"Perfekt aufgestellt ist niemand"

Günter Bresnik im ausführlichen tennisnet.com-Interview: über Österreichs Youngster Dominic Thiem, veränderte Grundsätze und über seine weiteren Schützlinge.

von Interview: Manuel Wachta
zuletzt bearbeitet: 03.01.2017, 00:50 Uhr

Lob für Dominic Thiem von seinem Coach Günter Bresnik
Lob für Dominic Thiem von seinem Coach Günter Bresnik

Mit den ersten drei ATP-World-Tour-250-Turnieren beginnt in dieser Woche die neue Saison für die Profis - und damit auch für die Schützlinge von Günter Bresnik. Allen voran natürlich für Dominic Thiem, der Tennis-Österreich 2016 mit seiner Masters-Teilnahme stolz gemacht hat. Der 55-jährige Starcoach hier über die Vorbereitung seines Schützlings, dessen Ziele für 2017, ein paar nun doch veränderte bisherige Grundsätze und darüber, wen er gerne noch im "Team Thiem" sähe und über vieles mehr. Das ausführliche tennisnet.com-Interview.

tennisnet.com: Günter, diese Woche geht's für Dominic in Brisbane mit der neuen Saison los. Wie gut ist die Vorbereitung auf Teneriffa denn nun gelaufen?

Günter Bresnik: Es ist alles perfekt abgelaufen. Er hat daraufhin in der Heimat noch ein paar Sponsorentermine gehabt und in Wien dann nochmal mit Jürgen Melzer und Riccardo Bellotti trainiert, die Feiertage ruhiger verbracht, am 25. Dezember nochmal trainiert und am 26. ist er nach Australien geflogen. Er hat zuerst einmal zwei Tage in Melbourne verbracht und mal die Zeitumstellung hinter sich gebracht, seit Freitag ist er in Brisbane und hat noch am selben Tag das Training vor Ort aufgenommen. Er musste davor einmal zwei Tage nichts machen, aber er hat versichert, dass es ihm gut geht. Dieses Jahr ist er mit seiner Mutter hingeflogen. Da fühlt er sich, glaube ich, wohl, und ich bin am Sonntag dann nachgeflogen.

tennisnet.com: Allzu viel Zeit war für ihn, nach seiner ersten Masters-Teilnahme und seinem Urlaub auf den Malediven, ja nicht gerade. War die Vorbereitungszeit zu kurz? Hättest du dir mehr Zeit dafür gewünscht?

Bresnik: Sowohl als auch. Natürlich wünsche ich mir mehr Zeit zur Vorbereitung, die ist aber einfach nicht dagewesen. Es sind eben nur die 20 Tage gewesen, die wir hatten. Die paar Tage Urlaub muss man bei ihm dafür schon zur Saisonvorbereitung dazurechnen, die waren extrem wichtig. Er ist aus meiner Sicht - und auch aus jener aller anderen - gut erholt zurückgekehrt. Besonders schön habe ich gefunden, wie harmonisch die Zeit in Teneriffa mit allen, auch mit allen anderen Spielern, verlaufen ist, und auch die Tage in Wien waren es. Es war durchwegs eine produktive Zeit.

tennisnet.com: "Domi" soll auf Teneriffa gemäß "Kronen Zeitung" an einem Tag sogar zwölf Stunden trainiert haben. Das kann man sich als Ottonormalverbraucher dann doch sehr schwer vorstellen. Stimmt das so?

Bresnik: Er war durchaus mal zwölf Stunden verplant. Das hat um 7:30 Uhr gleich mit einem Morgenlauf begonnen, und der Tag war dann bis 21:30 Uhr durchgeplant. So gesehen war ein Trainingstag schon zwölf Stunden. Aber zwölf Stunden das, was wir unter Training verstehen, davon kann man nicht reden. Die restlichen zehn, zwölf Stunden war Dominic sonst meist auf dem Zimmer, hat acht Stunden pro Tag geschlafen. Dazwischen habe ich ihm zur Mittagsruhe auch mal ein Powernapping verordnen müssen - das sind Dinge, die ein Bursche in dem Alter normalerweise nicht macht.

tennisnet.com: Klingt jedenfalls nicht nach viel Freizeit.

