Cori Gauff - denkwürdige Woche für das Supertalent in Linz

Cori Gauff hat in Linz ein klein wenig Tennisgeschichte geschrieben. Die 15-jährigen US-Amerikanerin avancierte zur jüngsten Turniersiegerin auf der WTA-Tour seit 2004.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 14.10.2019, 13:08 Uhr

Cori Gauff - auch mit Mikrophon schon in der erweiterten Weltspitze
© Jürgen Hasenkopf
Cori Gauff - auch mit Mikrophon schon in der erweiterten Weltspitze

Von Jörg Allmeroth aus Linz

Als Cori Gauff am frühen Sonntagabend ins „Courtyard Marriott“-Hotel zurückgekehrt war, ihr Zuhause in der Turnierwoche von Linz, hatte sie immer noch allergrößte Mühe, das Ganze zu fassen. Das Ganze: Das war die abenteuerliche Geschichte ihres ersten Turniersiegs, der verrückte Dreh, der sie von einer Niederlage in der letzten Qualifikationsrunde doch noch auf den Thron des WTA-Wettbewerbs in Oberösterreich führte. „Es ist Wahnsinn, einfach Wahnsinn“, sagte Gauff, „das ist ein Tag, ein Moment, den ich nie vergessen werde.“ Wenig später posierte sie auf einer Donaubrücke dann zum ersten Mal in ihrem Leben als Championesse für die Fotografen, dramaturgisch perfekt im letzten herbstlichen Sonnenschein. „Das ist das perfekte Tennismärchen“, befand Turnierchefin Sandra Reichel, die zuletzt auch den Neubeginn am Hamburger Rothenbaum verantwortet hatte, „Coco ist die absolute Sensation.“

Dabei sah am vergangenen Montag noch alles ganz anders aus. Linz schien nur eine Durchgangsstation für die Teenagerin, der Ort eines unspektakulären Ausklangs dieser vorher aufsehenerregenden Saison. Gauff stand an jenem Montag im finalen Bewerbungsduell um einen Platz im Hauptfeld der Hamburgerin Tamara Korpatsch gegenüber, und Korpatsch hatte nur wenig Mühe, die junge Amerikanerin in zwei Sätzen trocken auszuschalten. Es war der Moment, in dem das Turnier für Gauff eigentlich vorbei gewesen wäre. Aber tags darauf verletzte sich die Griechin Maria Sakkari an der Hand, eine Nachrückerin wurde gebraucht, und diese „Lucky Loserin“ war keine andere als Gauff, das jugendliche Phänomen. „Ich habe 40 Minute vor dem ersten Match erfahren, dass ich doch mitspielen kann“, erinnerte sich Gauff hinterher, „von da an war das Motto: Du hast nichts zu verlieren, du warst ja schon draußen.“ 

Cori Gauff wirkt schon jetzt sehr reif

Als dann am Sonntagnachmittag abgerechnet war in der Tips-Arena, hatte Gauff kein weiteres Spiel mehr verloren. Und ihr Siegeszug, ihre Erfolgsstory, war imposant, noch bedeutsamer als ihre schlagzeilenträchtigen Auftritte im Sommer in Wimbledon oder bei den US Open in New York. Gauff gewann im Viertelfinale gegen die Nummer eins des Turniers, die niederländische Top-Ten-Spielerin Kiki Bertens, die noch um die WM-Teilnahme beim Saisonfinale in Shenzhen kämpft. Sie gewann auch in der Vorschlussrunde gegen die formstarke Andrea Petkovic, und schließlich konnte sie von der früheren French Open-Siegerin Jelena Ostapenko nicht mehr gebremst werden. „Die Abgeklärtheit, mit der sie hier spielte, war unglaublich“, befand die Schweizerin belinda Bencic, selbst einer der Aufsteigerinnen der Saison, „sie ist ihrer Zeit weit voraus.“

Gauff, von allen nur „Coco“ genannt, wirkt in Spiel und Auftritt tatsächlich viel reifer und balancierter als andere Spielerinnen, die früh, sehr früh in die Weltspitze stürmten. Ernsthaft und gleichzeitig gelassen spricht die 15-jährige selbst über die hohen Erwartungen, mit denen sie sich besonders in Amerika, aber auch in anderen Teilen der Tenniswelt konfrontiert sieht: „Ich muss den Weg nach oben ruhig gehen. Schritt für Schritt“, sagt sie, „dass viele an mich glauben, ist schön. Aber deswegen werde ich nicht verrückt spielen.“ Auch nicht nach dem Coup von Linz, dem Sieg, den sie als jüngste Spielerin seit anderthalb Jahrzehnten bei einem Tourwettbewerb feierte. Und als jüngste Amerikanerin seit 1991, seit einer gewissen Jennifer Capriati.

Als Gauff Ende Juni nach Wimbledon anreiste, kannte sie jenseits sehr eingeweihter Fachkreise noch niemand. Sie war die Nummer 313 der Weltrangliste, eine hoffnungsvolle Nachwuchsspielerin, die oft auch in der Akademie von Starcoach Patrick Mouratouglu trainierte. Drei Siege, darunter ein Erstrundenerfolg gegen die 39-jährige Venus Williams, katapultierten Gauff ins Rampenlicht, Wimbledon erwies sich einmal mehr als typischer Verstärker von Aufmerksamkeit. Die „Cocomania“ (SZ) schwappte dann auch herüber zu den US Open, bei denen Matches mit der 15-jährigen signifikant höhere Einschaltquoten als Spiele mit Roger Federer oder Serena Williams erreichten. Was Legende Martina Navratilova damals befand, gilt nach dem Sieg in Linz und dem erstmaligen Sprung unter die Top 100 (Platz 71) umso mehr: „Coco ist die Zukunft. Und die Zukunft ist jetzt.“

von Jörg Allmeroth

Montag
14.10.2019, 13:46 Uhr
zuletzt bearbeitet: 14.10.2019, 13:08 Uhr