Jürgen Waber exklusiv – „Druck und Stress machen sich die Spielerinnen schon genug“

Österreichs Fed-Cup-Kapitän Jürgen Waber gibt vor dem Länderkampf in Budapest den Klassenerhalt als Ziel aus.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 03.02.2015, 10:17 Uhr

Österreichs Fed-Cup-Damen versuchen seit nun schon sieben Jahren der Europa/Afrika-Zone I zu entkommen. Diesmal kämpft man in dieser Woche in Budapest gegen Serbien (Mittwoch) und Ungarn (Freitag). tennisnet.com hatte am Montag, vor der Abreise des Teams, bestehend ausPatricia Mayr-Achleitner,Barbara Haas,Julia Grabher(Mitglied des „Generali Young Ladies“-Teams) undSandra Klemenschits, noch die Möglichkeit, mit dem Fed-Cup-Kapitän Jürgen Waber ein paar Worte zu wechseln. Dabei sprach der 43-Jährige über die Stimmung im Team, die Krise im österreichischen Damentennis und warum auch ein weiterer Abstieg in die Europa/Afrika-Zone II nicht ausgeschlossen ist.

Jürgen, danke, dass du dir die Zeit genommen hast. Gleich mal zu Beginn, wie ist die Stimmung im Team?

Naja, nachdem wir uns heute sehr früh getroffen haben, sind alle noch ein wenig verschlafen.(lacht)Aber sonst glaube ich, dass im Großen und Ganzen eine gute Stimmung herrscht. Man muss in den ersten Tagen natürlich noch ein wenig zueinander finden, denn es kommen ja alle aus allen Himmelsrichtungen, und das dauert ein bisschen. Aber mit der gemeinsamen Autofahrt nach Budapest werden dann auch die Stimmung und der Teamgedanke kommen.

Was muss in Budapest passieren, damit du mit einem guten Gefühl wieder nach Hause fährst?

Zunächst muss man sagen, dass es im Vorfeld nicht so einfach war, eine wirklich schlagkräftige Mannschaft zu formen. Leider hatTamira Paszekkurzfristig abgesagt. Wir waren in Kontakt und ich habe durchaus Verständnis für ihre Entscheidung. Es hätte auchPia Könighelfen können, die aber leider auch abgesagt hat. Jetzt haben wir ein Team aus zwei renommierten Spielerinnen und zwei Youngsters. Für mich ist es nun wichtig, dass wir uns einheitlich als Mannschaft und mit einer guten Performance präsentieren. Mein Ziel ist es natürlich, den Abstieg zu vermeiden. Die Gefahr, dass das passieren kann, ist da, weil unsere Spielerinnen sehr wenig Spielpraxis haben und teilweise die ersten Matches im Jahr nun beim Fed Cup bestreiten, was natürlich keine wirklich einfache Situation ist.

Der Aufstieg aus der Europa/Afrika-Zone I ist nicht gerade leicht. Die ITF hat signalisiert, möglicherweise den Modus zu verändern. Wäre das für dich begrüßenswert?

Ich war ja bereits Fed-Cup-Kapitän, und ein Ziel von mir war immer, eine Fed-Cup-Partie im eigenen Land zu haben. Ich glaube, dass das für die Spielerinnen etwas Besonderes ist, und es wäre schön, wenn sich das irgendwann mal ergeben würde. In diesem Modus und in unserer jetzigen Situation aufzusteigen – da müsste wirklich alles passen. Da muss auch das stärkste Team zur Verfügung stehen. Aber wer weiß, was passiert – bei der ITF, und auch bei uns.

Warum hast du eigentlich damals den Vertrag nicht verlängert und wie ist es jetzt, wieder in dieser Position zu sein?

Ich hätte damals den Vertrag noch ein Jahr gehabt, habe ihn aber aufgelöst. Es hatte Gespräche mit dem ÖTV gegeben, mich in einer anderen Funktion zu beschäftigen. Das hat sich dann allerdings nicht ergeben. Es wäre aber auch ein Rollenkonflikt gewesen, den ich nicht eingehen wollte. Darum habe ich meinen Posten zurückgelegt, auch mit meiner Arbeit in Linz wäre das einfach zu viel gewesen. Jetzt war es so, dass ich gefragt wurde, ob ich helfen möchte, weil der ÖTV im Umbruch ist. Ich stehe für diese eine Woche zur Verfügung, um das Fed-Cup-Team zu leiten und meine Erfahrung einzubringen. Ich glaube auch, dass das ganz gut ist, weil ich schon einige Jahre  dabei bin, und jemand der das zum ersten Mal machen würde, müsste sich doch erst mal einleben.

