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French Open 2022: Ball paradox - Der serienweise Abschied der Topspielerinnen

Mit Ausnahme von Iga Swiatek ist keine einzige Top-Ten-Spielerin bei den French Open 2022 mehr vertreten.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 29.05.2022, 10:51 Uhr

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Auch Aryna Sabalenka ist in Roland Garros ausgeschieden
© Getty Images
Auch Aryna Sabalenka ist in Roland Garros ausgeschieden

Mit 52 Jahren feiert Stefanie Graf gerade noch einmal eine Premiere, als Titelfigur der deutschen „Vogue“. Während die besten Tennisspielerinnen der Welt gerade in Paris um die Sandplatz-Krone spielen, präsentiert sich die ehemalige Grand-Slam-Königin in blendender Erscheinung – und auch mit gewohnter Distanz zum Medienbetrieb: Die Rolle als Modefigur habe sie nicht übernommen, um im Mittelpunkt zu stehen, sondern Aufmerksamkeit für ihre Stiftungsarbeit zu schaffen. „Ich habe grundsätzlich wenig Bedürfnis nach Öffentlichkeit“, sagt Graf im „Vogue“-Interview.

Als Graf vor 30 Jahren im Stadion Roland Garros aufschlug, stand sie noch mittendrin im größten Trubel von Presse, Funk und Fernsehen. Und die Tenniswelt, ihr ureigenes Terrain, funktionierte noch nach ganz anderen Gesetzmäßigkeiten. Einige wenige Spielerinnen hielten das Heft des Handelns und die Hoheit über Grand Slam-Entscheidungen fest in der Hand. Dass, wie aktuell bei den Internationalen Französischen Meisterschaften, neun von zehn Topspielerinnen bereits nach der ersten Turnierwoche ausscheiden würden, war damals undenkbar. Das Endspiel unterm Eiffelturm 1992 bestritten, fast selbstverständlich, die Nummer 1 und die Nummer 2, Monica Seles und Stefanie Graf, seinerzeit für alle noch Steffi. Seles gewann, Drama pur, in drei Sätzen, der finale Akt ging mit 10:8 an die Amerikanerin.

Kann Swiatek ihren Paris-Sieg von 2020 wiederholen?

In der Gegenwart könnte sich, vielleicht, vielleicht, die Dominanz einer hochbegabten Spielerin ausbilden. Iga Swiatek, die zupackende Polin auf der Pole-Position, ist gerade in der Form ihres Lebens, 31 Spiele und fünf Turniere hintereinander hat sie gewonnen. Viele ihrer Siege auch auf Sand erinnern an die Überlegenheit, die einst Seles, Graf oder auch Arantxa Sanchez-Vicario bei den strapaziösen Rutschpartien ausstrahlten. Paris hat Swiatek schon einmal gewonnen, 2020, bisher steht sie in jüngerer Vergangenheit allerdings in einer Reihe von Gewinnerinnen, die ihren Premierencoup nicht wiederholen konnten – ob nun Garbine Muguruza, Jelena Ostapenko, Simona Halep, Ash Barty oder Barbora Krejcikova. 

Bis auf die zurückgetretene Australierin Barty gehörten all die anderen zurückliegenden Gewinnerinnen zu jenen, die mit für die erstaunliche Pleitenbilanz der Topspielerinnen in der ersten Turnierwoche 2022 sorgten, beim Grand-Slam-Ball paradox. Auch wenn es nur einmal in den letzten zwei Jahrzehnten ein ähnliches Desaster des Top Ten-Establishments gab – in Wimbledon 2018 -, ist der Trend zur großen Unberechenbarkeit im Frauentennis dennoch nachhaltig. Denn seit dem langsamen Rückzug von Dominatorin Serena Williams erscheint die Szene als Quell der fortlaufenden Überraschungen, auch als sportliches Biotop, in dem Spielerinnen kurz schnell aufsteigen und dann wieder schnell zurückfallen. Die vielen Sensationssiegerinnen der letzten Jahre bleiben kaum in Erinnerung.

Justine Henin - die letzte beherrschende Spielerin

Als Graf vor 25 Jahren ihren ersten von 22 Grand Slam-Titeln in der roten Pariser Asche gewann, war sie schnell Teil einer feinen Elitegruppe, die sich die Roland Garros-Titel und andere Grand-Slam-Pokale entschlossen aufteilte. Von 1982 bis 1999 gewannen nur fünf Spielerinnen 17 der 18 Titel (Martina Navratilova, Chris Evert, Graf, Seles, Sanchez-Vicario), einzig der Kroatin Iva Majoli galng 1997 ein echter Überraschungscoup. Graf beendete ihre Karriere 1999 mit dem sechsten Tuniererfolg, im denkwürdigsten ihrer Finals gegen Martina Hingis. Anschließend gab es nur noch eine Spielerin, die eine beherrschende Stellung einnahm in Paris – die Belgierin Justine Henin, die 2003 und 2005 bis 2007 vier Siege holte. 

Iga Swiatek nun als letzte Aufrechte nach dem Abschied von neun anderen Top Ten-Spielerinnen – und bei den Herren? Das genaue Gegenteil: Die ersten neun der Rangliste erreichten allesamt das Achtelfinale, die Nummer 10, der Italiener Matteo Berrettini, ist wegen einer Verletzung in Paris nicht am Start. Große Tippgewinne gab es für die Tenniszocker bisher jedenfalls nicht bei Djokovic, Nadal und Co..

Hier das Einzel-Tableau der Frauen

von Jörg Allmeroth

Sonntag
29.05.2022, 13:50 Uhr
zuletzt bearbeitet: 29.05.2022, 10:51 Uhr