Bresnik: Nein, Freizeit für irgendwelche außergewöhnlichen Aktivitäten ist hierbei fast keine geblieben, von den 17 vollen Tagen auf Teneriffa sind 14 oder 15 so abgelaufen. Da war nicht mal Zeit, um vielleicht mal shoppen oder groß ans Meer zu gehen, höchstens mal kurz, um ein bisschen auf dem Zimmer zu entspannen, und sonst Sauna, Massagen, Eisbäder. Es gab Tage, an denen körperlich ein bisschen weniger als an den anderen gemacht worden ist, aber vier bis fünf Stunden hat er normal jeden Tag allein auf dem Platz verbracht. Außerdem wärmt er eine Stunde vorher auf, danach abwärmen, Intervalltraining an der Laufbahn und auf dem Platz. Es war ein hoher Umfang, mit vielen verschiedenen Spielern dort, die Abwechslung war dadurch ständig gegeben. Die 17 Tage waren also sehr kurzweilig.

tennisnet.com: Und auf jeden Fall äußerst intensiv. Auch Philipp Kohlschreiber soll Dominic Respekt gezollt haben, welch gewaltigen Umfang er dort absolviert. Ist "Domi" diesbezüglich vielleicht schon unter den Top Fünf der Welt zu sehen?

Bresnik: Ich weiß nicht, wie viel genau andere so trainieren. Aber wenn Kohlschreiber davon spricht, wie hart Dominic trainiert: Er ist genau derjenige, der Dominic da das Wasser reichen kann. Die Art und Weise, wie er trainiert, und das mit 33 Jahren - das ist beeindruckend. Und er tut sich da auch leichter, dies bei Dominic zu erwähnen und schätzt das anders, weil er auch so ein Programm fährt. Für mich ist er ohnehin einer der besten Spieler, die niemals unter den Top Ten waren. Er ist von Mutter Natur nicht so ausgestattet worden, mit nur wenig Aufwand zu einem guten Aufschlag, Grundlinien- und Volleyspiel zu kommen, er hat sich das alles hart erarbeitet. Und deshalb sind das dann wohl auch Leute, die sich ganz besonders gut verstehen. Kohlschreiber hat leider viele schlechte Auslosungen bei Grand-Slam-Turnieren gehabt. Aber vor seiner Karriere kann man nur den Hut ziehen und muss ihm ein Kompliment machen.

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tennisnet.com: Dominic soll laut dir in der Off-Season große Sprünge gemacht haben.

Bresnik (unterbricht): Große Sprünge nicht mehr. Davon kann man bei ihm jetzt nicht mehr reden. Aber jede kleine Verbesserung ist mittlerweile wichtig und kann viel ausmachen, diese bekannt kleinen Schritte, wenn es näher zum Ziel geht. Diese sind mit einem hohen Aufwand verbunden. Aber er spult diese Einheiten so wie ein Musterschüler runter - das muss man ihm immer wieder hoch anrechnen. Die Dinge, die man nicht so gut macht, üben die meisten nicht sehr gern. Ihm merkt man das hingegen gar nicht an, da registriert man keinen Unterschied, er macht alles mit derselben Intensität. Wenn er etwas 100 Male wiederholt und es geht und geht nicht, und am Ende klappt es dann doch zwei, drei Mal, kann er so viel Energie daraus ziehen, dass er das noch eine halbe Stunde lang übt. Und am Ende eines Trainingsblocks sieht er dann die Verbesserung.

tennisnet.com: In welchen Bereichen hat er sich denn am meisten verbessert?

Bresnik: Seine Grundschläge müssen, um mit den ganz Großen mitzuspielen, noch stabiler werden. Die Spitzen sind teils schon sehr hoch, aber er hat dabei auch Fehleranfälligkeit und Durchschnittstempo meines Erachtens deutlich angehoben, vor allem auf der Rückhand-Seite. Und dann geht es vor allem noch um Aufschlag und Return. Beim Aufschlag muss er Tempo, Percentage und Variabilität weiter erhöhen, und er darf nicht so leicht lesbar sein, er muss da mehr Abwechslung reinbringen. Das ist ihm, denke ich, gelungen, und er kann das auch schon ganz bewusst beim Punkte spielen einbauen und einsetzen.

tennisnet.com:Vor etwas mehr als einem Jahr hat die Zusammenarbeit mit Alexander Stober begonnen. Wenn du auf diese Zeit zurückblickst: Wie wichtig war und ist das?

