Jürgen Melzer im Interview: "Für uns ist es wie der alte Davis Cup"

Zwei Tage vor dem Aufeinandertreffen mit Italien hat sich Österreichs Davis-Cup-Kapitän Jürgen Melzer in Bologna den Fragen von tennisnet.com gestellt. Und dabei über die Vorbereitung auf den Hexenkessel, das Wiedersehen mit zahlreichen Ex-Kollegen und die jüngste Kritik von Alexander Zverev gesprochen.

von Nikolaus Fink
zuletzt bearbeitet: 17.11.2025, 20:56 Uhr

Jürgen Melzer hofft am Mittwoch auf die große Überraschung
© Getty Images
Jürgen Melzer hofft am Mittwoch auf die große Überraschung

von Nikolaus Fink aus Bologna

Herr Melzer, das österreichische Davis-Cup-Team ist am Samstag in Bologna angekommen. Wie sind die ersten Eindrücke?

Es passt alles, kein Wunsch bleibt offen. Es gibt auch genügend Trainingsmöglichkeiten. Der Platz ist vielleicht um eine Spur langsamer als gedacht, ich hätte ihn mir etwas zügiger erwartet. Das liegt wohl auch an den Bällen, die relativ stark aufgehen. Wir nehmen es, wie es ist und sind auf die Bedingungen eingestellt. Wir warten nur mehr darauf, dass es losgeht!

Sind die langsameren Bedingungen eher ein Vor- oder Nachteil für Ihre Spieler?

Ich glaube, das ist egal. Da geht es um Nuancen. In einer Partie ist es vielleicht ein Vorteil, in einer anderen ein Nachteil ... Die Platzbedingungen werden nicht über Sieg oder Niederlage entscheiden.

Sinner kann man nicht eins zu eins ersetzen.

Jürgen Melzer

Noch ist offen, wer im Single antreten wird. Wie haben die drei Einzelspieler bislang trainiert?

Das Niveau im Training ist relativ ähnlich. Ich habe schon eine Aufstellung im Kopf, die ich den Spielern morgen mitteilen werde. Mein Plan ist relativ klar, verraten kann ich ihn natürlich nicht (lacht). 

Wie froh ist man angesichts Sinners Vorstellung im ATP-Finals-Endspiel, dass er am Mittwoch nicht spielen wird?

Es war auch schon vor dem Finale klar, dass seine Absage sicherlich kein Nachteil für uns ist. Italien hat viele Spieler, die sehr gut sind, aber Sinner kann man nicht eins zu eins ersetzen. Ähnliches gilt für Musetti, der ja auch in den Top Ten steht. Unsere Chancen sind gestiegen, obwohl wir natürlich nicht Favorit sind. Die Tür ist einen Spalt aufgegangen, das wollen wir nützen. Wir hoffen auf einen perfekten Tag von uns und einen weniger guten von den Italienern.

Inwieweit wird die zu erwartende Atmosphäre im Vorfeld thematisiert?

Die ist schon Thema, aber es wird keiner überrascht sein, dass das Publikum gegen uns sein wird. Wir müssen uns auf uns selbst konzentrieren und wollen die Atmosphäre dann auch für uns nutzen. Da wird einiges an Energie kommen. Wir müssen zusammenhalten und schauen, dass wir unsere Fans so gut wie möglich mitnehmen. Aber ich denke, dass auch die Atmosphäre nicht großartig über Sieg oder Niederlage entscheiden wird.

Am Freitag sprachen Sie von einem "Klassentreffen" in Bologna, da viele Ihrer ehemaligen Kontrahenten bei den anderen Nationen tätig sind. Wie war das Wiedersehen?

Wir haben ein sehr nettes Foto gemacht, auf dem alle acht Kapitäne drauf sind. Sechs von uns (Steve Darcis, Tomas Berdych, Paul-Henri Mathieu, Filippo Volandri, David Ferrer und Melzer, Anm.) haben ja wirklich 15 Jahre gegeneinander gespielt. Es war sehr nett - wir haben uns ein bisschen über die alten Zeiten und Dinge abseits des Platzes unterhalten. Es ist definitiv nett, so viele alte Bekannte zu treffen.

Man hat bei Argentinien gegen Deutschland in Buenos Aires oder Hamburg natürlich eine andere Stimmung als hier.

Jürgen Melzer

Apropos alte Zeiten: Alexander Zverev hat seine Kritik am neuen Modus zuletzt noch einmal untermauert. Wie nehmen Sie das Finalturnier hier vor Ort auf?

Ich glaube, dass da unterschiedliche Sachen kritisiert werden. Das Event an sich - also wie es organisiert ist - kann man nicht kritisieren. Hier fehlt es uns an nichts, das Stadion ist super und vor allem für uns ist es quasi wie der alte Davis Cup, weil wir gegen 10.000 Italiener spielen. Wir haben das Glück oder Pech - das kann man sehen, wie man will -, gegen Italien zu spielen. Dennoch kann ich Saschas Kritik verstehen. Man hat bei Argentinien gegen Deutschland in Buenos Aires oder Hamburg natürlich eine andere Stimmung als hier. Dass ich grundsätzlich kein Freund dieses Formats war, ist auch jedem bekannt. Ich bin sehr für Heim- und Auswärtsspiele. Aber wir sind nicht die, die es entscheiden. Wenn man mich fragt, wird man von mir eine klare Antwort bekommen, aber im Endeffekt muss die ITF wissen, was sie mit diesem Bewerb tut und wo sie hinwill. Wir werden sehen, was dabei rauskommt.

Abschließende Frage: Wer ist für Sie der Favorit auf den Titel?

Schwierig ... Wenn man Alcaraz im Team hat, ist man sicher vorne dabei. Die Frage ist, wie viel er spielt bzw. wie erschöpft er aus Turin kommt. Bei Sascha Zverev ist es ähnlich, zudem hat Deutschland ein sehr gutes Doppel (Kevin Krawietz und Tim Pütz, Anm.). Von der Papierform her sind Spanien und Deutschland also wohl am schwersten zu schlagen. Italien darf man mit dem Heimvorteil natürlich nicht vergessen, aber rein vom Ranking her gibt es Teams, die noch besser aufgestellt sind.

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von Nikolaus Fink

Montag
17.11.2025, 20:02 Uhr
zuletzt bearbeitet: 17.11.2025, 20:56 Uhr

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