Buch-Autor Felix Hutt - „Die Verteilung der Mittel im Tennissport ist eine Schande“
Felix Hutt hat sich spät den Traum von wenigstens einem ATP-Punkt erfüllen wollen. Dazu hat der SPIEGEL-Reporter Futures quer über die Erdkugel bereist. Die Erfahrungen hat Hutt in einem Buch beschrieben.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
03.05.2019, 07:23 Uhr

tennisnet: Herr Hutt. Sie haben 2018 eine große Odyssee durch Tenniszirkus gestartet. Herausgekommen ist ein Buch, das die Mühen beschreibt, sich als Spätberufener einen Jugendtraum zu erfüllen …
Felix Hutt: Das Buch heißt „Lucky Loser - Wie ich einmal versuchte, in die Weltrangliste zu kommen“. Es geht um einen alten Typen: mich. Der sich noch einmal aufmacht, weil er einen ATP-Punkt holen will. Und dafür zu Futures fliegt, rund um die Welt, von Sardinien über Pakistan bis Kambodscha und Uganda - da ist alles dabei.
tennisnet: Sie schreiben als Reporter für den SPIEGEL. Wie ist es zu dem Entschluss gekommen, auf die Jagd nach einem ATP-Punkt zu gehen?
Hutt: Ich war in Südafrika im Urlaub, damals 37 Jahre alt, und habe das Finale Federer gegen Nadal bei den Australian Open 2017 gesehen. Für mich das größte Match aller Zeiten. Roger Federer wiedergekommen nach sechs Monaten Verletzungspause, spielt Finale, davor fünf Sätze Halbfinale gegen Wawrinka. Ich habe das Endspiel gesehen und mir gedacht: Wenn der das noch mal zieht, dann greife ich auch noch einmal an. Und bin am nächsten Tag mit meiner Frau an den Strand und habe begonnen, Sprints zu laufen.
tennisnet: In welcher Leistungsklasse haben Sie während Ihrer Karriere gespielt?
Hutt: Bevor ich in die USA ans College gegangen bin, war ich schon relativ gut. Ich war bei den bayerischen Junioren nach der Hallen-Saison immer um die Top Fünf in meinem Jahrgang 1979, habe dann wieder begonnen mit LK 6 und mich hochgespielt auf 480 in Deutschland. Mit 38, 39 Jahren. Darauf bin ich auch stolz. Hatte dann aber leider ein wenig Verletzungspech, weil es mir nach Pakistan die Sehne in der Schulter zerrissen hat. Da bin ich dann hinter die 500 gerutscht - und das hieß, dass man immer auf der Alternative List war. Und oft umsonst zu den Turnierorten geflogen ist.
"Das Krasseste war Uganda. Die haben mit Kreide die Linie gemalt."
tennisnet: Hört sich nach einem kostspieligen Unterfangen an …
Hutt: Ich habe diese Reisen zu den Futures von meinem eigenen Gehalt finanziert, ich habe das in den Urlauben durchgezogen, kein Sabbatical genommen. Das hat es nicht gerade leichter gemacht. Ich hatte keinen Sponsor. Aber ich habe meinen Buch-Vorschuss gewissermaßen in das Buch reinvestiert. Ich habe alles selbst gestemmt, das fühlt sich jetzt schon gut an.

tennisnet: Sie haben viele Länder bereist. Da werden schlechte Erfahrungen nicht ausgeblieben sein. War es etwa in Pakistan besonders schwierig?
