Melzer vor den US Open in Hochform

Nach dem Triumph in Winston-Salem steigt bei Österreichs aktueller Nummer eins die Vorfreude aufs letzte Grand-Slam-Turnier des Jahres.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 25.08.2013, 11:15 Uhr

Das kam buchstäblich aus dem Nichts! Nach zuletzt vier Niederlagen in Folge auf der Tour hat Jürgen Melzer bei dem US-Open-Vorbereitungsturnier in Winston-Salem seinen fünften ATP-Titel gefeiert,beim Stande von 6:3, 2:1 musste Finalgegner Gael Monfils Samstag am Abend nach MESZ aufgeben. tennisnet.com erzählte der Niederösterreicher, warum er mit dem Franzosen besonders viel Mitgefühl hat, wie er sich das Selbstvertrauen erarbeitet hat und wie er in seiner jetzigen Hochform dem Major-Spektakel von New York entgegenblickt. Weiter: Was der 32-Jährige zu Dominic Thiems bislang größtem Turniersieg zu sagen hat und warum er mit seinem „Glücksbart“ fast schon durchgedreht wäre.

Jürgen, 2:30 Stunden nach dem verwerteten Matchball warst du schon im Flieger nach New York. Hattest du schon vorher geplant, dich mit Monfils nur so kurz aufzuhalten?

Das hat den Grund, dass der Turnierdirektor von Winston-Salem die Finalisten offenbar jedes Jahr nach New York einfliegt. Das ist natürlich super für uns, sonst hätten wir erst am Abend oder am nächsten Morgen über Charlotte fliegen können, da will ich Bill Oakes dafür danken. Nach etwa 70 Minuten sind wir schon gelandet, der Flug ist schnell vergangen, auch da Gael seine Portable Playstation mit hatte. Auf der haben wir an Bord kräftig gezockt.

Auch wenn du ja keinen Alkohol trinkst: Ist sich ein kurzes nichtalkoholisches Anstoßen mit deinem Team ausgegangen? Oder wird das später am Abend noch gemacht?

Das wird entweder noch am Samstag oder morgen am Abend gemacht. Nach dem Finale war keine Zeit dazu, wir haben nur ein paar Fotos gemacht und Interviews gegeben. Es ist schnell gegangen nach dem Spiel, wir wollten dann auch schnell weg.

Dein großes Mitgefühl mit Monfils war sehr offensichtlich. Tut er dir als Freund und als so oft verletzungsgeplagter Spieler einfach besonders leid?

Natürlich. So etwas ist wirklich scheiße, vor allem sich drei Tage vor den US Open so etwas einzufangen. So wie ich ihn verstanden habe, dürfte er es gestern schon gemerkt haben, dass er eine leichte Unterleibsverletzung erlitten hat. Er hat gegen mich daher nur mit drei Viertel serviert, hat aber gemerkt, dass das wohl nicht reicht. Darum wollte er mal voll durchziehen, und dann hat’s ihm mehr wehgetan. Es hat keinen Sinn mehr gemacht und er hat wohl auch eingesehen, dass er so wohl eh nicht gewinnen wird.

Hast du schon vor seiner Aufgabe vermutet, dass er nicht ganz fit ist?

Er ist ja immer gefährlich, vor allem auch mit seinem Aufschlag. Als er ein paar Mal nicht voll serviert hat, dachte ich mir, vielleicht hat er was. Dann hat er aber doch wieder relativ stark durchgezogen. Erst am Ende war dann klar, was los ist. Aber wenn man gesehen hat, wie er in München gegen mich serviert hat, das war schon viel schneller. Wie auch immer: Schade, dass es so passiert ist, aber ich bin froh, das Turnier gewonnen zu haben.

Dein erster Titel in Bukarest 2006 war ebenso was Besonderes, wie es deine Heimsiege in der Wiener Stadthalle 2009 und 2010 waren. Der Triumph in Memphis 2012 war ja dein bislang größter. Wo reiht sich dieser Erfolg nun ein?

Es ist schwierig, da eine Reihung vorzunehmen, jeder ist was Besonderes, der auch. Dieser ist auf jeden Fall ein bisserl unerwarteter, weil ich in Cincinnati davor furchtbar gespielt und hier anfangs auch nicht geglänzt habe. Aber ich habe mich ins Turnier reingespielt und mir ab dem Viertelfinale dann gedacht: Die Leute habe ich eigentlich alle drauf, wenn ich gut spiele. Das habe ich getan.

Der Titelgewinn in Memphis ist fast auf den Tag genau eineinhalb Jahre her. Welche Parallelen zu damals kannst du erkennen?

