Ex-Mayer-Coach Tobias Summerer - Fehlende Fans für Federer problematisch

Tobias Summerer war jahrelang mit Florian Mayer als Coach auf der ATP-Tour unterwegs, später auch mit Philipp Kohlschreiber. Im Moment trainiert Summerer an der TennisBase in Oberhaching hautsächlich Maximilian Marterer und Cedric-Marcel Stebe. Ein Gespräch über die mittelfristige Zukunft im Tennissport.

 

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 13.05.2020, 19:35 Uhr

Tobias Summerer hat als Coach von Florian Mayer und Philipp Kohlschreiber Erfolge gefeiert
© Jürgen Hasenkopf
Tobias Summerer hat als Coach von Florian Mayer und Philipp Kohlschreiber Erfolge gefeiert

tennisnet: Herr Summerer. Schon bald stehen für viele Profis nationale Turnierserien an, die ohne Zuschauer stattfinden werden. Ein Szenario, das wohl auch noch nach Wiederaufnahme des Spielbetriebs auf der ATP-Tour gelten wird. Werden sich daraus Probleme ergeben?

Summerer: Ich glaube, dass das für die meisten Spieler nicht so schwierig sein wird, weil wir auf den ATP-Challenger-Turnieren ja auch vor wenigen Zuschauern spielen, vor allem in den ersten Runden. Aber für die ganz, ganz Top-Jungs ist es wohl unvorstellbar, ein Grand-Slam-Turnier ohne Zuschauer zu spielen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Roger Federer gegen John Millman in einem leeren Arthur Ashe Stadium jetzt leicht tun würde.

tennisnet: Andere Veteranen schon?

Summerer: Ich habe gestern hier mit Philipp Kohlschreiber über die Thematik gesprochen. Und Philipp hat auch gemeint, dass es ohnehin viel Turniere gibt, wo man auf den Außenplätzen vor wenigen Fans spielt. Deshalb ist es für viele Tennisspieler, die vielleicht nicht in den Top 100 stehen, viel leichter, sich mit so einer Situation anzufreunden.

tennisnet: Philipp Kohlschreiber macht sich ja langsam Gedanken über sein Karriere-Ende. Wie erleben Sie ihn dieser Tage?

Summerer: Wenn ich Philipp hier sehe, wie er etwa mit Maxi Marterer trainiert, macht er einen sehr guten Eindruck. Ich habe das Gefühl, dass ihn diese Situation nicht ganz so belastet, weil er mit sich im Reinen ist. Und alles, was er macht, mit viel Spaß angeht.

tennisnet: Eigentlich herrscht jetzt gerade die richtige Situation, in der Ihr ehemaliger Schützling Florian Mayer wieder einsteigen könnte. Der hat bei Comebacks nie viel Zeit gebraucht, um wieder in Schwung zu kommen.

Summerer: Ich habe mit Flo erst vor Kurzem gesprochen. Ihn hat die Corona-Pause natürlich sehr getroffen, weil er konnte gar nicht trainieren, nirgendwo spielen, weil er nicht den Status des Berufssportlers hat. Ihn würde es schon ab und zu jucken, aber mittlerweile ist der Zug auch schon ein bisschen abgefahren, wie er auch selbst sagt. Aber in einem Trainingssatz ist er hier immer für alle gefährlich.

tennisnet: In den geplanten Turnierserien in Deutschland und Österreich treten junge Spieler wie etwa Milan Welte gegen Spieler der erweiterten Weltklasse wie etwa Jan-Lennard Struff an. Macht das überhaupt Sinn?

Summerer: Ich glaube, dass beide von so einem Match lernen können. Die Jungen können schauen, was die Top-Jungs gut machen. Lernen können, wo sie sich noch verbessern müssen. Und die Topspieler werden sicherlich in manche Matches gehen, um etwas zu trainieren. Vielleicht gibt der Trainer da Vorgaben mit wie; Du spielst viel Serve-Volley. Und das versucht man dann umzusetzen. Generell finde ich die ganze Turnierserie super. Für Leute wie Maxi oder Cedric-Marcel Stebe ist es in zweierlei Hinsicht vorteilhaft: Sie brauchen beide Matches, die sie hier garantiert bekommen. Und sie verdienen auch wieder ein wenig Geld, können ihre Ausgaben decken.

Über zwölf Jahre gerechnet ist eine Million Preisgeld nicht viel.

tennisnet: Das heißeste Thema der vergangenen Wochen ist der geplante Spielerfonds zur Unterstützung von Profis, die in der Weltrangliste weit hinten klassiert sind. Wen sehen Sie hierfür verantwortlich?

Summerer: In dieser Sache müssen alle zusammen helfen. Die ATP ist auf jeden Fall in der Pflicht etwas zu tun. Was ja auch in Angriff genommen wird. Aber man wird wohl nie eine Lösung finden, die alle zufriedenstellt. Dann steht einer wie Tommy Robredo in diesem Bereich, der zwölf Millionen Dollar Karriere-Preisgeld gewonnen hat. Der braucht die 5.000.- Dollar ganz sicher nicht. Die Ausschüttung ans Karrierepreisgeld zu koppeln ist auch schwierig: Da hat ein 30-Jähriger vielleicht eine Million verdient. Über zwölf Jahre gerechnet, ist das aber nicht viel. Hat ein 20-Jähriger eine Million verdient, dann geht es dem wahrscheinlich gut. Ich sehe da aber nicht in erster Linie die Spieler in der Pflicht zu helfen, sondern die Dachverbände.

tennisnet: Die deutsche Bundesliga fällt in diesem Jahr aus. Was bedeutet das für viele Profis?

Summerer: Die Bundesliga ist, wenn schon nicht buchstäblich überlebenswichtig, so doch die  sicherste Einnahmequelle. Hier wird sehr gut bezahlt, und dann hat man auch schon die Reisekosten und einen Teil des Coaches herinnen. Für viele Spieler, die nicht Top 100 stehen, schmerzt die Absage der Bundesliga sehr. Denn manchmal ist es ja so, dass ein Spieler bei einem Turnier im Viertelfinale ausscheidet und dann am Sonntag in der Bundesliga spielt. Dann hat er in der betreffenden Woche Einnahmen aus zwei Quellen. Derzeit gilt: Augen zu und durch. Gerade mit dieser Turnierserie des DTB können die Spieler wieder ein bisschen Geld gewinnen.

tennisnet: Abschließend - würden Sie als Coach auf der ATP-Tour gerne näher am Spieler sein, wie etwa die Kapitäne beim Davis Cup oder dem ATP Cup?

Summerer: Grundsätzlich bezahlt der Spieler ja den Coach. Und aus meiner Sicht macht es wenig Sinn, dass dann, wenn es um etwas geht, der Coach nicht eingreifen kann. Man muss eine Mittellösung finden. Ich halte es für einen Schmarren, wenn der Coach auf der Bank sitzt. Im Davis Cup passt das, auf der Tour nicht. Ab und zu Kontakt wie bei den Qualis bei den Grand Slams finde ich nicht schlecht, obwohl das für mich übertrieben ist, dass der Spieler direkt zum Coach kommen kann. Und das beinahe nach jedem Punkt macht. Es sollte möglich sein, ein oder zwei Mal pro Satz dem Spieler etwas mitzuteilen. Aber eine Lösung ist schwer: Wenn man es komplett aufmacht, dann wird nur noch gesprochen. Und das ist auch nicht das Richtige.  

von Jens Huiber

Donnerstag
14.05.2020, 13:20 Uhr
zuletzt bearbeitet: 13.05.2020, 19:35 Uhr