Hutt: Pakistan war lustigerweise genau das Gegenteil: Das ganze Land wusste von seinem schlechten Image, und die Leute dort waren unfassbar zuvorkommend, unfassbar lieb. Vom Hotel, vom Fahrservice her. Natürlich für ihre Verhältnisse, da muss man andere Ansprüche stellen als in Deutschland. Aber das Krasseste war schon Uganda ganz am Schluss, das war nicht mehr lustig. Die haben mit Kreide die Linie gemalt, Du bist einmal drübergerutscht, der Schiedsrichter konnte überhaupt nicht mehr sagen, ob das überhaupt noch eine Linie ist. Jeden Morgen hat es geregnet, die Plätze waren komplett zerstört, überall die Abgase, sehr schwül und heiß. Kein Ort, wo ich jetzt wieder hinfahren würde.
tennisnet: Ihre Frau war also dabei, als Sie Ihren Entschluss gefasst hatten, es noch einmal zu versuchen. Wie hat sich das über das Jahr entwickelt?
Hutt: Wir waren einmal zusammen in Sardinien. Und da hat meine Frau gesehen, dass das nicht funktioniert. Sie ist selbst kein großer Tennisfan, war aber ab und zu dabei, in Südafrika oder am Ende eben auch in Uganda. Das hat mir natürlich schon was gegeben, aber ich hatte auch immer ein latent schlechtes Gewissen: Wenn man auf die 40 zugeht und mit seiner Frau im Urlaub ist, kann man ja nicht täglich sagen, ich gehe jetzt sechs Stunden auf den Platz.
tennisnet: Strategisch könnte man es ja so anlegen: Man sucht sich ein Land aus, in dem man nicht viele Turnierstarter vermutet. Wie sind Sie dabei vorgegangen?
"Roger Federer sah unheimlich stylish aus"
Hutt: Da will ich jetzt nicht zu viel verraten, aber: Ich hatte einen ganzen Turnierblock auf ein Land gesetzt, das ich sehr verehre. Und bin dann mehrfach in die Turniere nicht reingekommen. Das hat mich kaputt gemacht, das hat mich so viel Geld gekostet. Da war meine Frau mit dabei, ich aber natürlich schlechtester Laune. Ich konnte mich nicht entspannen, nicht Urlaub machen, aber eben auch nicht spielen. Das war extrem frustrierend. Die Spieler, die das machen, tun mir wirklich leid: Diejenigen, die auf der Alternative List versauern, betteln, dass sie in Turniere reinkommen, erniedrigen sich für eine Wildcard, die man aber nicht bekommt, weil der Veranstalter dann doch einen Local Hero bevorzugt.
tennisnet: Mit der Einführung der ATP Transition Tour Anfang 2019 lässt sich jedenfalls festhalten: Ihr Timinig war hervorragend.
Hutt: Ich bin heilfroh, dass ich meine Tour im letzten Jahr gemacht habe. Weil wie ich mitbekommen habe, hätte ich es ohne Rangliste nach dem neuen System gar nicht machen können. Ich halte die Verteilung der Mittel im Tennissport für eine Schande. Bei den Grand-Slam-Turnieren wird das Preisgeld immer weiter aufgestockt. Und ich denke mir, dass der Federer davon etwas abgeben würde, damit unten mehr weitergeht. Du spielst super Challenger und kommst dennoch nicht richtig vom Fleck. Und oben wird geprasst. Mich wundert es auch nicht, dass der eine oder andere anfällig ist für Sport-Wetterei. Ich finde das natürlich nicht gut, aber ich kann es bis zu einem gewissen Grad verstehen.
tennisnet: So schließt sich der Kreis aber zu Roger Federer. Sie sind jahrgangsmäßig gar nicht so weit auseinander.
Hutt: Roger Federer habe ich als Jugendlicher auf einem Satellite-Turnier getroffen, da hat er gegen meinen Bekannten Valentino Pest verloren. Und ich hatte auch verloren. Wir saßen beide in der Umkleide, und Federer sah schon unglaublich stylish aus. Ich glaube, er hatte damals schon Verträge mit Wilson und Nike. Und obwohl er verloren hatte, war uns allen klar: Der Junge macht eine ganz andere Reise. Alleine die einhändige Rückhand, die er da als 15-Jähriger gespielt hat. Das sah schon überragend aus.
