French Open 2022: Von Angesicht zu Angesicht
Einfach mal ein paar Pressekonferenzen besuchen. Gesagt, getan. Geworden sind es Jessica Pegula und Daniil Medvedev. Kann man nur empfehlen.
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
29.05.2022, 13:23 Uhr

Von Jens Huiber aus Roland Garros
Grand-Slam-Turniere laden dazu ein, sich auch einmal SpielerInnen näher zu widmen, die man sonst nicht so ganz auf dem Radar hat. Was bei Jessica Pegula schon längst hätte passieren sollen, die US-Amerikanerin spielt eine sehr starke Saison, hat zu Beginn des Jahres bei den Australian Open das Halbfinale erreicht. Aber von Angesicht zu Angesicht in einer Pressekonferenz? Da folgt man doch auf Verdacht dem Reporter der Süddeutschen Zeitung in den PC2 und stellt fest, dass das Interesse der US-amerikanischen Kollegen nicht überwältigend ist: Ein Mann der New York Times, plus zwei weitere Journalisten plus eine Expertin, die sich hauptsächlich für die WTA verdingt - das dünkt für eine Frau, die gerade das Achtelfinale bei einem Major erreicht hat, wenig.
Vielleicht liegt es ja daran, dass die US-Amerikaner gerade aus dem Vollen schöpfen, Pegula spricht auch ständig Coco und Amanda an, die Sportskameradinnen Gauff und Anisimova also, denen sie beiden viel zutraut. Mit Gauff tritt Pegula auch im Doppel an, entstanden ist diese Liaison aus puren Zufall in Doha, nach dem dortigen Turniersieg haben die beiden eine Teilnahme bei den WTA-Finals im Visier. Wo auch immer diese stattfinden werden. Pegula erzählt also über Buffalo, wo sie wohnt und wo ihr Vater Terrence zwei professionelle Sportteams besitzt (die Bills und die Sabres), es spricht eine erfahrene, verheiratete Frau von auch schon 28 Jahren, die sich um ihre Zukunft keine Sorgen machen muss.
Medvedev ist einfach ein Tennisfan - und ein Kosmopolit
Apropos: Gleich nebenan im größeren Presseraum hat wenige Minuten zuvor Daniil Medvedev seine Gesprächsrunde absolviert. Von finanziellen Engpässen wie bei manchen Doppel-Veteranen ist auch beim Weltranglisten-Zweiten natürlich schon lange nicht mehr die Rede. Medvedev strahlt ein Charisma aus, das der geneigte Beobachter auf dem Court leicht übersieht (Dazu ein Hinweis: Im Eurosport Player lassen sich die Pressekonferenzen live mitverfolgen. Neben Medvedev sind auch Alexander Zverev, Iga Swiatek und Novak Djokovic immer Kandidaten, die man sich nicht entgehen laseen sollte. An guten Tagen auch Coco Gauff und Madison Keys … Andrea Petkovic immer und überall). Medvedev ist aufmerksam, wach, witzig, geht auf die Fragen ein, die man ihm stellt. Und wenn nicht, dann umschifft er diese geschickt.
Politisch wird von ihm nichts mehr kommen, am Samstag meinte er immerhin, dass für ihn die Nationalitäten in der Umkleide ohnehin keine Rolle spielten. Klar, mit Andrey (Rublev) und Karen (Khachanov) verbinde ihn schon länger eine Freundschaft, aber wer Medvedev so zuhört, der nimmt ihm bereitwillig ab, dass er mit allen Kollegen gut auskommt (mit Ausnahme von vielleicht Stefanos Tsitsipas - das zeigt die gemeinsame Geschichte).
Alles möchte Daniil Medvedev dann aber doch nicht von sich preisgeben. Die Kameras des Streaming-Dienstes Netflix lässt er nicht so nah an sich herankommen wie andere KollegInnen - anschaulich erklärt am Beispiel von Aryna Sabalenka, deren eingeschränkte Privatsphäre er nicht in Kauf nehmen würde. Aber andererseits, hey: Er wüsste von 95 Prozent der anderen Spieler auf die Tour nicht, wie sie wohnten und was sie neben dem Patz so treiben. Anschauen werde er sich die Netflix-Serie auf jeden Fall. Als Tennisfan.