"Der Dominic ist ja kein Trottel"

Der Thiem-Trainer beschreibt seinen Schützling als sehr eifrig und lernwillig – nur die Erfahrung fehle eben vor allem noch…

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 27.09.2011, 17:52 Uhr

Nur zwei Punkte haben Dominic Thiem in Bangkok zur großen Sensation gegen Jarkko Nieminen und dem ersten Sieg auf der ATP-Tour gefehlt.tennisnet.com sprach mit dem Coach von Österreichs größter Nachwuchshoffnung, Günter Bresnik. Hier das Interview.

Hand aufs Herz, Günter: Hast du damit gerechnet, dass dein Schützling einen Spieler wie Nieminen so fordern kann?

Nach den letzten Wochen ist es nicht zu erwarten gewesen. Ihm ein gutes Match gegen solche Leute zuzutrauen, das tue ich schon, und zwar schon seit letztem Jahr. Das hat er ja auch in der Wiener Stadthalle gegen Marsel Ilhan gezeigt. Aber ich bin natürlich enttäuscht, dass er es nicht gewonnen hat.

Da wird’s ihm dabei ähnlich gehen…

Ja. Laut seinem Vater Wolfgang ist er wirklich sehr enttäuscht, er ist nicht und nicht aus der Umkleide rausgekommen und hat sich unter seinem Handtuch versteckt. Man fragt sich nach dem Match natürlich: Warum hat er solche Chancen ausgelassen? Er war wieder sehr knapp dran, aber er hat’s wieder nicht gewonnen, ohne dass man an bestimmten Bällen oder Fehlern die Schuld suchen kann.

Begonnen hat das Match ja nicht allzu gut. Hast du schon mit einem bösen Abschuss gerechnet, als Nieminen im zweiten Satz gleich wieder einen Breakball hatte?

Nein. Und wenn er das Match 1:6, 2:6 verliert, rege ich mich auch nicht auf.

Was überwiegt jetzt: Bist du mehr begeistert von dem Auftritt nach dem ersten Satz oder mehr enttäuscht, dass es so knapp nicht mit dem Sieg geklappt hat?

Ich bin nicht enttäuscht von ihm, aber traurig, auch für ihn selbst, weil ich weiß, wie wichtig das für ihn gewesen wäre, das zu gewinnen. Aber es ist okay, er hat in den Trainings davor und heute im Match gut gespielt, absolut entsprochen und Leistung gebracht.

Was hat dir am meisten an ihm gefallen?

Zum einen mal sein gesamter Auftritt. Ein unerfahrener Spieler wie er, sein jugendliches Aussehen und kindhaftes Verhalten, das ist alles sehr sympathisch rübergekommen. Vom Tennis her seine Vorhand, er hat gezeigt, was er damit anstellen kann. Auch wenn er am Anfang und Ende viele Fehler damit gemacht hat, wegen denen er die Partie dann vielleicht auch verloren hat. Aber wenn man die TV-Kommentatoren sagen hört „deadly shot“ oder sie Nieminen raten, „stay away from his forehand“, weiß man, dass das nicht nur Einbildung ist und dass selbst Leute, die ihn zum ersten Mal spielen sehen, das registrieren. Man sieht, dass er auch servieren und eine Rückhand spielen kann, und er hat auch ein paar Mal gut volliert.

Mit dem heutigen Match wird sich Dominic wieder auf die Notizzettel von einigen Leuten geschrieben haben, oder?

Ich glaube nicht, dass irgendwer, der sich mit diesem Sport ernsthaft beschäftigt, ihn noch nicht kennt.

Inwieweit ist das enge Ergebnis auch auf die Launen von Nieminen zurückzuführen?

