Das alte, neue Davis-Cup-Theater

Teamchef Michael Kohlmann steht vor der Davis-Cup-Relegationspartie gegen Polen vor einer schwierigen Aufgabe.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 04.09.2016, 08:43 Uhr

HANOVER, GERMANY - MARCH 06: Team captain Michael Kohlmann of Germany gesticulated during the match Alexander Zverev of Germany and Lukas Rosol of Czech Republic during Day 3 of the Davis Cup World Group first round between Germany and Czech Republ...

Seit einigen Monaten begleitet der Davis-Cup-Teamchef Michael Kohlmann auch sehr intensivdie Karriere eines jungen Mannes namens Rudi Molleker.Kohlmann ist so etwas wie der persönliche Trainer von Molleker geworden, schließlich gilt der Berliner als Kronjuwel unter den Tennistalenten auch weltweit. Molleker ist ein Versprechen für die Zukunft, Kohlmann kümmert sich deshalb selbstverständlich auch beim gerade begonnenen Juniorenturnier der US Open um den schlagmächtigen Teenager.

Rückfall in alte Verhaltensmuster

Kohlmanns Gegenwart, das Hier und Jetzt seines Amts als Bundestrainer, sieht wenig sonnig aus. Eher schon grau-verhangen, herbstlich trist. Vor ein paar Monaten, als sich Kohlmann mit seiner Truppe in Hannover traf, da sah vieles nach einem Neuanfang aus, Philipp Kohlschreiber und Alexander Zverev waren mit im Erstrundenspiel gegen Tschechien – und auch wenn das Match schließlich knapp 2:3 verloren wurde, blickte man hoffnungsvoll in die Zukunft. Mit dem gereiften Veteranen Kohlschreiber und dem stürmischen Youngster Zverev schien in den nächsten Jahren noch einiges möglich für die DTB-Equipe, mehr jedenfalls als nur die bescheidene Erwartung, der Weltgruppe und damit der Champions League anzugehören.

Doch rund um die Nominierung für das Relegationsspiel gegen Polen am übernächsten Wochenende in Berlin erlebt das mehr oder minder staunende Publikum nun wieder einen Rückfall in alte Verhaltensmuster – Querelen der Spieler mit dem Verband oder auch dem Teamchef, Absagen zuhauf für die Partie beim Rot-Weiss-Klub am Hundekehlesee, reichlich Akteure, die sich unverstanden fühlen, Kommunikationsprobleme überall. Kohlmann, angetreten in New York, um den ein oder anderen Spieler zum Mitmachen zu bewegen, erlebte im wesentlichen nur Verweigerung.Alexander Zverev sagte ihm am Samstag endgültig ab,nachdem er zuvor allen Ernstes behauptet hatte, mit ihm habe bis weit ins New Yorker Turnier hinein noch nie jemand über eine Teilnahme in Berlin geredet. Zverev sorgte damit, rasch nach seiner schnöden Olympia-Absage, zum zweiten Mal für Verärgerung bei den DTB-Verantwortlichen.

Kann Philipp Kohlschreiber spielen?

Auch Gespräche Kohlmanns mitDustin Brownführten zu nichts, außer zur Kenntnisnahme, dass der „Germaican“ nicht am Start sein werde. Brown, bei den US Open gegen Milos Raonic in der ersten Runde ausgeschieden, sieht sich nach seinem Verletzungspech in Rio mit potenziell harten Fünf-Satz-Matches im Davis Cup überfordert, er will in der Davis-Cup-Woche nun sein Glück bei einem Challenger-Turnier im polnischen Stettin versuchen. Dort gehe es für ihn auch darum, endlich einmal in den Weltranglistenbereich um Platz 60 oder höher vorzustoßen, erklärte er in einem Statement am Wochenende. Kohlmann, das schimmerte aus Aussagen in einem Journalistengespräch in New York durch, wollte diese Gesamtlogik nicht verstehen.

Noch unklar ist, was aus der Teilnahme vonPhilipp Kohlschreiberwird. Schon bevor sich Kohlschreiber in Rio verletzte, hatte esUnstimmigkeiten wegen des Bodenbelags in Berlingegeben. Der Bayer hätte lieber auf einem Hartplatz gespielt, es hieß dann allerdings auch, er werde sich mit den Gegebenheiten arrangieren. Nach New York war Kohlschreiber zur Überraschung vieler trotz offenbar nicht ganz überstandener Fußverletzung angereist, gab dort seine Erstrundenpartie dann, auch nicht sehr überraschend, auf.

Eine Woche des Bittens und Bettelns

Kohlmann, wie andere Temchefs vor ihm auch ein Meister der Diplomatie, reif für den Auswärtigen Dienst, zeigte sich genervt nach einer Woche des Bittens und Bettelns. Die Vorgänge hätten ihm gezeigt, so der frustrierte Kapitän, „wie einige zum Davis Cup stehen.“ Als er dann noch sagte, er wolle und müsse  „nichts weiter mehr dazu sagen“, klang es eher so, als sei es eine Aufforderung an die Zuhörer, selbst einfach nur zwei und zwei zusammenzuzählen.

Zunächst sind Kohlmann nur zwei Spieler geblieben, die ihm eine Zusage gegeben haben: Der BayerFlorian Mayerund der WestfaleJan-Lennard Struff.Einberufen könnte Kohlmann eventuell noch Benjamin Becker, Daniel Brands oder Tobias Kamke. Aber statt einer vergleichsweise leichten Relegationsprüfung gegen die Polen ist jetzt ein B-Länderspiel mit Zittercharakter und  mit ungewissem Ausgang zu erwarten.

von tennisnet.com

Sonntag
04.09.2016, 08:43 Uhr