Dirk Hordorff zur ITF World Tour - "Da versuche ich dagegenzusteuern"

DTB-Vizepräsident Dirk Hordorff im Interview über die neue ITF World Tour und die Probleme, die sich für die Nachwuchsprofis daraus ergeben. Das Gespräch führte Jörg Allmeroth.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 07.02.2019, 17:06 Uhr

Dirk Hordorff ist mit der ITF nicht glücklich
© Jürgen Hasenkopf
Dirk Hordorff

Herr Hordorff, außerhalb der Tennis-Fachkreise ist vielleicht nicht jedem geläufig, welche tiefgreifenden Änderungen es seit Jahresbeginn im Tennis jenseits der größeren Tourbetriebe gibt. Deshalb zunächst die Frage: Was genau ist die ITF Tour – und welche Ziele hatte Sie ursprünglich?

Dirk Hordorff: Dabei handelt es sich um Einsteigerturniere unterhalb des Challenger Levels, früher Futures genannt. Hier fängt man nach der Jugend an, im professionellen Tennis die ersten Punkte zu sammeln. Die neu von der ITF eingeführte World Tennis Tour schränkt die Spielmöglichkeiten stark ein, erhöht die Kosten für die Spieler zum Beispiel durch die Einführung eines Meldegeldes im Hauptfeld in Höhe von 40 Dollar pro Spieler und verringert die Qualität der Turniere durch geringere Anzahl von Schiedsrichtern. Insbesondere die Reduzierung der Qualifikationsplätze führt zu der grotesken Situation, dass es für viele Spieler gar keine Einstiegsmöglichkeit mehr gibt. Wenn man nicht aus einer Nation kommt, die es sich leisten kann, viele Turniere zu finanzieren, ist man aufgeschmissen. Nur die Top-Jugendlichen bekommen für kurze Zeit Startplätze. Collegespieler, die später einsteigen wollen, Spieler, die erst ihre Schule beenden wollen, sie alle haben dann eigentlich keine Chance mehr.

Nun hat sich allerdings schnell Kritik an diesen Reformen geregt, auch von Seiten des DTB. Und von Ihnen selbst, vom DTB-Vizepräsidenten, der auch für die Leistungssportentwicklung zuständig ist. Woran macht sich die Kritik fest?

Hordorff: Es war bekannt, dass es immer wieder in diesem Bereich zu Spielmanipulationen kam. Das konnte man nicht so weitergehen lassen. Eine Reform wurde deshalb auch vom Independent Review Panel angemahnt. In diesem Bereich sollten keine live score Ergebnisse von der ITF verkauft werden. Es gibt weniger Futures bzw. World Tennis Tour Turniere, geringere Felder, viele Spieler oder Spielerinnen fahren zu Turnieren und kommen nicht in die Felder. Diese Reform ist an den Beteiligten vorbei gemacht worden, ist spielerfeindlich. Es sind nur schöne Worthülsen. Man wolle die Spieler finanziell besser stellen, wird da etwa verbreitet. Aber die Wirklichkeit ist anders. Oder wie will man die Spieler entlasten, wenn bei unverändertem Preisgeld ein Nenngeld eingeführt wird. Da muss man sich als Spieler doch veräppelt vorkommen. Ich kann diese Kritik nachvollziehen.

Können Sie schon abschätzen, welche Konsequenzen die ITF Tour in ihrer Anfangsphase für betroffene deutsche Spielerinnen und Spieler hatte? Und gab es Beschwerden, die an Sie und den DTB gerichtet wurden?