Bresnik: Ich habe es damals gesagt, es hat sich in dem Jahr bestätigt und ich hoffe, ich werde es noch lange sagen können: Er ist einer der besten Physiotherapeuten, die es im Tennis gibt. Die Bedeutung von ihm für Dominic ist auch dadurch mitgeprägt, dass er die gleiche Sprache spricht, was für einen Physio, der fürs körperliche Wohlbefinden sowie auch für medizinische Belange verantwortlich ist, von hoher Relevanz ist. Alexander ist in dem Alter, in dem er über extrem hohe Erfahrung verfügt - und er ist auch menschlich einfach wirklich toll. Wir mögen uns alle gegenseitig sehr, und so etwas findet man nicht so leicht, so eine Kombination. Auch deswegen ist er ein extrem wichtiges Bindeglied und ein Erfolgsfaktor. Das wird sich weniger jetzt zeigen als vielmehr dann, wenn man die Karriere rückblickend betrachtet.

tennisnet.com: Warum erst dann?

Bresnik: Weil seine Hauptaufgabe jetzt nicht nur die Leistungssteigerung umfasst, sondern auch den leistungserhaltenden Bereich. Er kann dafür sorgen, dass "Domi" hoffentlich in den nächsten fünf bis zehn Jahren in einer Verfassung ist, um weit oben mitzuspielen.

tennisnet.com: Siehst du Dominic, um das zu schaffen, mit der Verpflichtung von Stober nun in allen Bereichen perfekt aufgestellt? Oder könnte es noch Erweiterungsschritte geben?

Bresnik: Perfekt aufgestellt ist niemand. Ein wesentlicher Faktor wird immer das Körperliche bleiben. Und da mache ich keinen Hehl daraus, wer der beste Fitnesstrainer der Welt ist. Aber solange Roger Federer und Stan Wawrinka aktiv sind, werde ich da nicht querschießen. Doch wenn sich mal was ändern sollte, bin ich der Erste, der fragt.

tennisnet.com: Du redest also von Pierre Paganini.

Bresnik: Ja, und er ist auch einer der Gescheitesten, die auf der Tour herumrennen und besitzt rein menschlich tolle Qualitäten, nicht nur fachlich.

tennisnet.com: Und weißt du auch, ob eine Zusammenarbeit für alle Seiten vorstellbar wäre?

Bresnik: Ich will nicht dem vorgreifen, was er will. Solche Ausnahmekönner sind halt immer sehr respektiert. Er macht Dinge immer nur mit voller Überzeugung und mit entsprechendem Zeitaufwand. Sollte sich die Situation mal ergeben, würde ich auf jeden Fall abklären, ob alle Voraussetzungen vorhanden sind, so zu arbeiten, um Erfolg zu haben.

tennisnet.com: Dominic startet in Brisbane nach einem Freilos gegen Sam Groth oder Pierre-Hugues Herbert. Was sagst du zu seiner Auslosung?

Bresnik: Es ist ein extrem stark besetztes Turnier. Wenn Rafael Nadal als Nummer neun der Welt nicht vorgesetzt ist (die ersten vier Gesetzten erhalten ein Freilos, Nadal ist die Nummer fünf; Anmerkung), sagt es alles über den Raster aus. Groth und Herbert servieren beide extrem gut und sind daher immer unangenehme Gegner für Dominic. Aber das sind halt auch Sachen, die für ihn als die Nummer acht der Welt bei einem so stark besetzten ATP-World-Tour-250-Turnier normal sind. Es geht auch weniger um den Gegner als vielmehr um die Tatsache, dass er zu Jahresbeginn hineinfinden muss. Alle, die da mitspielen, können Tennis spielen, und ich mag es nicht, wenn höher gesetzte Spieler so tun, als wäre das ein Durchmarsch. "Domi" kann auch jederzeit von einem Herbert im Ranking überholt werden - das ist ein junger und extrem guter Spieler. Diese Matches sind alles andere als eine klare Sache.

tennisnet.com: Dominic hat hier das Halbfinale und bei den Australian Open die dritte Runde zu verteidigen, was verglichen mit seinen Ergebnissen danach noch Luft nach oben ließe. Gilt es sich in Australien ein Polster für den Rest des ersten Halbjahrs anzulegen?

