Carlos Alcaraz regt die Fantasie an - und wie!

Spielen wie ein 18-jährige Spanier, der gerade im Begriff ist, die Tenniswelt zu erobern? Aber ja doch! Denn: je länger das Teenager-Alter zurückliegt, umso verklärter wirkt die eigene Spielstärke. Eine Glosse.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 05.04.2022, 15:11 Uhr

Carlos Alcaraz am Sonntag in Miami
© Getty Images
Carlos Alcaraz am Sonntag in Miami

Vor ein paar Tagen hat Wolfgang Ambros seinen 70. Geburtstag gefeiert, eine Ikone der österreichischen Musik, die auch über die deutschsprachigen Landesgrenzen hinaus zu großer Popularität gelangt ist. Verdientermaßen, versteht sich. Vor allem in seiner frühen Phase hat Ambros in erster Linie soliert, zumindest stimmlich, eher später hat er sich mit Rainhard Fendrich und Georg Danzer zu „Austria 3“ vereinigt. Irgendwo zwischen drin gab es ein Duett mit André Heller: „Für immer jung“.

Musikalisch eher unkompliziert gestrickt, so bringt dieses Kleinod der jüngeren Musikgeschichte doch eine essentielle Weisheit auf den Punkt: „Wenn Du willst, wenn Du wirklich, wirklich willst, bleibst (für) immer jung.“ Gut. Wir strengen uns also jetzt bitte mal alle richtig an - und schon sind wir so jung wie Carlos Alcaraz. Nämlich noch nicht ganz 19.

Alcaraz beflügelt die Fantasie

Und siehe da: Plötzlich ist es wieder da, dieses Vertrauen in die eigene Beinarbeit. Natürlich können wir so wie Alcaraz jeden Ball erlaufen. Da macht es beim Tennisgott keinen Unterschied, dass auf der anderen Seite des Netzes der Bregar Wolfi vom Voitsberger Tennis Club gestanden hat und nicht der Ruud Casper auf einem langsamen Hartplatz in Miami. Die Vorhand einfach mal ohne Angst durchziehen, inside-in, so wie Alcaraz das in so spielerischer wie brutaler Manier macht? Kein Problem. Dass die Wuchtel an der T-Linie kraftlos runterklatscht, kann nur am inferioren Material und/oder am Kent-Carlsson-Gedächtnisgriff gelegen haben, der so Western war, dass die Bälle schon wieder sehr weit im Osten geschlagen wurden.

Die Quintessenz: Mit ein bisschen mehr Training und dem richtigen Zuspruch durch den naturgemäß zu kritischen Coach hätte auch wir es weit bringen können.

Ja, Carlos Alcaraz regt die Fantasie mehr an als jeder andere Spieler in der jüngeren Vergangenheit. Ganz offensichtlich auch beim Verfasser dieser Zeilen. Dass er mit nun knapp 19 Jahren einen Körper zur Schau stellt, der dann doch ein, zwei kritische Fragen aufwerfen sollte? Ja, auch diesen Zweifeln möchte sich der Verfasser keineswegs verschließen. Wenn sich Carlos Alcaraz vor den besten Österreicher im ungefähr gleichen Alter - Lukas Neumayer - stellt, dann wird es dunkel. Hat ein wichtiger Tennisfunktionär in Österreich vor gar nicht allzu langer Zeit gesagt. Die Frage ist, ob das für Alcaraz oder gegen Neumayer spricht oder einfach mal so hinzunehmen ist.

Gut für den Tennissport

Miami hat in jedem Fall gezeigt: Carlos Alcaraz ist gut für den Tennissport. Die ansonsten traurige Veranstaltung wurde durch den Run des Teenagers zu einem Happening, Alcaraz strahlt eine Energie aus, die ansteckend ist. Aufgegeben wird grundsätzlich keine Partie, die Party in Florida hätte ja auch schon beim Stand von 3:5 im Tiebreak des dritten Satzes im Viertelfinale gegen Miomir Kecmanovic vorbei sein können.

Zum Tennissport hat Wolfgang Ambros, wenn überhaupt, übrigens eine in seinen Liedern nicht dokumentierte Beziehung gepflegt. Die Liebe des Musikgottes galt dem Skifahren. Und wenn man ihn so gesehen hat in den alten Filmen, auf schlecht präparierten Pisten und mit, nach heutigem Maßstab, viel zu langen Skiern, dann hatte das fast schon Alcaraz´sche Ausmaße an Inspiration. Und wenn man jetzt für immer jung wäre, dann hätte man die Kanten in den Firn gesetzt wie der Woiferl. Was objektiv betrachtet genauso unmöglich gewesen wäre wie einen Vorhandschuss á la Carlos Alcaraz abzufeuern.

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von Jens Huiber

Dienstag
05.04.2022, 17:15 Uhr
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