Zwischen Zika-Virus und „Schweinis“ Hochzeit – Medienzirkus um „Angie“

Großer Bahnhof für Australian-Open-Königin Angelique Kerber vor dem Länderkampf in Leipzig.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 03.02.2016, 16:08 Uhr

Angelique Kerber - Fed Cup

Wie es auf einmal zugeht bei einer dieser langweiligen Pressekonferenzen vor einem Tennis-Länderspiel, dafür hat Andrea Petkovic natürlich den Spruch des Tages parat: "Früher sind da zwei Leute gekommen. Gefühlt hast du das auf dem Flur oder Klo gemacht", sagt die Darmstädterin, "jetzt geht's zu wie beim Schlussverkauf." Petkovic, Wort- und langjährige Anführerin des Porsche Team Deutschland, sieht sich an diesem Mittwochmittag im rappelvollen Pressezentrum der Leipziger Messe allerdings nicht in der sonstigen Hauptrolle. Sie wird zwar gelegentlich befragt, aber nicht zu sich selbst, sondern zu der Frau, die seit Samstagmorgen zum neuen deutschen Sportstar aufgestiegen ist. Und die nach ihrer wilden Parforce-Tour, einem Flug durch die Zeitzonen und über die Kontinente, dann noch einem Abstecher zu den Großeltern nach Polen, ziemlich ausgeschlafen, ziemlich vergnügt und einfach gut aufgelegt in Leipzig erschienen ist. "Ich lebe irgendwie immer noch in einem Traum", sagt Angelique Kerber , die Königin der Australian Open , im Blitzlichtgewitter, "es sind die schönsten Tage meiner Karriere, meines Lebens."

Kerber: Absage "in keinem Moment" ein Thema

Am Dienstagabend ist Kerber von Polen aus herübergekommen nach Leipzig - selbst vor dem Hotel des Teams, das am Wochenende in der ersten Runde gegen die Schweiz antritt, standen abends noch sieben Kamerateams, um die Ankunft der "Tennis-Göttin" in Augenschein zu nehmen. "Im Moment wird hier schon am großen Rad gedreht", sagt Hans-Jürgen Pohmann , der Pressesprecher des Deutschen Tennis-Bund, ein Mann, der immerhin auch Zeitzeuge der großen Becker- und Graf-Jahre war. Pohmann ist auch Zeremonienmeister bei der bestbesuchten Pressekonferenz, die es für das deutsche Tennis seit gefühlt zwei Jahrzehnten gegeben hat. Genau genommen gibt es sogar zwei Mediengespräche, erst eins mit dem kompletten Team und Barbara Rittner . Und dann noch eins mit Kerber, ein Soloauftritt für "Angie" also. Hat sie jemals daran gedacht, auf den Einsatz für Schwarz-Rot-Gold zu verzichten, nach all den Strapazen der letzten Tage, nach dem aufreibenden Siegeslauf und dem Finalkrimi gegen Serena Williams? "Nein", sagt Kerber ganz entschlossen, "in keinem Moment. Ich spiele gerne für Deutschland. Und ich fühle mich eben auch wohl mit den anderen Mädels."

Die allerdings haben nun eine ganz andere Rolle im großen Spiel, im Länderspiel, überhaupt im Mikrokosmos des deutschen Frauentennis. Sie sind die erstklassigen Beobachterinnen der großen Kerber-Show, in einer Randposition, aber trotzdem natürlich auch keine Statistinnen. "Alle müssen sich an den neuen Status quo gewöhnen", sagt Bundestrainerin Rittner, die jetzt an erster Stelle aufgefordert ist, das neue Zusammensein zu moderieren, eine natürlich und selbstverständlich veränderte Hackordnung. Wobei auch hier Andrea Petkovic die Dinge richtig und glaubhaft auf den Punkt bringt: Sie sagt, sie wäre natürlich auch gern in der Position Kerbers, wäre auch gerne Grand-Slam-Siegerin. Aber Neid, erklärt die beste Freundin Kerbers, das sei nun gar nicht in ihren Genen drin. "Ich gönne ihr den Erfolg von ganzem Herzen", sagt Petkovic, "es ist sogar eine Inspiration für mich. Ein Triumph, der mich in meiner Arbeit anspornt."

Medienprofi mit gewinnender Ausstrahlung

Neidisch muss Petkovic sicher nicht sein auf das, was da so alles an mehr oder minder bedeutsamen Fragen auf die liebe "Angie" einprasselt. Da ist natürlich das gewohnte Programm dabei, also die Frage, wie sie nun eigentlich mit dem Erfolg klarkomme, ob sie das alles schon realisiert habe, wie die Zukunft im Tennis nun aussehe. Aber Kerbers Triumph hat auch andere Berichterstatter auf den Plan gerufen, vom Boulevard zum Beispiel. So hat Kerber denn auch die Frage zu beantworten, wann denn Bastian Schweinsteiger und Ana Ivanovic zu heiraten gedenken, schließlich sei sie doch eine gute Freundin von Ivanovic. Gelächter im Saal, Kerber lächelt und verdreht die Augen. Dann geht es auch schon gleich ums Zika-Virus, Rio, die Olympischen Spiele, die möglichen Gefahren. "Davon habe ich noch nichts gehört", sagt Kerber. Und bewahrt vor den 60 Presseleuten und dem Dutzend Kamerateams eisern die Fassung.

Dies ist tatsächlich noch festzuhalten: Kerber hat sich über die letzten Tage und Wochen zum echten Medienprofi entwickelt. Selbst in der Endlosschleife der nicht neuen Fragen und nicht neuen Antworten macht sie mit gewinnender Ausstrahlung unaufdringlich Werbung für sich. Auch mit den netten Ausführungen zu Steffi Graf , der großen, ganz großen Vorgängerin. Schön sei es, "dass es nun wieder einen kleinen Boom gibt, fast so wie bei Steffi früher", sagt Kerber. Und berichtet, dass sich die Grande Dame auch nach dem Triumph von Melbourne noch einmal bei ihr gemeldet hat: "Sie hat gesagt: ‚Sei stolz auf dich. Deine harte Arbeit hat sich ausgezahlt.'" Kerbers Schlusswort im Medienzirkus, das gibt es auch noch: "Ab Donnerstag geht es nur noch um Tennis. Und da bin ich auch froh drum."

von tennisnet.com

Mittwoch
03.02.2016, 16:08 Uhr