ITF: Läuft es wieder auf David Haggerty hinaus?
An diesem Freitag wird in Lissabonn über den Posten des ITF-Präsidenten abgestimmt. Amtsinhaber David Haggerty hat während der vergangenen Jahre nur wenige gute Argumente für sich sammeln können.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
26.09.2019, 12:44 Uhr

Wenn die Delegierten aus 155 Mitgliedsländern der ITF am Freitag in Lissabon entscheiden, wer der nächste Präsident des Tennis-Weltverbands wird, dann müssten sie sich zuallererst eine Frage stellen: Warum sollte ich, warum sollten wir den Amtsinhaber David Haggerty (USA) auf seinem Posten bestätigen, ihm eine zweite Amtszeit zugestehen?
Manch kleinerer Verband wird darauf verweisen, dass es doch Haggerty war, der mit seinem buchstäblich sagenhaften Davis Cup-Deal für neue Einnahmequellen gesorgt hat – vermeintlich sogar für die nächsten Jahrzehnte. Schließlich ist der Vertrag der ITF mit dem nicht ganz transparenten Konsortium Kosmos über 25 Jahre abgeschlossen, er soll insgesamt drei Milliarden US-Dollar in die Kassen des Weltverbandes und seiner Unterorganisationen spülen, aber natürlich auch auf die Konten der Profis.
Die ITF steht so schlecht da wie noch nie
Und sonst? Wo steht der Weltverband, vier Jahre nach Haggertys Übernahme des Chefpostens von Francesco Ricci-Bitti? In Wahrheit steht der Weltverband so schlecht da wie seit langem nicht mehr, im großen Machtspiel der verworrenen Tenniswelt ist er gerade in der bestenfalls zweiten Reihe angelangt. Der Davis Cup, einst neben den Grand Slam-Turnieren das Flaggschiff der ITF, findet zum denkbar ungünstigsten Termin im Jahreskalender statt, als Wochenturnier Ende November.
In einer Zeit also, in der sich die Berufsspieler eigentlich längst in die Ferien sehnen, in der schon das vorherige Davis-Cup-Finale nach dem ATP World Tour Finale schlecht platziert war. Nun sogar eine ganze Woche Tennis in Madrid, im großen Bild ein zwischen Laver Cup im September und ATP Cup im Januar zerquetschter Event, von dem man noch sehen wird, wie er sich mittel- und langfristig refinanzieren kann. Kosmos-Frontfigur Gerard Pique und Haggerty, sein Verbündeter, wissen genau, wie schlecht sie terminlich mit ihrem Finale dastehen, aber als sie schon versuchten, irgendwie den September-Termin des Laver Cup für sich zu reklamieren, da zeigten ihnen Roger Federer und sein Mitstreiter Tony Godsick die kalte Schulter.
Laver Cup und ATP Cup überholen den Davis Cup
Was passierte, war noch etwas anderes: Laver Cup und ATP verbündeten sich gegen die ITF, der Showevent wurde in den ATP-Kalender aufgenommen (unter Beteiligung der Grand-Slam-Verbände aus den USA und Australien), selbst Head-to-Head-Berechnungen der ATP integrieren nun Laver Cup-Matches. Das ist zwar komplett unseriös, aber es illustriert nur sehr deutlich, welchen Block ATP und Laver Cup bilden – gegen den Weltverband. Theoretisch könnte natürlich noch folgendes passieren: Das Werben der Kosmos- und ITF-Verantwortlichen um einen besseren Termin wird so verzweifelt, dass das Laver Cup-Management irgendwann einlenkt. Vielleicht werden die Wettbewerbe fusioniert, neu aufgestellt. Vielleicht sanktioniert der Weltverband den Laver Cup, als Pendant zum Ryder Cup im Golf. Aber eins ist klar. Es wird teuer: Für Kosmos, für die ITF.
Zum Sündenregister von Haggerty zählt neben der sträflichen Vernachlässigung des Fed Cup – hier legte er erst sehr verspätet ein Reformpaket vor, anstatt eine Lösung für Herren wie Damen gleichzeitig anzubieten - insbesondere die Transition Tour. Gegen die Umwälzungen, die Tausenden junger Spielerinnen und Spieler die Möglichkeit beschnitt, ihren Beruf auszuüben, erhob sich der größte Proteststurm, den das Tennis je gesehen hatte. Auch die Profiorganisationen ATP und WTA bekleckerten sich nicht mit Ruhm in dieser Causa, aber wie lange die ITF hartnäckig die Kritik ignorierte und darauf beharrte, alles sei in Wahrheit wunderbar gelungen, war schon bezeichnend. Nur dem Wirken von einflussreichen Akteuren wie DTB-Vize Dirk Hordorff und auch dem ehemaligen österreichischen Profi Alex Antonitsch (er ist auch tennisnet-Herausgeber) war es schließlich zu verdanken, dass viele der Unsinnigkeiten wieder zurückgenommen wurden.
Vorteile für den Amtsinhaber
Gegen Haggerty stellen sich an diesem Freitag gleich drei Herausforderer: Der Ire Dave Miley, der Inder Anil Khanna und der Tscheche Ivo Kaderka. Das hat es bei der ITF noch nie gegeben, und es beweist, wie groß die Unzufriedenheit mit der Leitung des Weltverbands ist. Diese Unzufriedenheit äußern im übrigen auch ehemalige Spitzenleute der ITF, die nur mit dem Kopf schütteln, wenn sie auf Haggerty Wirken angesprochen werden. Ob diese Mißstimmung schon ausreichen wird, um den Amerikaner vom Thron zu stoßen, ist gleichwohl fraglich.
Er hat in den letzten Monaten alles getan, um seinen Amtsbonus brutal auszunutzen. Die Ethikkommission der ITF verwehrte den Gegenkandidaten des Amtsinhabers sogar Auftritte auf Regionalkonferenzen, angeblich um Versprechungen zu verhindern. Gleichzeitig repräsentierte der Amtsinhaber den Verband völlig ungerührt bei diesen Treffen. Miley beklagte sich zuletzt auch darüber, dass er bei der Generalversammlung nur einen Zehn-Minuten-Vortrag halten dürfe, ohne Fragen aus dem Kreis der Delegierten. Und zudem, so Miley, müsse er seine Präsentation 24 Stunden vorher abliefern an die ITF. Und damit quasi auch an den Amtsinhaber.
Was in Lissabon herauskommen wird beim Tennis-Konklave? Keiner weiß es so genau. Hordorff, der DTB-Vize, beantwortete die Frage süffisant so: „Jedes Land hat mindestens drei der vier Kandidaten seine Stimmen versprochen.“