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„Jo war in allen Bereichen besser als ich“

Der 17-malige Grand-Slam-Sieger verlor in Paris im Viertelfinale gegen Jo-Wilfried Tsonga mit 5:7, 3:6, 3:6.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 04.06.2013, 21:07 Uhr

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Von Jörg Allmeroth aus Paris

Auf der Ehrentribüne knabberte Ehefrau Mirka verzweifelt auf den Fingernägeln, faltete immer wieder die Hände wie zum Gebet. Und Mutter Lynette daneben rief pausenlos „Come on, Roger“ hinunter in die Arena, auf den Roten Platz von Paris. Doch alles Hoffen und Bangen und Flehen half nichts, nicht an diesem finsteren French-Open-Tag für Roger Federer. Nicht bei einer schließlich formvollendeten Abfuhr, die der 17-malige Grand-Slam-Sieger auf dem ausverkauften „Court Central“ erlebte – beim 5:7,-3:6,-3:6-Viertelfinal-Knockout gegen den feurigen Franzosen Jo-Wilfried Tsonga.

Der wie berauscht ans Werk gehende Tennis-Ali versetzte dem einstigen Meister aller Klassen im Ringstaub von Roland Garros eine so klare Niederlage, dass man – etwas ungeschminkter und zugespitzter – auch von einem demütigenden Rausschmiss sprechen konnte. Niemals besaß der 31-jährige Maestro wirklich eine reelle Chance, um in die Runde der letzten Vier beim Höhepunkt der Sandplatzsaison einzuziehen – selbst Federer musste sich am Ende des Tages notgedrungen dieser Sicht der Dinge anschließen: „Jo war in allen Bereichen besser als ich. Es war eine krachende Niederlage. Aber ich fand, dass ich trotzdem noch ganz gut gespielt habe.“ Ganz gut war indes bei weitem nicht gut genug.

Tsonga verblüfft über schnellen Sieg

Vor zwei Jahren hatte Tsonga in Wimbledon das Kunststück vollbracht, als erster Spieler überhaupt einen 0:2-Satzrückstand bei einem Grand Slam gegen Federer wettzumachen. Doch im Hier und Jetzt, an einem endlich strahlend schönen, sonnigen Frühlingstag 2013 in Paris, war Tsonga weder zu einem magischen Comeback noch zu einer grandiosen Aufholjagd aufgerufen – ganz einfach, weil er vom 4:4 im ersten Satz bis zum verwandelten Matchball nach bloß 111 Minuten immer wie der Spieler erschien, der den Platz als Sieger verlassen würde. Tsonga war hungriger, zupackender, selbstbewusster, sicherer. Und er hatte den Mumm, die Courage und die Körpersprache, die nötig war, um die Herausforderung gegen Federer mit Prädikatsexamen zu bestehen. „Ich stand pausenlos mit dem Rücken zur Wand“, sagte Federer hinterher in seiner Pressekonferenz und wollte am liebsten gleich seinen Frieden mit dem Scheitern machen: „Es ist jetzt 30 Minuten her, dass ich verloren habe. Aber es ist auch schon wieder Vergangenheit. Ich blicke nach vorn, zum Turnier nach Halle. Darauf freue ich mich.“

Das wunderte auch nicht, denn die letzten Turnübungen im roten Sand waren so wenig erbaulich, dass es manchmal schon schmerzte, Federer dabei zuzusehen. Nur bis zu einer 4:2-Führung im ersten Akt des Dreiteilers vermittelte er den Eindruck eines Mannes, der auf der Höhe des Grand-Slam-Geschehens war. Doch mit der vergebenen Chance zu einer noch klareren Führung erlebte Federers Spiel einen jähen Bruch, eine Störung auch mentaler Natur, die nicht mehr zu reparieren war. „Danach war Tsonga nicht mehr zu bremsen“, erkannte Federer später, „er hat sich auch irgendwie tragen lassen von der Welle, von der Topstimmung im Stadion.“ Andererseits fiel das Tsonga auch ein gutes Stück leichter, weil Federer seltsam blass, fahrig und uninspiriert erschien – jedenfalls nicht wie einer, der eine Aufholjagd wie im Spiel zuvor gegen Simon auf den Platz zaubern könnte. Tsonga registrierte das mit einer gewissen Verblüffung und kam nach dem Match kaum aus dem Staunen heraus: „Dass ich gegen Roger in drei Sätzen gewinnen würde, habe ich nicht mal geträumt. Ich dachte, dass es eine ganz harte Sache würde.“

Leichte Fehler und fehlende Entschlusskraft

Federer tat dem Kraftpaket aber auch jeden möglichen Gefallen, mit schlecht platzierten Aufschlägen, mit serienweise leichten Fehlern, 34 insgesamt  – und, vor allem, der fehlenden Entschlusskraft in wichtigen Augenblicken. Von dem Federer, der früher wie selbstverständlich die Big Points in solchen Spielen einfuhr, war weit und breit nichts zu sehen. Symptomatisch dagegen der Moment, als der Schweizer drei Satzbälle im ersten Durchgang bei 5:6-Rückstand hintereinander abwehrte, von 0:40 auf Einstand zurückkam, um wenig später mit einem fatalen Rahmenball den Satz doch noch zu verlieren. „Das war schon ein Schlüsselmoment“, sagte Federer. Nur eben nicht zu seinen Gunsten.

Die große Wende, die mancher Federer-Anhänger insgeheim noch auf der Rechnung hatte, kam nie zustande. Wie auch, wo Federer überhaupt keinen Schwung entwickelte, sich selbst nie so richtig aufrüttelte, anfeuerte und innerlich motivierte. Die triste Wahrheit war: Der Weltranglisten-Dritte glaubte nicht mehr an diesen Umschwung. „Da war schon so ein Gefühl, dass es heute nichts mehr wird. Ich sah die Bälle nicht richtig, traf zu wenige gute Aufschläge.“ Und so war es dann auch final beschlossene Sache, das erst fünfte Ausscheiden vor einem Grand-Slam-Halbfinale seit den French Open 2004. Ein Ende, das selten so klar wie an diesem 4. Juni 2013.(Foto: Jürgen Hasenkopf)

Hier die Herren-Ergebnisse der French Open.

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Dienstag
04.06.2013, 21:07 Uhr