Bresnik: Ich mag den Denkansatz nicht. Ein guter Tennisspieler hat Spaß am Wettkampf. Da legt man sich kein Punktepolster an, ein guter Spieler soll sich auf seinen nächsten Wettkampf freuen und dann Freude dabei empfinden, wenn er sein Leistungspotential abrufen kann und gewisse Dinge verbessert. Ob er dann auf Platz acht, 17 oder 23 steht, das ist zwar nicht egal, aber ich verbessere mich im Ranking automatisch, wenn ich gut spiele. Das Punkte zählen ist mir nicht fremd, das mache ich auch manchmal, aber es ist ein falscher Ansatz. Wichtiger ist: Wenn er gut spielt, dann kann Dominic inzwischen so viel, dass er, wenn er 80 bis 90 Prozent seines Potentials abruft, gegen 90 Prozent der Leute auf der Tour Favorit ist.

tennisnet.com: Schön, wenn man das von sich behaupten kann. Jedenfalls war Dominic 2016 körperlich vor allem in der zweiten Saisonhälfte wohl am Limit, was für dich aber nicht daran gelegen hat, dass er ein Vielspieler ist. Wenn es im Vorjahr also nicht zu viel war: Warum soll er 2017 deinen Aussagen zufolge nun doch auf 20 bis 24 Turniere zurückschrauben?

Bresnik: Mir geht es nicht um die Anzahl der Turniere, sondern um die Anzahl der Matches und Wechsel des Belags, des Kontinents und der Zeitzonen. Das sind Sachen, bei denen man aufpassen muss. Und ich bin auch ein Freund davon, an der spielerischen Weiterentwicklung zu arbeiten und sich dafür ein paar Wochen im Jahr freizuschaufeln, in denen er kein Turnier bestreitet, sondern dafür mehr auf dem Platz trainiert. Denn er muss, wenn er sich in gewissen Bereichen verbessern will, Raum für die Basisarbeit besitzen. 2017 möchten wir uns dafür ein paar Wochen mehr Zeit nehmen. Es kommen zudem auch viele andere Verpflichtungen dazu. Als Nummer acht der Welt hat man davon eine Vielzahl, und für diese muss auch Zeit sein.

tennisnet.com: Wenn es dir auch um die Zahl der Matches geht: Wird Dominic in Australien - außer in Brisbane mit Kei Nishikori - auch Doppel spielen?

Bresnik: Nein. Denn wenn er in Sydney im Einzel früh verlieren sollte, möchte er schnell wie möglich nach Melbourne. Und wenn er dort früh verlieren sollte, würde er dort nicht aufgrund des Doppels abhängen wollen. Daher wollen wir die Thematik gar nicht heraufbeschwören.

tennisnet.com: Kann man daraus eine Richtungsänderung ablesen? Dominic ist derzeit ja der einzige Top-20-Mann, der bei den Grand Slams auch recht regelmäßig Doppel spielt und dort wohl auch einiges an Kraft lässt. Wird er bei den weiteren Grand-Slam-Turnieren ebenso kein Doppel spielen?

Bresnik: Bei den French Open oder den US Open würde es mich nicht stören, wenn er auch Doppel spielt. Aber das wird man sehen, das ist jetzt noch zu weit weg. In Indian Wells und Miami wird er vermutlich Doppel spielen, sonst in diesem Jahr aber wohl wenig bis gar nicht.

tennisnet.com: Wodurch sich dann auch die Belastung durch die so hohe Matchanzahl etwas reduzieren würde. Gibt es ein bestimmtes Grand-Slam-Turnier, auf dem der Fokus 2017 ganz besonders liegen wird? Etliche Experten sehen in Dominic ja einen zukünftigen French-Open-Sieger, und dort ist er im Vorjahr bereits ins Halbfinale gekommen.

