Daniil Medvedev - Verloren in der Crunch Time
Drei Niederlagen jeweils im Tiebreak des dritten Satzes - die ATP Finals 2022 in Turin werden Daniil Medvedev lange in Erinnerung bleiben.
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
18.11.2022, 21:58 Uhr

Von Jens Huiber aus Turin
Um genau 10:43 Uhr ist Daniil Medvedev am gestrigen Freitag auf den Center Court im Pala Alpitour geschlendert, genau zwei Minuten später hat der Russe auch schon mit einem Hitting Partner Bälle geschlagen. Zu sagen, dass Medvedev dabei einen wahrscheinlich lustlosen, ganz sicher aber müden Eindruck hinterlassen hat, ist keine Übertreibung. Wer weiß, vielleicht hat der junge Familienvater eine kurze Nacht hinter sich gehabt, in Wien war er noch ganz erfreut darüber, dass seine neugeborene Tochter schon früh solide Schlafmanieren entwickelt hat.
Umso erstaunlicher, dass sich der ATP-Weltmeister von 2020 dann doch in die Partie gegen Novak Djokovic reingefuchst hat. Obwohl es für Medvedev in Sachen Halbfinalplatz nichts mehr zu holen gab.
So: Und dann schwächelt auf der einen Seite des Netzes der bislang so bärenstarke Djokovic. Auf der anderen schlägt Medvedev beim Stand von 5:4 im dritten Satz auf den Matchgewinn auf. Verliert dieses Servicegame aber rechtschaffen schlampig.
Tennisfans, die an ein Gesetz der Serie glauben, war zu diesem Zeitpunkt bereits klar: Dieses eigentliche Gipfeltreffen, das aber nur noch ein „Dead Rubber“ war, wird im Tiebreak des dritten Satzes entschieden werden. Zugunsten von Novak Djokovic.
Medvedev mit drei baugleichen Niederlagen
Denn erstens hat sich schon in der Vergangenheit gezeigt, dass Djokovic in Tiebreaks in Entscheidungssätzen im Grunde unschlagbar ist. Da werden dann keine Geschenke mehr verteilt, sondern nur die Bälle so, dass der jeweilige Gegner irgendwann einen Fehler macht. Und da war dann ja auch noch diese Serie! Sowohl gegen Andrey Rublev wie auch gegen Stefanos Tsitsipas hatte Daniil Medvedev in der Kurzentscheidung von Satz drei abgebissen. Novak Djokovic setzte noch eine frustrierende Pleite drauf.
Ist der 26-jährige Moskauer, der vor etwas mehr als einem Jahr bei den US Open noch eiskalt die Grand-Slam-Träume von Djokovic zerstört hat, nun plötzlich kein Crunch-Time-Spieler mehr? Vor gar nicht allzu langer Zeit schien es ja so, dass Medvedev nur dann zur Hochform aufläuft, wenn die Umstände besonders schwierig sind. Im „besten“ Fall garniert mit einem Publikum, das sich fast geschlossen hinter dem jeweiligen Gegner versammelt.
Bei den Australian Open schon früh gegen Djokovic?
Das war in Turin nun auch der Fall. Allerdings weniger, weil die meisten Fans Medvedev gegenüber negativ eingestellt waren. Vielmehr genießt Novak Djokovic in Italien generell immer viel Unterstützung, so auch bei den ATP Finals.
Nun hätte ein Sieg gegen Djokovic neben 200 Punkten für die Weltrangliste sowie einem anständigen Aufschlag beim Preisgeld nicht viel gebracht. Außer einem Schub Selbstvertrauen. Und den wird Daniil Medvedev beim nächsten ganz großen Turnier schon brauchen: Denn je nachdem, wie sich das Abschlussevent dieses Jahres und die ersten des kommenden entwickeln, ist es nicht ausgeschlossen, dass Medvedev einem Spieler wie Novak Djokovic schon im Viertelfinale der Australian Open begegnet. Und dort sind dann Crunch-Time-Qualitäten unerlässlich.