Davis Cup: Der Start ins schöne, neue Zeitalter mit unschönen Nebengeräuschen

Die 18 Teilnehmer für das erste Davis-Cup-Finalturnier vom 18. bis 24. November 2019 in Madrid stehen fest.Sportlich hat es kaum Überaschungen gegeben, Misstöne jedoch zuhauf.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 03.02.2019, 12:05 Uhr

Die deutschen Fans durften fünf Siege bejubeln
© Getty Images
Davis Cup Frankfurt

Alexander Zverev ließ sich den zweiten Auftritt in der Frankfurter Fraport-Arena nicht nehmen. Eigentlich war die Sache für Deutschland längst gelaufen, die Qualifikation für das Davis Cup-Finalturnier war beim 3:0-Zwischenstand gegen die international drittklassigen Ungarn geritzt. Aber der Weltranglisten-Dritte stellte sich noch einmal auf den Centre Court, es war eine kleine Charmeoffensive und vielleicht auch ein irgendwie sentimentaler Moment. Denn wann und ob die deutschen Fans den beim 5:0-Erfolg der Deutschen doppelt siegreichen ATP-Weltmeister wieder einmal im Davis Cup sehen werden, ist höchst ungewiss. 

So viel jedenfalls steht bereits fest: Wenn seine Mannschaftskameraden im November, noch nach dem ATP-Finale, zur Endrunde nach Madrid reisen, wird Zverev fehlen. „Ich wünsche den Jungs viel Glück. Aber nichts auf der Welt wird mich zu diesem Termin bringen“, sagte Zverev. Er wird in jenen Tagen dann seinen dringend benötigten Urlaub nehmen, sich bestenfalls von der Mission Titelverteidigung beim ATP-Finale erholen. Und er wird nicht allein sein als Davis Cup-Verweigerer, auch Stars wie Roger Federer und Novak Djokovic dürften zu den prominenten Abwesenden zählen. Nach allem, was man jetzt weiß, wird das Finalturnier zu einer Versammlung vornehmlich von Spielern werden, die auf den letzten Metern der Saison noch einmal dem Lockruf des Geldes folgen. Von Spielern, die es sich kaum leisten können, sich einen Verzicht zu leisten – so wie etwa der deutsche Doppelspezialist Tim Pütz, der in Frankfurt erklärte, man müsse nur einmal sehen, „was Topspieler der Branche verdienen und was ich selbst.“

Alexander Zverev geht es nicht ums Geld

Zverev hat allerdings für das Finalturnier keineswegs abgesagt, weil ihn das ausgeschüttete Geld nicht mehr zu interessieren brauchte. Dem Hamburger geht es durchaus um die Sache selbst, um die Tradition, um das, was diesen Wettbewerb so viele Jahre ausmachte. Inzwischen hat er sich zum intrnational profiliertesten Kritiker aufgeschwungen, es ist nicht von geringer Tragweite, wenn einer wie er, der bisher erfolgreichste Spieler einer kommenden Generation, das neue Davis Cup-Konstrukt so vehement und so emotional ablehnt. „Im Moment gibt es den echten Davis Cup nicht mehr“, sagt Zverev, „ich werde mich dafür stark machen und dafür kämpfen, dass dieser Davis Cup wieder kommt. Deshalb muss man auch laut und deutlich sagen, was man denkt.“

Der Streit um den Davis Cup ist nur ein Mosaikstein in einer zerstrittenen Tennisszene, in der alle möglichen Interessengruppen gegeneinander kämpfen. Im Clinch liegen dabei auch die Herrengewerkschaft ATP und der Internationale Tennisverband ITF. Sie haben mit dem Davis Cup-Finalturnier im November und einem ATP Cup (zu Jahresbeginn 2020) gerade zwei Teamwettbewerbe dicht hintereinander im Kalender platziert, es ist komplett irrational, aber es ist ein Fight, der auf Verdrängung hinausläuft. Es geht darum, was bleibt – und was nicht. Oder welcher Wettbewerb geschluckt wird. Der Davis Cup hat nicht die besten Karten, ganz einfach, weil er den wesentlich schlechteren Termin hat. Und weil die Spieler ihrer eigenen Interessenvertretung nicht in den Rücken fallen wollen und werden, so dass beim ersten ATP Cup 2020 alles an den Start gehen wird, was Rang und Namen hat. Auch Federer, Djokovic und Zverev.

Drei Milliarden Dollar über 25 Jahre

Beim Davis-Cup-Turnier in Madrid wird das schon anders aussehen, manche Beobachter in der Branche haben im übrigen auch noch ihre Zweifel, was die großen Geldversprechungen des organisierenden Unternehmens Kosmos und seiner Frontfigur Gerard Piqué angeht. Das Konsortium um den Profikicker des FC Barcelona hatte den Tennisverbänden im Gegenzug für ein Ja zur Reform nicht weniger als drei Milliarden Dollar für die nächsten 25 Jahre versprochen, besonders die kleineren Länder hatten sich von diesem erhofften Geldsegen wärmstens einnehmen lassen. Aber es gibt genug Skeptiker, die all dem erst glauben wollen, wenn die Schecks dann auch ausgestellt worden sind und das Geld auf den Verbandskonten gelandet ist.

Ein brisanter Aspekt in dem großen Tennis-Theater ist bisher noch weitgehend unbeachtet geblieben. Denn Akteure wie der Weltranglisten-Erste Novak Djokovic, gleichzeitig Boss des ATP-Spielerrates, drängen gerade darauf, die Qualifikationskriterien für die Olympischen Spiele zu verändern – mit gravierenden Auswirkungen für den Davis Cup. Bisher mussten sich die Profis noch über Davis Cup-Teilnahmen ihr olympisches Startrecht sichern, aber an diesem Regelwerk wird heftig gerüttelt, dem Vernehmen nach drohte Djokovic sogar mit dem Fernbleiben vieler Asse im nächsten Jahr in Tokio. Er selbst hätte gegenwärtig auch nicht die Kriterien für ein Mitwirken erfüllt. Nur: Wenn die (teilweise) Davis Cup-Teilnahme nicht mehr die Grundlage für einen Olympia-Start wäre, dann wäre der Davis Cup noch weniger wert als ohnehin schon jetzt – nach dem Beginn des schönen neuen Zeitalters.

von Jens Huiber

Sonntag
03.02.2019, 13:49 Uhr
zuletzt bearbeitet: 03.02.2019, 12:05 Uhr