Eigentlich wenige. Damals habe ich ja schon davor im Davis Cup gegen Russland gegen Alex Bogomolov Jr. echt gut gespielt, bin mit viel Selbstvertrauen im Rücken durch den Einzug ins Davis-Cup-Viertelfinale angereist. Hier in Winston-Salem habe ich mir diese Form erarbeitet, auch auf dem Trainingsplatz viel gemacht, so viel es halt neben dem Turnierspielen geht. Wir haben an vielen Kleinigkeiten gearbeitet.

Nach der Auftaktniederlage in Cincinnati meintest du noch, dass dir derzeit die nötige Schlagsicherheit fehlt.Kannst du Tipps geben, wie man die denn in eineinhalb Wochen herbeizaubert?

Ich bin am Tag vor dem Viertelfinale aufgewacht, habe mich eingeschlagen und gemerkt, es passt einfach wieder. Ich habe davor zwei Partien gewonnen, das Selbstvertrauen vom Match gegen Benoit Paire, in dem ich zwar nicht großartiges Tennis, aber taktisch toll gespielt habe, mitgenommen – und dann geht es einfach plötzlich wieder. Es ist ja auch nicht so, dass ich es verlernt hatte, man muss es sich nur manchmal ins Gedächtnis rücken, dass man vier Turniere gewonnen hat und es kann.

Du arbeitest jetztseit knapp drei Wochen mit Galo Blanco zusammen. Was und wie viel kann ein neuer Trainer in solch einer kurzen Zeit bewegen?

Natürlich nichts Unmenschliches, aber wir haben viele Gespräche geführt und er hat versucht, mir das ein bisschen verloren gegangene Selbstvertrauen nicht einzureden, sondern es mit mir wieder zu erarbeiten, denn das muss man. Wir haben versucht, so viele Schläge wie möglich zu üben, das hat eigentlich ganz gut geklappt. Es ist von Tag zu Tag besser geworden, ich bin mit meinem Spiel immer besser zurechtgekommen, und das ist wichtig.

Nach solch einem Erfolg mag es recht leicht sein, alles super zu finden. Aber abgesehen vom Turniersieg: Wie gut passt die Zusammenarbeit für dich in dieser Anfangsphase?

Die ersten drei Wochen haben mir mal extrem getaugt, nicht nur auf dem Platz, sondern auch abseits. Die Chemie stimmt. Man wird sehen, wie es weitergeht. Wir haben jetzt ja mal diese vier bis fünf Wochen bis nach den US Open vereinbart, aber ich denke, es wird gut aussehen, dass wir einen Weg finden werden, um unsere Zusammenarbeit fortzusetzen.

Bist du eigentlich noch in Kontakt mit deinem letzten Trainerteam Alexander Waske und Konditionscoach Christian Rauscher?

Ja, beide haben mir zum Turniersieg gratuliert. Christian hatte mir auch schon geschrieben, als festgestanden ist, dass ich bei den US Open gesetzt sein werde. Das ist schön so, das hat mich sehr gefreut.

Auch Dominic Thiem hat ja soeben einen seiner schönsten Karriereerfolge verzeichnet, indem erbeim 15.000-Dollar+H-Future in Este seinen bisher größten Turniersieg geholt hat. Was sagst du zu seinem Sieg und diesem tollen rot-weiß-roten Tennis-Samstag?

Wir haben uns hin und her gratuliert, er hat mir auch viel Glück für die US Open gewünscht. Ich weiß nicht, was für Leute „Domi“ in Italien geschlagen hat, aber dass er solch ein Future gewinnen kann oder sogar sollte, davon muss man ausgehen. Wenn man ein gewisses Niveau erreicht hat, muss man da nicht immer von Überdrüber-Erfolgen sprechen. Er gehört weiter nach oben hin, er muss anfangen, Challenger zu gewinnen. Für Futures ist er zu gut.

Ab wann rechnest du mit ihm als regelmäßigem Gegner auf der Tour?

Der Junge spielt ein mörderisches Tennis, wird nun Top 200 sein – jetzt kann er endlich die Challenger spielen. Wenn’s nach mir geht, soll er sich so schnell wie möglich auf die ATP-Tour durchspielen. Er hat riesiges Potential, auf ihn kann sich Tennis-Österreich echt freuen. Der Rest liegt jetzt einfach an ihm, wann er diesen nächsten Schritt macht und ob er gesund bleibt. Es liegt in seinen eigenen Händen, es rasch auf die Tour zu schaffen.

Dir bleibt ja nicht viel Zeit zum Feiern, die US Open stehen vor der Tür. Du bist zum zwölften Mal als Profi hier dabei. Ist es auch in dieser langen Zeit immer noch etwas Besonderes, nach New York zu kommen?

Ja. Wir sind am frühen Samstagabend in New York gelandet und gleich in die City gefahren. Es ist eine besondere Stadt. Sie ist elektrisierend und schläft nie, da ist immer etwas los. Ich bin gern für diese zwei Wochen hier, länger brauch ich’s allerdings auch nicht.