Hordorff: Wenn man in den sozialen Medien in den letzten Tagen verfolgt, wie sich Spieler und Spielerinnen über die ITF aufregen, dann sind die Befürchtungen, die wir von Anfang an hatten, leider wahr geworden. Viele Spieler, Eltern, Trainer kontaktieren mich und schildern mir, wie katastrophal die Lage ist, wie demotivierend es für die jungen Nachwuchsspieler ist. Die Beschwichtigungen der ITF, dass die Reform funktionieren wird, die haben sich als leere Phrase entpuppt. Es stimmt einfach nicht, was man bei der ITF da behauptete. Viele Länder veranstalten nun keine Future Turniere mehr, Sponsoren springen ab, Spielmöglichkeiten sind viel weniger vorhanden. Weitere Reisen, höhere Kosten, und teilweise eine Reise ohne Spielmöglichkeit – das ist der traurige gegenwärtige Zustand.

In der ganzen Welt gibt es Kritik

Auf unserem Portal tenniset.com ist gerade ein Meinungsbeitrag der österreichischen Spielerin Kerstin Peckl erschienen, mit dem Titel „Die Jobvernichtungsmaschine“. Ist das überspitzt oder trifft das den Kern der Kritik?

Hordorff: Ja, Kerstin Peckl hat zutreffend die Situation aus ihrer Sicht beschrieben. In der ganzen Welt gibt es ähnliche Kritik und Kommentare. Unterschriftenaktionen von Juergen Briand zum Beispiel, mittlerweile liegt die Zahl der Unterschriften für diese Petition zwischen 7500 und 10.000 Unterschriften. Spieler gründeten eine Initiative, Spieler gegen die ITF. Da versuche ich gegenzusteuern. Spieler sollten nicht gegen die ITF sein, sie sind Teil der ITF. Es geht darum, dass die Spieler nicht mehr dieses Gefühl haben müssen, dass wir im Verband, dass die Verbände nicht für sie da sind. Das ist bedauerlich genug, dass so ein Zustand erreicht wurde. Nun gilt es, eng mit den Spielern zusammen zu arbeiten – und natürlich in keinster Weise gegen sie. Wir müssen also eine bessere Lösung finden.

In der Kolumne wird auch auf die negativen Auswirkungen abgehoben, die die Reform für die gesamte Tennisbranche und das Umfeld hat – speziell die Industrie, Hotels, Sponsoren, Akademien. Gibt es dann schon belegbare Konsequenzen oder Rückmeldungen?

Hordorff: Nach ein paar Wochen kann man noch keine endgültige Schadensrechnung machen. Aber wir als Verband sollten uns auch immer wieder im klaren sein, dass wir für die Spieler und Vereine da sind, nicht umgekehrt. Und die ITF als Weltverband sollte sich darüber auch im klaren sein. Und wenn fast überall, sei es von Trainern, Akademien, Nationen, Industrie ein einheitliches, vernichtendes Urteil über die neue Tour gefällt wird, dann muss man schnellstens reagieren. Jeder kann Fehler machen, auch die ITF. Die Kunst ist nur, diese rechtzeitig zu erkennen und diese zu beheben.

Ich habe zu keinem Aufstand aufgerufen

Sie selbst haben in den sozialen Netzwerken zu einer Art Aufstand gegen die ITF-Reformen aufgerufen. Welche Erfolgschancen hat die Bewegung gegen diese ITF Tour.

Hordorff: Ich habe zu keinem Aufstand aufgerufen, aber ich habe die sehr guten und qualifizierten Beiträge, u.a. vom ehemaligen langjährigen Angestellten der ITF, Dave Miley, geteilt, der sich sehr intensiv mit dieser Thematik beschäftigt hat. Ich habe von vielen Nationen gehört, wie unglücklich sie mit der Entwicklung sind. Und ich habe den Spielern und Spielerinnen empfohlen, sich in ihrem jeweiligen Verband mit den Verantwortlichen zusammen zu setzen und ihre Argumente darzulegen. Ich halte nichts von Demonstrationen und Beschimpfungen, sondern von sachlicher konstruktiver Kritik mit dem Ziel, Veränderungen zum Wohl der Betroffenen zu erreichen. Und ich weiss, dass viele Verbände dieses genau so sehen und sich bemühen werden, hier eine Änderung herbei zu führen. Das ist ja kein deutsches Problem, das ist ein Problem aller nachkommenden Tennisspieler auf der ganzen Welt.

