"Ich habe keine Angst!"

Kevin Krawietz ist einer, der Deutschlands Tenniszukunft prägen könnte. In München atmet er zum zweiten Mal Profiluft.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 02.07.2010, 09:52 Uhr

Von Jörg Allmeroth

Es gibt Erlebnisse, die kein Geld der Welt kaufen kann. Und so ein magisches, unvergeßliches, einfach unbezahlbares Erlebnis hatte der junge Kevin Krawietz am späten Sonntagabend des 5. Juli 2009 im feinen Hotel Intercontinental im Herzen von London. Es war schon nach Mitternacht, als er, der frischgebackene Junioren-Wimbledonsieger im Doppel, auf einmal von Roger Federer begrüßt wurde, mit dem Schweizer Maestro einen kleinen Smalltalk vor surrenden Kameras hielt und dann noch zum gemeinsamen Erinnerungsfoto posierte – Krawietz links von Rekord-Grand Slam-Sieger Federer, sein französischer Doppelpartner Pierre-Hughes Herbert rechts von Federer.

„Es war wie im Traum. Einfach sensationell. Das war der I-Punkt auf dieses Klasseturnier“, sagt der 18-jährige Coburger, der zu einer der ernstzunehmendsten Zukunftshoffnungen des deutschen Tennis aufgestiegen ist. „Er hat einen sehr guten Aufschlag, spielt sehr variabel und druckvoll“, sagt Bundestrainer Peter Pfannkoch über den Youngster, der in der Münchner TennisBase des BTV (Bayrischer Tennis Verband) arbeitet, „und er geht auch gerne und selbstbewußt ans Netz.“ Bei den BMW Open schnuppert Krawietz nun erneut hinein ins Erwachsenentennis. Im Einzel war jedoch schon nach der ersten Runde Schluss. Der Tscheche Tomas Berdych war eine Nummer zu groß den Jungspund. Krawietz wurde mit 1:6, 1:6 aus dem Turnier geschickt. Im Doppel hingegen (gemeinsam mit Philipp Kohlschreiber) hat er weiterhin alle Chancen.

Dem rasanten Aufschwung in der Junioren-Weltrangliste, der schon einmal bis auf Platz 10 führte, verdankte Krawietz auch seinen ersten, keineswegs enttäuschenden Ausflug ins große Tennis des ATP-Wanderzirkus, im Sommer 2009. In Wimbledon war German Open-Turnierchef Michael Stich auf den zupackenden, sympathischen Teenager aus Oberfranken aufmerksam geworden, und so lud der ehemalige Rasen-Champion das Talent kurzerhand mit einer Wild Card zum Wettbewerb an den Rothenbaum ein. Zwar verlor Krawietz gegen den unbequemen Routinier Jan Hernych aus Tschechien (Nr. 83 der ATP) in drei hartumkämpften Sätzen, doch wie sich der athletische Youngster nach ersten Eingewöhnungsschwierigkeiten dann schlug bei der Premiere, das machte Mut für kommende Profizeiten. „Supermatch“, habe ihm Philipp Kohlschreiber nach dem Match zugeraunt, erinnert sich Krawietz: „Ich war auch selbst schon ganz zufrieden mit mir.“

Seine Tennisheimat hat Krawietz in der TennisBase des Bayrischen Tennis-Verbandes in Oberhaching – mit 16 zog er von Coburg nach München um und hofft nun, in den Spuren anderer Internatszöglinge wie Florian Mayer und Philipp Kohlschreiber zu wandeln. Mit Klaus Langenbach steht ihm einer der kenntnisreichsten Trainer Deutschlands zur Seite, ein erfahrener Mann, der einst auch schon im Nachwuchsteam von Boris Becker tätig war. Krawietz hielt schon mit vier Jahren den Schläger in der Hand, beim harmlosen Ballwechsel mit Papa Rudi. Bald wurde aus dem Spaß aber schon eine Passion, und nicht lange nachdem der kleine Kevin beim TC Coburg angemeldet war, schälte sich das aussergewöhnliche Talent heraus. Die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten, ob bei Regionalmeisterschaften, Landesmeisterschaften oder auch Deutschen Meisterschaften. „Kevin ist schon ganz lange auf unserem Radar. Dass er jetzt so stark aufspielt, ist erfreulich – aber keine Überraschung“, sagt DTB-Mann Peter Pfannkoch, „ich glaube, wir werden noch eine ganze Menge Gutes von ihm sehen.“

Im internationalen Jugendcircuit hat Krawietz sozusagen das Praktikum fürs Erwachsenentennis absolviert, auch an die langen Reisen in ferne Kontinente und ans wochenlange Herumziehen mit der Tenniskarawane hat er sich gewöhnt. „Heimweh“, sagt er, „spüre ich eigentlich nicht. Dazu macht mir das Tennisspielen rund um die Welt einfach zuviel Spaß.“ Die Abstecher in die Heimat, zu den Eltern, zu den Freunden und der Verwandtschaft, genießt der junge Tennis-Abenteurer gleichwohl – zumal, weil er spürt, wie sehr sich daheim alle mit ihm und seinen Erfolgen freuen. Als er nach dem Wimbledon-Coup heimkam nach Coburg, war richtig was los in der Stadt. An Garagen und Balkonen in den Nachbarhäusern hingen die Plakate, auf denen der neuerdings prominente Sohn der Stadt stolz gegrüßt wurde. Und im Regionalprogramm TV Oberfranken stand der Siegertyp freundlich und schon recht abgebrüht Rede und Antwort zum Triumph im grünen Tennismekka von London.

Nun will sich Krawietz immer näher rantasten an die große Tour, an dieses ungewisse, anspruchsvolle, aber auch spannende Leben im Profitennis. „Ich habe keine Angst vor dem, was mich erwartet“, sagt Krawietz, „ich gehe mit Zuversicht in diese neue Zeit.“

von tennisnet.com

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02.07.2010, 09:52 Uhr