächen." Und mal abgesehen vom Sportlichen: "Es war ein anstrengender Weg."
Ein Weg, der Becker auch nach der sportlichen Karriere Jahr für Jahr in sein geliebtes Wimbledon geführt hat, ein Weg, der zuletzt versperrt war. Nach seiner Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung im April 2022 und seiner Entlassung aus der Haft wegen guter Führung im darauf folgenden Dezember war ihm die Einreise verboten. Er kann sich jetzt wieder darum bewerben.
“Das hält eigentlich keine Sau aus”
Becker wäre nicht Becker, hätte er nicht auch diese Krise in seinem so bewegten Leben durchgestanden. "Was ich beruflich und privat erlebt habe", sagte er Sports Illustrated, "das hält eigentlich keine Sau aus" - vor allem die Behandlung seines Lebens durch die Medien, ergänzte er, sei "beispiellos" gewesen. Er habe "ein tiefes Tal der Tränen" durchschritten, "aber jetzt geht es mir gut".
Becker ist als Experte geschätzt und durchaus gut beschäftigt, und ein klein bisschen Wimbledon bleibt ihm daher auch in diesem Jahr. Nur: Statt wie früher und vielleicht bald mal wieder für die BBC aus seinem Wohnzimmer zu kommentieren, wird Becker dies im zweiten Jahr nacheinander für Sky Italia tun. Auf Englisch, mit simultaner Übersetzung auf Italienisch.
Dass es ihn mit 57 Jahren noch gebe, "überrascht mich selbst", sagt er, "und ist für mich wie ein weiterer Wimbledonsieg". Das wäre dann der vierte. Der zweite jährt sich im kommenden Jahr zum 40. Mal. Womöglich wird Becker dann schon wieder durch das Tor in SW19 gehen und den Duft der Blumen einatmen.