Bresnik: Wenn er einen unterschiedlichen Fokus auf die vier Grand Slams legen würde, dann wäre das verkehrt. Das sind einfach die vier Höhepunkte in dem Jahr. Und nachdem es da von so vielen verschiedenen Dingen abhängt, die man nicht immer alle beeinflussen kann, ist man gut beraten, bei allen vier top vorbereitet zu sein.

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tennisnet.com: Dominic hat die Latte 2016 hoch gelegt. Muss eine erneute Teilnahme an den ATP World Tour Finals nun sein Ziel sein?

Bresnik: Für mich ist es nie ein Ziel, nur bei einem Turnier dabei zu sein. Das Ziel muss sein, dass er wieder an seine gezeigten Leistungen anschließen kann. Wo sich das dann im Ranking niederschlägt, wird man sehen.

tennisnet.com: Wann würdest du von einer guten Saison sprechen?

Bresnik: Da sind einige andere, die zurückkommen oder wohl noch stärker sein werden, etwa Federer, Nadal, Alexander Zverev, Lucas Pouille. Wenn die gut spielen, kann's ohne Weiteres sein, dass Dominic die Saison nicht in den ersten Acht beendet. Aber es wäre natürlich schön, wenn er beim Masters wieder dabei sein könnte. Das ist neben den Grand Slams das Highlight des Jahres. Und es ist auch klar, dass man, wenn man mal dabei war, es immer sein will. Aber es ist kein Wunschkonzert. Wenn er die Saison zwischen fünf und 15 abschließen sollte, dann bin ich wirklich zufrieden. Und das ist jetzt kein Tiefstapeln.

tennisnet.com: Ist die Zusammenarbeit mit dem kanadischen Jungstar Denis Shapovalov in der Zwischenzeit unter Dach und Fach?

Bresnik: Ich trainiere derzeit mit ihm, aber da ist nichts fix. Es ist keine Ehe, kein Bund auf Lebenszeit und es gibt auch keinen Vertrag. Ich mag ihn, er mag mich, er versteht sich auch mit "Domi" bestens, aber er wird weiterhin auch mit seiner Mutter arbeiten. Hoffentlich wird es viel gemeinsame Trainingszeit geben. Er wird allerdings auch jemand weiteren benötigen, der mit ihm reist, da er andere Turniere als Dominic bestreiten muss. Ich werde das mit seiner Mutter und seinem Manager besprechen und stehe ihm mit Rat und Tat zur Verfügung.

tennisnet.com: Du hast über ihn vor ein paar Monaten gesagt, du seist, bei all seinen Stärken, eher darüber überrascht, was er alles noch nicht könne. Was kann er denn alles noch nicht?

Bresnik: Es überrascht mich, wenn ich das so formuliert haben sollte. Ich schätze, wenn man mit Leuten über einen längeren Zeitraum hinweg arbeitet, aus nächster Nähe, dann fällt einem etwas mehr auf, was jemand noch nicht kann. Aber natürlich kann er bereits extrem viel, und wenn ich ihn mit anderen vergleiche, dann ist er mit seinen 17 Jahren extrem weit. Als Coach ist außerdem meine Lieblingseigenschaft bei einem Spieler die Bereitschaft, hart zu arbeiten. Und die bringt er in sehr hohem Maße mit.

tennisnet.com: Dein Schützling Dennis Novak ist im Gegensatz zu Riccardo Bellotti diesmal nicht bei den Australian Open dabei. Warum nicht?

Bresnik: Er hat den Qualifikations-Cut-off nicht geschafft. Und wenn man 15. bis 20. Spieler außerhalb des vorläufigen Cut-offs ist, müssten recht viele Spieler rausziehen, damit sich das noch ausgeht. Bei jemandem, der um Rang 250 steht, ist das zudem auch eine wirtschaftliche Überlegung, denn es wäre schon Harakiri, mit jemandem, der Kniebeschwerden hat und nicht weiß, ob er überhaupt hineinkäme, nach Australien zu fliegen.

tennisnet.com: Wie schlimm sind seine Verletzungsprobleme?