Man hört, dass Clemens Trimmel ein sehr strikter Typ war, bei dem sich alle an genaue Spielregeln und Zeitvorgaben zu halten hatten. Was für ein Typ ist Jürgen Waber?

Ich bin, glaube ich, ein sehr angenehmer und umgänglicher Mensch, und so möchte ich auch als Trainer und Coach sein. Ich denke, Druck und Stress machen sich die Spielerinnen schon genug. Ich sehe meine Aufgabe eher darin, dass ich eine positive und angenehme Atmosphäre schaffe, ohne jetzt groß Regeln aufzustellen, die die Spielerinnen in ihrer normalen Vorbereitung einschränken. Durch meine Erfahrung als Trainer habe ich gelernt, dass Spieler dann am besten sind, wenn sie sich so vorbereiten können, wie sie es wollen. Und da werde ich auch jedem freie Hand lassen.

Im letzten Jahr gab es während des Fed Cups in Budapest und auch danach einiges an Ärger. Zu guter Letzt wurde Patricia Mayr-Achleitner aus dem Team geworfen. Spürt man von diesen Ressentiments noch etwas?

Ich kann da nur von mir persönlich ausgehen. Ich habe mit allen Spielerinnen gesprochen und merke diesbezüglich gar nichts. Dass die Spielerinnen unter dem Jahr Konkurrentinnen sind und sich nicht jede mit jeder gleich gut versteht, ist, finde ich, völlig normal. Es ist wichtig, dass man dann im Team eine Atmosphäre schafft, wo jeder die Situation akzeptieren kann und jeder Zeit für sich selbst hat. Dann werden sich diese Spannungen auch in Grenzen halten, und das ist nicht anders als in jeder anderen Gesellschaft oder jeder anderen Gruppe auch.

Auch wenn offenbar alle anderen Spielerinnen ein Problem mit ihr hatten: Für dich war sofort klar, dass Patricia wieder ins Team zurück muss?

Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man versucht, das bestmögliche Team aufzustellen. Alles andere hat meiner Meinung nach überhaupt keinen Sinn. Und in zweiter Linie geht es darum, dass man schaut, welche Spielerinnen in Zukunft die Chance haben könnten, auch mal in die Situation zu kommen, international erfolgreich zu sein.

Die Krise im österreichischen Damentennis ist derzeit doch relativ klar ersichtlich. Es gibt aktuell keine Spielerin im Lande unter den Top 100 der Welt. Wie schätzt du die derzeitige Situation ein und wie siehst du die Zukunft?

Was die renommierten Spielerinnen betrifft, möchte ich schon nochmals in Erinnerung rufen, dass Tamira Paszek mit ihren 24 Jahren bereits jetzt eine der besten österreichischen Spielerinnen aller Zeiten ist. Sie hat Dinge erreicht, von denen andere nur träumen können. Ich glaube, dass beide, sowohl Tamira, als auch Patricia, zur Zeit unter ihrem Wert geschlagen werden. Die Patricia hat ein Jahr mit Verletzungen gehabt. Ich glaube, beide gehören in die Top 100, die eine oder andere vielleicht noch viel weiter nach vorne. Ich bin überzeugt, dass sich da die Sache auch wieder positiver entwickeln wird. Und was die Nachfolgenden betrifft – da gibt es auf einer Ebene eine Handvoll Spielerinnen, die versuchen international Fuß zu fassen. Ich sehe das so – je jünger desto besser. Die größte Chance, da mal die Lücke zu schließen, haben sicher die jungen Spielerinnen. Wenn man mit 23 oder 24 nicht in den Top 200 ist, wird es relativ schwierig, dass man da noch irgendwie eine Karriere schaffen kann.

Das Gespräch führte Stefan Bergmann.

von tennisnet.com

Dienstag
03.02.2015, 10:17 Uhr