Davis Cup: Hans Podlipnik-Castillo, der chilenische Doppelagent

Hans Podlipnik-Castillo ist vor einigen Jahren in Europa gestrandet. Alles, was ihm blieb, waren 300 Dollar auf seinem Konto. Er wechselte die Sportart, hörte auf zu schlafen und schaffte den Sprung in den Profizirkus. An diesem Wochenende spielt er für sein Vaterland Chile im Davis Cup gegen seine zweite Heimat.

von Lukas Zahrer
zuletzt bearbeitet: 02.02.2019, 15:52 Uhr

„Für mich und meine Familie ist das Los ein Traum, es ist unglaublich“, sagt Podlipnik-Castillo im Gespräch mit tennisnet über das Duell mit dem ÖTV. Und er sagt das mit beinahe fehlerlosem Deutsch.

Sein Vater ist Österreicher, er lebte sein halbes Leben in Salzburg, dem Austragungsort des Ländervergleichs zwischen Österreich und Chile. „Ich freue mich sehr, dass mich meine österreichischen Verwandten spielen – und hoffentlich gewinnen sehen“, sagt Podlipnik-Castillo mit einem Lächeln.

Hans Podlipnik senior hütete lange Zeit das Tor des Salzburger AK, ehe er nach seinem Karriereende als Skilehrer nach Chile auswanderte. Dort lernte er seine Ehefrau kennen, im Jänner 1988 kam „Hansito“ zur Welt.

Der kleine Hans ist selbst bekennender Skifahrer, war aber schon in jungen Jahren häufig auf dem Tennisplatz aufzufinden. Mit 16 Jahren entschloss er sich endgültig, Profi werden zu wollen, und startete seine Einzel-Karriere.

Obwohl Chile in den letzten 25 Jahren mit Marcel Rios, Nicolas Massu und Fernando Gonzalez einen ehemaligen Weltranglistenersten sowie zwei Olympische Goldmedaillengewinner hervorbrachte, verpasste es der Verband, für eine talentierte Folgegeneration zu sorgen.

Hans Podlipnik-Castillo: Der Mann, der niemals schläft

Mit den Erfolgen erhielt der Verband zwar viel an Fördergelder, erzählt Podlipnik-Castillo, doch aufgrund anhaltender Korruption fanden die Beträge nie ihr eigentliches Ziel. Der heute 31-Jährige selbst konnte daher zu Beginn seiner Karriere kaum auf Unterstützung des Verbands hoffen.

So machte er sich auf eigene Faust auf den Weg nach Europa, um auf den Futures Punkte zu sammeln und den Sprung auf Challenger-Ebene zu schaffen. Das Geld wurde jedoch immer knapper, trotz seiner 23 Turniersiege, die er auf ITF-Level feiern konnte.

Eines Tages lagen auf seinem Konto nur noch 300 Dollar und Podlipnik-Castillo wusste, es brauche eine Veränderung. Oder einen Rückflug nach Chile, und seine Karriere ist beendet.

Nach reifer Überlegung beschloss er, sich die europäische Tennis-Kultur zunutze zu machen.

Er schrieb Emails an knapp 100 Vereine verstreut über den halben Kontinent und fragte an, ob er für sie gegen Entgelt in deren Ligen spielen könne. Er hatte Erfolg.

„Teilweise war ich in sieben, acht Ländern gleichzeitig unterwegs. Das war sehr anstrengend für meine Karriere“, sagt Podlipnik-Castillo. Für einen Einsatz in den höchsten Spielklassen bekommt man niedrige vierstellige Euro-Beträge, Podlipnik-Castillo konnte sich somit die Reisen zu weiteren Turnieren leisten. 

Anders als etwa im Fußball darf man im Tennis eine Lizenz in mehreren Ländern gleichzeitig lösen, ist also über Grenzen hinweg gleichzeitig spielberechtigt. An manchen Wochenenden schlug er freitags in Frankreich, samstags in Italien und sonntags in Deutschland auf. Am Tag wurde gespielt, in der Nacht Auto gefahren.

Auch in Österreich war Podlipnik-Castillo im Einsatz, darunter drei Saisons lang in Salzburg. Zwei Mal sicherte er sich den Meistertitel in der Bundesliga. „Es war immer sehr lustig und nett, es sind viele schöne Erinnerungen“, sagt Podlipnik-Castillo.

Davis Cup: Chile-Doppel noch nicht fix

Rund zehn Jahre bestritt er internationale Turniere, trieb sich in der Rangliste aber meist zwischen Platz 200 und 300 herum. Sein Career High erreichte er im Sommer 2015 mit Rang 157. „Ich wollte aber immer in den Hauptfeldern der ganz großen Turniere spielen“, sagt Podlipnik-Castillo. Deshalb entschied er, sich voll und ganz auf das Doppel zu fokussieren. „Mir war klar, dass meine Möglichkeiten dort größer sind.“

Im vergangen Jahr feierte er in Quito seinen ersten Turniersieg auf der ATP-Tour, in Wimbledon erreichte er bereits 2017 das Viertelfinale. Heute lebt Podlipnik-Castillo in Barcelona und steht im Doppel-Ranking an Position 91.

Für das Davis-Cup-Duell mit Österreich gilt er im Doppel als gesetzt. In der Auslosung nominierte Kapitän Massu ihn an der Seite von Julio Peralta, der allerdings erst von einer Verletzung zurückkehrt.

„Wir wissen noch nicht genau, wer spielen wird“, gibt Podlipnik-Castillo zu. „Wir haben mit Julio, Jarry und mir mehrere verschiedene Möglichkeiten. Wir können das jederzeit noch tauschen.“ Mit Jarry versteht er sich blendend, er bildete mit ihm in Quito das Siegerdoppel.

Dass auf Seiten der Österreicher Dominic Thiem krankheitsbedingt ausfällt, spielt den Chilenen in die Karten. „Wir sind alle froh, dass Österreichs Nummer eins nicht spielen kann“, sagt Podlipnik-Castillo. „Aber ich hoffe, dass seine Krankheit nicht so groß ist, dass er bald wieder spielen kann. Uns hilft sein Ausfall natürlich.“

Thiems Fehlen wiegt doppelt schwer. Sein Antreten war ein großes Argument, in der SalzburgArena einen Sandplatz zu verlegen. Dieser kommt nun tendenziell eher mehr den Gästen entgegen.

„Wir sind sehr glücklich, auf Sand spielen zu können. Es ist wichtig für unser Spiel und wir fühlen uns unter diesen Bedingungen sehr wohl“, sagt Podlipnik-Castillo. „Wir haben eine sehr große Chance.“

von Lukas Zahrer

Samstag
02.02.2019, 08:00 Uhr
zuletzt bearbeitet: 02.02.2019, 15:52 Uhr