Bresnik: Er ist vom Trainingslager in Teneriffa fünf, sechs Tage früher heimgeflogen und ist dann im Sportzentrum am Chiemsee in Deutschland und bei Dr. Rudi Schabus in Behandlung gewesen. Es wird langsam wieder besser.

tennisnet.com: Vor der letzten Saison hattest du dich überzeugt gezeigt, dass er den Abstand auf Thiem 2016 verringern wird. Das Gegenteil ist passiert. Worin siehst du den Grund dafür?

Bresnik: Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass er ein potentieller Top-100-Mann ist. Er hat in diesem Jahr zwei Mal Gerald Melzer und einige andere gute Leute geschlagen - Gerald steht auf Platz 68, er um 250 herum. Die Fähigkeiten, solche Leute zu schlagen und auch dort zu stehen, hat er. Dass er dies nicht bewerkstelligt, liegt an ein paar anderen Dingen. Da muss er vor seiner eigenen Türe kehren. Denn da ist einiges, das er besser machen könnte. Dass die Punkte-Hauptausbeute bei ihm immer noch von ITF-Futures herrührt, ist eine Enttäuschung. Der Wechsel auf Challenger-Ebene ist ihm immer noch nicht ausreichend gelungen. Ich tue mir jedoch schwer dabei, ihn zu kritisieren, denn wenn er bei mir ist, ist immer alles bestens. Wenn er mit wem anderen unterwegs ist, höre ich oft, dass es nicht so abläuft, wie ich selbst es sehe. Warum er nicht mehr gewinnt, fragt sich jeder. Da sind von seiner Seite einige Dinge zu ändern. Ich hoffe, dass er dieses oder nächstes Jahr den Durchbruch schafft. Er ist jetzt 23, andere sind auch erst mit 25 Jahren oder später in die Top 100 gekommen.

tennisnet.com: Wie zufrieden bist du eigentlich mit dem Erfolg deines Buchs "Die Dominic-Thiem-Methode", das im Amazon-Tennisbücher-Ranking wochenlang die Nummer eins war?

Bresnik: Die zweite Auflage ist mittlerweile auch schon fast verkauft. Wenn ich den Erfolg des Buches ausschließlich in den Verkaufszahlen möchte, bin ich auch zufrieden. Denn es ist gar nicht so einfach, in Österreich 10.000 Bücher zu verkaufen, wenn man keine solch große Organisation hinter sich stehen hat wie etwa eine Anna Fenninger mit dem Österreichischen Skiverband oder so wie andere und ich keiner bin, der das so intensiv betreibt. Ich halte keine Signierstunden oder so ab. Für mich ist es aber vor allem aufgrund des Feedbacks, das ich so bekommen habe, ein Erfolg. Feedback von Leuten, auf deren Meinung ich Wert lege.

tennisnet.com: Wenn man schon so lang mit jemandem zusammenarbeitet und mit ihm daher natürlich so freundschaftlich verbunden ist wie du es mit Dominic bist, schenkt man sich dann etwas zu Weihnachten, und wenn ja, was? Oder etwa nichts, weil man sich in der glücklichen Lage befindet, alles Wichtige schon zu haben?

Bresnik: Wir haben uns diesmal nichts geschenkt. Ich freu' mich allerdings nach wie vor über materielle Geschenke - und Dominic hat mich 2016 in anderer Form beschenkt als mit einem Kleidungsstück oder sonst etwas. Mit etwas viel Schönerem und Wichtigerem. (lächelt)

tennisnet.com: Hat Günter Bresnik einen Neujahrsvorsatz oder Neujahrswunsch?

Bresnik: Ich überlege mir das zu Neujahr auch immer intensiver als sonst. Aber ich bemühe mich einfach, jeden Tag, wenn ich aufwache, dasselbe wie immer mit Leidenschaft, Akribie und positiver Energie zu machen. Vor allem in meiner beruflichen Tätigkeit als Trainer und noch wichtiger als Ehemann, Vater und Bruder. Wenn die Energie und Gesundheit mir und auch allen Leuten in meiner Umgebung erhalten bleiben, dann bin ich ein gesegneter Mensch.

Dominic Thiem im Steckbrief

von Interview: Manuel Wachta

Dienstag
03.01.2017, 00:50 Uhr