Sie gehörten auch zu den schärfsten Kritikern der Davis-Cup-Reform. Ist Ihre Gegnerschaft zur ITF Tour eine Konterattacke auf Umwegen?

Hordorff: Ach nein, das ist Unsinn. Die DC -Reform wurde in Orlando entschieden, die Mehrheit hat gesprochen. Wir im DTB waren nicht auf der Seite der Mehrheit. Das akzeptieren wir wie alle anderen Länder, die gegen den ITF-Vorschlag gestimmt haben. Jetzt sehen wir, wie sich das entwickeln wird. Deutschland hatte im Davis Cup ein tolles Wochenende in Frankfurt und ist für das Endturnier qualifiziert. Wir werden dort unser Bestes geben, auch wenn Alexander Zverev wie viele andere Top Spieler verständlicherweise nicht dabei sein wird. Im übrigen erkenne ich auch umstandslos positive Veränderungen an, etwa bei der Challenger-Tour. Die ist mit vergrößerten Hauptfeldern und abgeschaffter Qualifikation deutlich aufgewertet worden. Das ist spielerfreundlich und geht in die richtige Richtung.

Es hat sich auch ein Streit darüber entzündet, ob die ATP Tour grundsätzlich gegen eine substantielle Vergabe von Ranglistenpunkten gewesen sei – oder nicht. Können Sie uns noch einmal erklären, wie Ihre Position hier ist?

Hordorff: Im ATP-Meeting in New York hat der CEO der ATP, Chris Kermode, unmissverständlich in großer Runde erklärt, dass die ITF keine ATP-Punkte mehr bei den Futures wollte. Er hat unmissverständlich klar gemacht, dass die Aussage der ITF in Orlando - während der Generalversammlung - wonach die ATP die Punkte weggenommen hätte und für diese Entscheidung verantwortlich sei, falsch ist. Dieses wurde mir noch in dieser Woche von ATP-Vertreter Ross Hutchins schriftlich bestätigt.

Die ITF-Sprecherin Heather Bowler erklärte, es stimme nicht, was in sozialen Netzwerken behauptet werde. Sie bestritt, dass es einen Zusammenhang zwischen der Vergabe von Ranglistenpunkten und dem Datenverkauf gebe.

Hordorff: Na ja, dann sollte sie doch mal erklären, warum die ITF gegen die Empfehlung des Independent Review Panels die live scores verkauft hat. Erst zahlt die ITF Millionen, um das IRP Empfehlungen machen zu lassen, dann hört sie nicht auf die Empfehlung und verzichtet, wie die ATP schildert, auf die Ranglistenpunkte bei den Futures. Das passt doch überhaupt nicht zusammen. Da wird nicht die Wahrheit gesagt. Und wie sagte meine Großmutter immer: Lügen haben kurze Beine.

Wird der DTB als Verband irgendwelche Initiativen ergreifen, um diese Reform rückgängig zu machen?

Hordorff: Wir werden die Situation weiter aufmerksam verfolgen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass es auch in Zukunft die Möglichkeit gibt, für die Spieler bei Turnieren in die Felder reinzukommen. Wir halten nichts davon, die Spieler gerade in dieser Ebene zusätzlich mit Kosten zu belasten. Wir werden versuchen, mit den Beteiligten, der WTA, der ATP und mit den anderen Verbänden in der ITF notwendige Änderungen durch zu setzen. Wie gesagt, es ist kein deutsches Problem, es ist ein Problem aller Verbände. Und viele Verbände haben dieserkannt. Wir sprechen mit den Verbänden und wollen gemeinsam hier Änderungen bewirken.

von Jörg Allmeroth

Donnerstag
07.02.2019, 17:05 Uhr
zuletzt bearbeitet: 07.02.2019, 17:06 Uhr