Ernests Gulbis - Querkopf, Sprücheklopfer, Provokateur

Ernests Gulbis ist das Enfant terrible im Tennisbusiness und sorgt immer wieder mit provokanten Aussagen für Aufsehen.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 31.05.2014, 10:48 Uhr

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Von Jörg Allmeroth aus Paris

Eigentlich war die Pressekonferenz mit Ernests Gulbis schon vorbei, als noch jemand ganz harmlos von ihm wissen wollte, was er über eine Tennis-Karriere seiner beiden jüngeren Schwestern denke. Und auf einmal war er doch noch mal in seinem Element, der berühmt-berüchtigte Sprücheklopfer, der Provokateur, der politisch unkorrekte Querdenker: „Ich hoffe nicht, dass sie auf die Tour kommen. Ich kann es ihnen nicht empfehlen. Eine Frau muss sich Gedanken machen, eine Familie zu gründen", sagte Gulbis mit gewohnter Direktheit und Offenherzigkeit, „aber wenn man bis 27 Tennis spielt, kann man an Kinder nicht denken." Rumms, das saß. Was folgte, war erst betretene Stille im großen Interviewraum von Roland Garros, später dann aber ein mediales Gewitter im Internet-Kosmos, ein Aufschrei der Empörung in den sozialen Netzwerken. Tenor: Gulbis, der Macho. Gulbis, der Sexist, Gulbis, der Mann von Vorvorgestern.

Beliebt nur in Internetblogs, nicht auf der Tour

Langweilig wird es einem keinesfalls mit dem 25-jährigen Letten, der seit seinem Einstieg ins Tennis-Business auch immer für denkwürdige Eklats und Skandal-Schlagzeilen gut gewesen ist. Nach vielen Flegeljahren allerdings ist der Möchtegern-Champion nun erstmals auch drauf und dran, in seinem Kerngeschäft Tennis für Aufsehen und spektakuläre Siege zu sorgen: Nach zwei Turniererfolgen in diesem Jahr in Marseille undNizza(direkt vor denFrench Open) rauschte der Kraftmeier souverän durch die erste Grand-Slam-Turnierwoche und darf sich an diesem Sonntagnun der Herausforderung einer Achtelfinalverabredung mit Roger Federer stellen. Ach, Federer, war da nicht was? Doch, da war etwas. Vor genau einem Jahr hatte Gulbis ihn, den Maestro und Meister aller Klassen, aber auchRafael NadalundNovak Djokovic, in der schwerwiegendsten verbalen Brandstiftung als „Langweiler" bezeichnet und dann noch eins oben drauf gesetzt: „Unserem Sport fehlen die Charaktere." Allzu geschliffen seien die Äußerungen der Superstars, so Gulbis, „da gibt es gar keine Ecken und Kanten."

So richtig ernsthaft diskutiert wurden Gulbis´ Anstöße und
Anstößigkeiten allerdings nicht, weil man ihn in der Tenniswelt auch gern als Spinner, Querulanten und Typen abtat, als verzogenen Sprössling reicher Eltern, der sich jedwede Meinung leisten könne. Das eigentliche Problem des Letten aber war seine eigene verschluderte Karriere, dieses Herumvegetieren im grauen Mittelmaß, das Versagen in beinahe jedem wichtigen Match - wer wollte da eigentlich von diesem dauernd Scheiternden noch hören, was er zu Gott und der Welt zu sagen hatte. Nur wenige im Wanderzirkus verbargen gar ihre Schadenfreude, als Gulbis sogar einmal in Stockholm in U-Haft geriet, weil er verbotener Weise Kontakt zu einer Prostituierten angebahnt hatte. „Beliebt ist Ernests nur in Internetblogs und bei Leuten, die dicke Schlagzeilen lieben. Nicht auf der Tour", sagte damals ein Profikollege.

Disco-Abenteuer bei Niki Pilic

Jetzt scheint Gulbis noch irgendwie die Kurve gekriegt zu haben, jedenfalls vorerst und in dieser Saison. Und das hat vielleicht auch mit dem strengen österreichischen Erfolgscoach Günter Bresnik zu tun, der die Blicke des Enfant terrible aufs Tennisbusiness gerichtet hat. Lustig genug, dassder vielbelesene, intelligente Gulbis(er ist nach dem Schriftsteller Ernest Hemingway benannt) erst so spät auf den Dreh kam, dass es irgendwann einmal zu spät sein könne mit einer anständigen Laufbahn im Profitennis: „Ich merkte, dass mir die Zeit davonläuft. Ich musste mich mehr anstrengen, disziplinierter sein." Jedenfalls auch disziplinierter als in den Jahren, die er einst bei Niki Pilic in dessen Münchner Akademie verbrachte - da konnte es schon mal passieren, dass Gulbis morgens bei dem Altmeister anrief und sagte, er könne nicht zum Training kommen, weil er in der Disco sei. Fragte Pilic dann nach, was er zu dieser Zeit in der Disco mache, entgegnete Gulbis: „Ich bin immer noch da." Nach einer langen Nacht.

Damals in München war auch ein gewisser Novak Djokovic bei Pilic als Schüler zu Gast. Ein deutlich ehrgeizigerer und disziplinierterer Schüler, wie Gulbis rückblickend weiß: „Er hatte eine superklare Vorstellung von seiner Karriere. Er war schon erwachsen, als er noch ein halbes Kind war - unglaublich fixiert auf das Tennis. Ich war in einer ganz anderen Geschwindigkeit unterwegs." Ist auch er nun endlich oben angekommen, der Hochbegabte mit dem losesten Mundwerk aller Berufsspieler? „Ich arbeite so hart wie nie zuvor", sagt Gulbis, „mir macht es einfach Spaß, erfolgreich zu sein." Mit der neuen Schlagkraft fallen plötzlich auch Themen nicht mehr so sehr ins Gewicht, wie etwa die Frage, ob Gulbis nun gelegentlich mit dem Privatjet des Vaters zu Turnieren reise. Gulbis merkt das auch selbst: „Ich werde als Tennisspieler wahrgenommen, als nichts sonst. Das ist eigentlich sehr erfreulich." Federer kündigte er vorsorglich schon mal einen harten Kampf an: „Ich gehöre nicht zu denen, die mit Angst auf den Court gehen, wenn sie gegen einen wie ihn spielen", so der Lette, „mir macht es Spaß, die Großen zu stürzen.

von tennisnet.com

Samstag
31.05.2014, 10:48 Uhr