Der hat für mich keine Launen. Der ist ein gestandener Profi, und das seit Jahren. Schon vor dem Match beim Aufwärmen hat man gesehen, wie gut der beisammen ist. Der hat sich im Match auch sicher nicht aus Mätzchen heraus behandeln lassen. Der macht taktisch keine Blödheiten. Was mich aber selbst beeindruckt hat, ist, dass er teils mit dem Tempo von Dominic überfordert war. Mit den zweiten Aufschlägen von Nieminen hätte der „Domi“ allerdings mehr machen müssen. Und man muss besser servieren, um gegen jemanden wie Nieminen nicht immer ins Straucheln zu kommen.

Was sind denn die größten Kritikpunkte an Dominics Auftritt?

Es ist immer ungut, zu kritisieren, wenn einer selber enttäuscht ist nach einer guten Leistung. Wir wissen, wo der Hebel anzusetzen ist. In einer Zeit, zu der er eigentlich schlecht spielt, hat man gesehen, zu welcher Leistung er imstande ist. Natürlich fragt man sich da: Warum ist das so? Ich werde ihn mir dann schon zur Brust nehmen, wenn er wieder da ist. Manchmal ist er einfach zu bequem und lasch. Das aber nicht falsch verstehen, er ist ein fleißiger Arbeiter.

Wobei ist er dann „zu bequem und lasch“?

Wenn er glaubt, er kann gewisse Dinge schon. Aber zwischen der Vorstellung eines Spielers und jener eines Trainers ist es oft ein Riesen-Spagat. Er kann ja zum Beispiel die Vorhand, aber er verschlägt auch viele, bis zum wirklichen Können ist es ein weites Stück. Im ersten Satz hatte er etwa nur 41 Prozent erste Aufschläge im Feld. Wenn er regelmäßig mindestens 60 Prozent reinbringt, sag ich, er kann’s. Laut seinem Vater Wolfgang waren die schnellsten Aufschläge um die 210 km/h, die nach außen im Schnitt mit 170, 180 km/h – das ist vom Tempo her okay, aber die Quote muss einfach höher werden.

Auffallend ist, dass er bei etlichen Fehlschlägen völlig aus dem Gleichgewicht ist, oder?

Es waren zwar auch viele lange Rallyes dabei, bei denen er lange dagegengehalten hat und die er dann oft sogar noch mit einem Winner abgeschlossen hat. Aber generell ist im körperlichen Bereich hoher Aufholbedarf, da muss viel gemacht werden. Bezüglich des Gleichgewichts geht’s da vor allem um die Stabilisation im Rumpfbereich. Auch von der Kraft in den Beinen muss er aufholen. Die Schnelligkeit ist hingegen schon super, das hat man auch im Fernsehen gesehen, an welchen Bällen er überall noch dran ist.

Auch wenn’s noch viel Arbeit gibt: Darf man als Coach trotz einer Niederlage zufrieden sein? Und bist du’s in dem Fall?

Seine Vorstellung war gut, aber glücklich kann ich so nicht sein. Da wäre ich ein schlechter Trainer. Brav mitspielen ist als Anspruch auf Dauer zu wenig. Aber er hat gegen einen sehr guten Spieler eine sehr gute Leistung gebracht. 15 bis 20 solche Matches noch, dann muss man beim Grund der Niederlage wenn, dann woanders suchen als bei mangelnder Erfahrung.

Hat man da in Österreich bei nur zwei ATP-Turnieren pro Jahr einfach einen Nachteil?

Ja, man hat eben Gelegenheiten wie diese weniger oft als Spieler aus Frankreich, Australien, den USA, Großbritannien und so weiter. Da hat’s zum Beispiel ein Oliver Golding besser, der gewinnt dann die US Open bei den Junioren, auch weil er das ganze Jahr über immer wieder Wildcards auf höchster Ebene bekommt, das ist ein riesiger Vorteil in der Entwicklung.

Wie weit ist Dominic in seiner Entwicklung denn schon? Wie ist das Ergebnis jetzt einzuordnen? Wo steht er wirklich?

Momentan zwischen 300 und 500, würde ich sagen. Das Niveau spielt er, die Leute in dem Bereich schlägt er teilweise. Aber dass er jetzt hergeht und die Futures reihenweise gewinnt, das tut er noch nicht. Würde er immer so spielen wie gegen Nieminen, gäbe es die ganzen Niederlagen der letzten Monate nicht.