Neu ist es für dich aber, bei einem Grand Slam mit einem Turniersieg in den Beinen an den Start zu gehen. Lässt das jetzt noch mehr erwarten als sonst?

Das wird man sehen. Ich kenne meinen Erstrunden-Gegner Evgeny Donskoy kaum. Wenn ich da mal drüber komme, dann könnt’s gut laufen. Ich habe Selbstvertrauen und spiele gut. Auch wenn’s banal klingt, aber ich muss von Runde zu Runde denken. Für mich ist es das Ziel und mal das Wichtigste, dass ich Donskoy schlage.

Du wolltest dich über ihn ja schlau machen. Was ist bei der Recherche rausgekommen?

Noch nichts. Ich habe ja noch ein bisschen Zeit. Vor allem Galo wird sich damit schon noch ein bisschen beschäftigen.

Wenn du so weiterspielst wie zuletzt: Kann dich in dieser Form was davon abhalten, zu einem potentiellen Drittrunden-Kracher gegen Juan Martin del Potro zu kommen?

Igor Sijsling, auf den ich in der zweiten Runde treffen könnte, hat zum Beispiel in Wimbledon mit dem Sieg gegen Milos Raonic bewiesen, dass er immer gefährlich und ein unangenehmer Spieler ist. Er kann an einem guten Tag viele schlagen. Aber ich glaube schon, dass ich, wenn ich meine Form halte, gute Karten habe, mal in die dritte Runde zu kommen.

Du bist doch als ein Spieler mit ziemlichen Ups and Downs bekannt. Was macht dich optimistisch, dass das Up diesmal etwas länger anhält?

Das hat früher auch schon länger angehalten. Klar hat man seine Ups and Downs, aber ich habe mich dennoch lange Zeit in den Top 30 der Welt gehalten. Bei mir ist’s halt einfach so: Wenn ich schlecht spiele, dann mache ich mit meinem Spiel extrem viel und bin dadurch manchmal anfällig für überraschende Niederlagen. Wenn ich mir aber über einen längeren Zeitraum Selbstvertrauen erarbeite, werde ich mehr gewinnen als verlieren. Natürlich kommt dann noch dazu, dass ich diese Woche schmerzfrei war, den Körper unter Kontrolle hatte, mit meinen Lieblingsbällen gespielt habe, mit denen ich jetzt vier meiner fünf Turniersiege gefeiert habe. Und auf Hartplatz geht’s einfach am besten, das hat sich mal wieder bestätigt. So kann’s weitergehen.

Wie muss es denn weitergehen, dass du eine zufriedene US-Open-Bilanz ziehen wirst?

Im Endeffekt muss ich gutes Tennis spielen. Wenn ich meine Form halte und mein Gegner schlägt mich trotzdem, war er halt besser an dem Tag. Aber zu sagen, „ich bin nur zufrieden, wenn ich ins Viertelfinale oder in die dritte Runde gegen del Potro komme“, davon halte ich nichts. Ich versuche mein Bestes, wenn es mir aufgeht, ist einiges drinnen. Ich freue mich in jedem Fall sehr aufs Turnier, das ist das Lässigste daran. Letztes Jahr war’s furchtbar, als ich hierhergekommen bin und gar keine Form hatte.

Auf welchem Weg siehst du dich jetzt zu deinem Jahresziel Top 20?

Es sieht wieder besser aus. Nach Wimbledon hatte ich es ja ein bisschen auf Top 25 revidiert. Man wird’s sehen. Auf die Top 25 und die Top 20 fehlt noch einiges, es ist jedoch möglich in dieser Form. Es geht aber auch immer noch besser.

Letztes Thema. Wie man gesehen hat, schmückt dich seit kurzem wieder ein Bart. Seit wann? Wird der jetzt so lange nicht abrasiert, so lange du gewinnst?

Der ist schon weg.

Das ist aber schnell gegangen. Auf einem Foto mit dem Siegespokal hattest du ihn noch.

Jetzt nicht mehr. Ich hätte sonst noch durchgedreht, der ist mir schon so am Keks gegangen. Ich war halt vor dem Turnier zu faul bzw. habe vergessen, ihn wegzumachen, daher ist’s ein Zwei-Wochen-Bart und ein bisschen zu lang geworden. Aber gleich nachdem ich vom Platz runter bin, alle Fotos gemacht und Interviews gegeben hatte, habe ich mir den Bart abrasiert. Sofort, noch in der Umkleide.(Foto: GEPA pictures)

Hatte der Bart deine Frau nicht vor allem in der letzten Woche schon langsam gestört?

(Lacht)Nein, die hat kein Problem damit.

Das Gespräch führte Manuel Wachta.

von tennisnet.com

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25.08.2013, 11:15 Uhr