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Federer bei den US Open: Von Roger Who zum König von New York

Roger Federer war noch ein bisschen verkatert von den Siegesfeierlichkeiten, als er am Morgen nach seinem ersten US Open-Triumph zum stundenlangen PR-Marathon startete. 

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 29.08.2019, 12:17 Uhr

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Es war im September 2004, Federer hatte das Finale gegen Australiens Rackerer Lleyton Hewitt souverän gewonnen, aber wer dieser junge Schweizer auf dem New Yorker Tennisthron war, wußte in den Weiten Amerikas keiner so recht. „Roger Who“ hatte eins der New Yorker Boulevardblätter sogar getitelt.

„Wir haben dann alle Frühstücksshows der großen TV-Sender abgeklappert“, erinnert sich Federer, „ich hatte das Gefühl, dass sie mich für ein Wesen von einem anderen Stern hielten.“ Ein Schweizer der Champion der Offenen Amerikanischen Meisterschaften, und nicht etwa Andy Roddick oder Legende Andre Agassi. Es schien verrückt.

Anderthalb Jahrzehnte ist das nun her, aber es wirkt, als lägen Lichtjahre zwischen dem Bemühen, dem aufstrebenden Federer Gesicht und Profil zu geben auf dem größten Tennismarkt der Welt. Und seinem Kultstatus im Hier und Jetzt.

Roddick: Roger Federer? "Er hat mir einiges versaut"

Federer ist längst der König von New York, ob er nun siegt oder nicht im Billie Jean King National Tennis Center – draußen vor den Häuserschluchten Manhattans, in Flushing Meadow. Betritt Federer dieser Tage den Centre Court oder auch nur einen Trainingsplatz, herrscht sofort Ausnahmezustand beim Grand Slam-Spektakel, die Verehrung für den 38-jährigen Maestro nimmt fast schon religiöse Züge an.

Jüngst, nach einer Übungseinheit Federers, musste eine ältere Dame vom Sanitätstrupp behandelt werden – dass Federer sich mit ihr zu einem Selfie aufgestellt und auch noch mehrere Autogramme geschrieben hatte, war zuviel für sie gewesen.

Roddick, der letzte amerikanische Grand Slam-Champion bei den Herren, ist dieser Tage zu Besuch in New York. Er hat am eigenen Leib erlebt, was es heißt, ein Generationsgenosse von Federer zu sein. Federer hat ihm die schönsten Titel weggeschnappt, wieder und wieder. Wie andere US-Spieler machte Roddick sogar die bittere Erfahrung, dass die amerikanischen Fans sich keineswegs kollektiv hinter den „Local Heros“, sondern irgendwann hinter Federer scharten – mit jedem Jahr mehr, in dem der Schweizer zum globalen Gesicht des Tennis wurde und zurück nach New York kam.

„Er hat mir einiges versaut in meiner Karriere“, sagt Roddick, der schon 2012 mit 29 Jahren in Rente ging, „aber es ist halt so: Roger kannst du deswegen nicht böse sein. Er ist einfach ein toller Kerl.“

Federer wird inzwischen der rote Teppich ausgerollt in New York. Er ist der größte Star des Turniers, größer noch als die polarisierende Serena Williams. Die Nachtsitzungen mit Federer sind die Show überhaupt, eine Mischung aus Livesport, Hollywood-Flair und Boulevardkino. In der größten Tennisarena der Welt, dem Arthur-Ashe-Stadion, geht jedesmal ein Beifallssturm los, wenn Federer nur erscheint.

Roger Federer: Exhibitions in Südamerika geplant

Danach wird mit dem Maestro gejubelt, gezittert und gebangt, so wie auch bei seinem Vier-Satz-Sieg am Mittwoch in der zweiten Runde. Niemand im Welttennis setze bei den Amerikanern inzwischen solche Emotionen frei wie Federer, sagt der frühere Weltranglisten-Erste Jim Courier, „die Leute haben ihn quasi als einen der Ihren adoptiert. Das kommt nicht häufig vor in diesem Land.“

Gemeinsam mit seinem amerikanischen Manager Tony Godsick streckt Federer mehr denn je die Fühler aus, um auf dem US-Markt Geschäfte zu betreiben. Im letzten Jahr lancierte das Duo auch die außereuropäische Premiere für den Laver Cup gezielt in Chicago, der Millionenmetropole, an der das große Tennis sonst eher vorbeizieht. Der Erfolg sei „gigantisch“ gewesen, schwärmte Federer hinterher, andere Stationen in den USA sollen folgen.

Viele Federer-Fans warten dieser Tage auch schon auf die Bestätigung mehrerer Schaukämpfe des 38-jährigen Superstars in Südamerika – Ende November in Chile, Argentinien und Mexiko. Angeblich sollen dann auch Alexander Zverev und Dominic Thiem mit von der Partie sein – pikanter Weise in jener Woche, in der das umstrittene Davis Cup-Finalturnier in Madrid stattfinden wird. 

Federer gewann von 2004 bis 2008 gleich fünf Mal hintereinander die US Open, er wurde rasch vom Niemand zur Überfigur auch in New York. „Tennis in dieser Stadt ist Tennis wie nirgendwo anders. Du stehst hier total unter Strom, die Atmosphäre ist elektrisierend“, sagt Federer. Inzwischen kann er nicht mehr einfach so durch die Straßen Manhattans schlendern, unerkannt, anonym.

Jeder weiß, wer er ist.

Der Tennis-König, der Meister aller Klassen. Nach seinem traumatischen Wimbledon-Scheitern gegen Djokovic wünschten ihm viele Fans nichts sehnlicher als den Sieg bei den US Open, sagt Tennisikone Chris Evert, „das ist der Traum, der hier geträumt wird.“ Wird er wahr, dieser Traum, wäre für Federer eine lange Durststrecke vorüber, seinen letzten Titel in New York gewann er vor elf Jahren.

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von Jörg Allmeroth

Donnerstag
29.08.2019, 14:25 Uhr
zuletzt bearbeitet: 29.08.2019, 12:17 Uhr

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