Da hat er teils gegen Gegner jenseits der Top 1000 im ATP-Ranking verloren. Ist man zu hart mit dem Jungen, wenn man sagt, dass er teils so konstant wie das Wetter ist?

Na ja, das Wetter ist manchmal sicher konstanter. Aber er ist sehr eifrig und lernwillig, er ist ja kein Trottel, der kapiert das alles sehr schnell, was da abgeht. Vor kurzem ist er noch mit Mama und Oma zu den Turnieren gereist, das ist jetzt vorbei. Er lernt es nur über die Turniere und wenn man da mit einem Spieler vor Ort ist und gleich nach einem Match auf gewisse Dinge eingeht. Daher gilt’s jetzt dementsprechend die Betreuung auf ein so gutes Niveau zu bringen, wie es seine spielerischen Fähigkeiten jetzt schon sind. Was er vor allem noch so braucht, hat weniger mit dem Tennis an sich zu tun, man kann nur im Training einfach die fehlende Erfahrung nicht wettmachen.

Auf Challenger-Ebene hat Dominic schon im Vorjahr ein Match gewonnen. Wieviel fehlt ihm noch zum ersten Sieg auf der ATP-Tour – außer wie gegen Nieminen zwei Punkte?

Das hängt vom Gegner ab. Aber Top-100-Niveau hat der „Domi“ noch nicht. Er kann auch nicht von Platz 1848 sofort auf ein 100er-Niveau springen. Aber ich schätze, dass er in einem Jahr auf ATP-Level mitspielen kann – und auch gewinnen kann.

Ein weiterer deiner Schützlinge, Dennis Novak, hat bei den Junioren auch aufgezeigt, hat aber heuer trotz dreier Future-Hauptbewerbs-Wildcards noch keinen ATP-Punkt geholt. Wie weit ist er noch von solchen Leistungen, wie sie Dominic da zeigt, entfernt?

Dominic spielt ja auch nicht immer so gut wie heute, aber grundsätzlich könnte Dennis die Punkte schon lang haben, die Qualität dafür hat er. Er hat noch keinen, weil er zwei Mal ganz unnötig und deppert verloren hat, aber er ist sicher auch auf dem richtigen Weg. Im Soge von Dominic wird sich das alles hoffentlich schnell bewerkstelligen lassen. Die beiden können sich da schnell nach oben schaukeln in einer Gruppe mit vielleicht noch ein, zwei weiteren Leuten. Die lassen sich da von solchen Rückschlägen nicht aufhalten, wenn man über einen so langen Zeitraum so viel Training und Energie hineinsteckt.

Wie geht’s bei Dominic jetzt weiter?

Heute Nacht fliegt er zurück nach Österreich, morgen wird er erst mal Pause machen, ab Donnerstag ist dann wieder Training. Da werden wir an den Sachen arbeiten, die man in Bangkok gesehen hat. Danach wird er hoffentlich in der Stadthalle spielen können.

Sind ihre Hoffnungen größer geworden, dass Dominic dort nach dieser Leistung doch noch eine Hauptbewerbs-Wildcard bekommt?

Ich weiß, dass sich Herwig Straka sehr bemüht, der mag den Dominic auch, schätzt ihn und seine Leistungen richtig ein, Muster mag ihn ebenfalls – wenn die Möglichkeit besteht, kriegt er die Wildcard wohl. Wenn aber ein Roddick oder ein Federer kurzfristig anfragen, werden die natürlich die Wildcard kriegen. Das wird sich alles erst kurz davor entscheiden. Muster und Haider-Maurer eine zu geben, finde ich in Ordnung, nur wenn sie irgendein zweitklassiger abgetakelter Ex-Spieler statt Dominic bekäme, würde mir das zu denken geben.(Foto: GEPA pictures/ Hans Osterauer)

Das Gespräch führte Manuel Wachta.

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Dienstag
27.09.2011, 17:52 Uhr