Coaches Corner, Teil 1: Wie spielt man erfolgreich gegen Rafael Nadal?

Professionelle Tennis-Coaches sehen mehr - weshalb wir einfach mal nachfragen, wie man denn gegen die ganz Großen der Branche spielen sollte. In Teil 1 unserer Serie analysiert der Cheftrainer des Deutschen Tennis Bundes Michael Kohlmann den zwölfmaligen French-Open-Champion Rafael Nadal.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 15.04.2020, 13:36 Uhr

Rafael Nadal beim Davis Cup in Valencia 2018
© Getty Images
Rafael Nadal beim Davis Cup in Valencia 2018

Vorausschicken möchte Michael Kohlmann, deutscher Davis-Cup-Kapitän, in Bezug auf Rafael Nadal Folgendes, auch aus eigener Erfahrung: „Es ist eigentlich unmöglich, ihn auf Sand zu schlagen.“ Das weiß Kohlmann als Coach aus eigener Erfahrung: Mit der deutschen Nationalmannschaft ging es 2018 in Valencia gegen die Spanier, Nadal besiegte zunächst Philipp Kohlschreiber, im Spitzeneinzel dann Alexander Zverev. Wenige Woche später gewann Nadal in Roland Garros gegen Maximilian Marterer, der damals von Kohlmann betreut wurde.

Die Charakteristika im Spiel von Rafael Nadal

Bei seiner Spieleröffnung serviert Nadal über 66 Prozent in die Rückhand eines Rechtshänders, um danach viel mit der Vorhand weiterzuspielen. Beim Return steht er extrem weit hinter der Linie, um somit dem Gegner wenige Lücken zu zeigen, das Feld kleiner zu machen. Das trifft vor allem auf Asche zu. Auf Hartplatz kann Nadal nicht so weit hinten stehen, weil man ihm dort mit dem kurzen Slice-Aufschlag weh tun kann.

Von der Grundlinie aus ist er mit der Vorhand viel aktiver, macht damit allerdings auch mehr Fehler, auch beim Return. Rückhand ist solider, sorgt aber auch für weniger Punkte. Nadal ist extrem gut, wenn der Gegner zu gleichmäßig spielt, also zu häufig in eine Ecke. Man muss ihm Aufgaben stellen, sonst übernimmt er irgendwann mit der Vorhand und spielt dermaßen aggressiv, dass man aus der Defensive nicht mehr herauskommt. Und wenn man Nadal zwar in die Rückhand spielt, aber zu viel Zeit lässt, dann geht er so richtig drauf und spielt viel Rückhand-Longline, vor allem bei Bällen im Aufsteigen. Da wartet er dann auch ein paar Bälle, bis er sich den richtigen ausgesucht hat.

Wie muss man sein Spiel gegen Rafael Nadal anlegen?

Das A und O ist, und da nenne ich jetzt Novak Djokovic und auch Robin Söderling, der gerne vergessen wird - die schafften oder schaffen es, an der Linie zu bleiben, Nadal die Zeit wegzunehmen. Zeit ist der entscheidende Faktor, auch wenn wir von der Asche weggehen. Das sieht man an den letzten Matches gegen Roger Federer auf Hartplatz, die Federer deshalb gewonnen hat, weil er an der Linie geblieben ist und die Bälle extrem früh genommen hat. Man muss es schaffen, Rafa mit langen, druckvollen Bällen von der Grundlinie wegzudrängen. Djokovic nutzt das auf Hartplatz immer wieder aus, indem er den Ball mit der Rückhand schnell in die Vorhand von Nadal spielt - und dann das Feld für den nächsten Schlag offen zu haben. Entweder spielt Djokovic dann in den Gegenfuss oder rückt ans Netz nach. Auch lang über die Mitte zu spielen, ist es eine Option, bevor der harte Ball in die Vorhand kommt. Bei Federer ist es gegen Nadal neuerdings das Gleiche.

Auch beim Return gegen Nadal kommt es darauf an, den ersten Ball schnell und hart zu spielen. Wieder der Faktor Zeit. Auf den zweiten Aufschlag muss man sowieso aggressiv draufgehen. Das hat etwa Yannick Hanfmann in Paris 2019 in den ersten beiden Service-Games geschafft. Dann hat Rafa umgestellt, den ersten viel in die Vorhand serviert.

Interessant übrigens: Wenn Rafa aus dem Lauf spielt, dann meistens cross. Ausnahme sind die Passierbälle, da greift er auch manchmal zum Longline.

Aber natürlich: Rafa auf Asche von der Grundlinie wegzubringen, ihn so unter Druck zu setzen, dass sein Spin nicht greift, ist extrem schwierig. Und das haben nur ganz wenige Leute geschafft. Djokovic, Söderling, Thiem und Fognini haben das ab und zu geschafft. Wenn man aber gesehen hat, wie Sascha Zverev beim Davis Cup gegen ihn gespielt hat - der hat Rafa zu viel Zeit gegeben, zu defensiv gespielt, den Ball immer wieder fallen lassen. Und damit Rafa die Kontrolle überlassen. Wenn man das dann vergleicht mit London 2019, da stand Sascha viel näher an der Linie, hat auch viel longline gespielt und ist so zu schnellen Punktgewinnen gekommen.

Ein paar Zahlen zu Rafael Nadal (alle Statistiken beziehen sich auf die letzten 52 Wochen)

GeburtsdatumTurniersiege insgesamtTurniersieg 2019Returnspiele gewonnenBreakbälle verwertetEntscheidungssätze gewonnen
03.08.1986854 (Rom, Roland Garros, Montreal, US Open)35,4% (ATP-Rang 1)45% (ATP-Rang 4)87,5% (ATP-Rang 1)

Ausgewählte Head-to-Heads von Rafael Nadal

GegnerBilanz
Novak Djokovic26:29
Dominic Thiem9:5
Roger Federer24:16
Daniil Medvedev3:0
Stefanos Tsitsipas5:1
AlexanderZverev5:1
Gael Monfils14:2
David Goffin4:2
Roberto Bautista Agut3:0
Fabio Fognini12:4

Unser Experte:

Michael Kohlmann ist oberster deutscher Tennistrainer und Davis-Cup-Kapitän
© Jürgen Hasenkopf
Michael Kohlmann ist oberster deutscher Tennistrainer und Davis-Cup-Kapitän

 

 

 

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Dienstag
07.04.2020, 10:50 Uhr
zuletzt bearbeitet: 15.04.2020, 13:36 Uhr