Jurij Rodionov: "Man kann nicht immer erfolgreich sein"
Jurij Rodionov steckt derzeit in einer herausfordernden Phase seiner Karriere. Im tennisnet-Interview spricht er offen über seine aktuelle Formkrise, mentale Belastungen auf der Tour und seine Hoffnung auf einen sportlichen Umschwung.
von Florian Heer aus Bonn
zuletzt bearbeitet:
05.08.2025, 18:00 Uhr

Jurij Rodionov steckt derzeit in einer herausfordernden Phase seiner Karriere. Der 26-jährige Österreicher ist in der Weltrangliste auf Platz 184 zurückgefallen und sucht nach dem Weg zurück zu alter Stärke. Bei den Bonn Open unternimmt er einen weiteren Anlauf, und der Auftakt ist ihm mit einem Zweisatzerfolg über den Inder Sumit Nagal geglückt. Auf dem neuen Gelände des TC Blau-Gelb Bonn-Beuel zeigte sich Rodionov kämpferisch und fokussiert.
Tennisnet: Glückwunsch, guter Auftakt in die Bonn Open mit einem Erstrundensieg über Sumit Nagal. Wie hat es sich heute auf dem Court angefühlt?
Jurij Rodionov: Gegen Sumit in der ersten Runde zu spielen ist bestimmt nicht einfach. Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis. Es war im ersten Satz sehr knapp. Sumit war zweimal mit Break vorne, hat aber im Tie-Break ein wenig die Nerven verloren und hat mir somit das Zepter in die Hand gegeben. Die Bedingungen hier sind recht langsam und der Aufschlag macht weniger den Unterschied. Umso wichtiger ist es bei jedem Punkt voll konzentriert zu bleiben.
Die Bonn Open finden auf einem neuen Gelände statt. Wie sind deine Eindrücke?
Sehr positiv. Es gibt genügend Trainingsplätze und die Leute hier sind sehr nett. Das Hotel ist auch gut. Ich fühle mich wohl.
Jetzt sind wir ein wenig über Saisonhalbzeit. Wie fällt dein Fazit bis dato aus?
Relativ schlecht, aber so ist der Sport. Man kann nicht immer erfolgreich sein. Ich werde aber weiterhin jede Woche mein Bestes geben und habe die Hoffnung, dass es irgendwann wieder funktioniert. Am Anfang des Jahres war ich guter Dinge, habe mir dann allerdings einen grippalen Infekt eingefangen, der mich drei Wochen außer Gefecht gesetzt hat. Im Anschluss hatte ich Probleme wieder zu meinem Spiel zu finden. Die letzten paar Wochen und Monate kämpfe ich darum meine Form wieder zu finden.
Wie gehst du das an? Woran arbeitest du mit deinen Coaches?
Ich haben die letzten Wochen viel an der Technik gearbeitet, vielleicht auch ein wenig zu viel. Wenn man seinen Beruf ausübt, muss auch Spaß dabei sein, sonst wird es mental tough. Dementsprechend habe ich in den letzten 14 Tagen versucht, auch abends mal wieder ins Restaurant zu gehen, Golf zu spielen und sich auch ein wenig abzulenken, um dann auf dem Platz wieder alles geben zu können.
Es gibt zurzeit einige Spieler, die von mentalen Problemen berichten. Wie kann man dem entgegnen?
Das Leben als Tennisprofi mit all den Reisen hört sich immer schön an. Den Beruf allerdings 365 Tage im Jahr auszuüben, ist nicht einfach. Von den Städten sieht man in der Regel wenig und es gibt einfach Phasen, wo man mental oder auch körperlich nicht auf der Höhe ist. Dann ist dein sportliches Team extrem wichtig, um dem Spieler den Rücken zu stärken.
Wie ist deine aktuelle Trainersituation?
Ich trainiere weiterhin mit Gilbert Schaller und bin in dieser Woche zum ersten Mal wieder mit Richard Waite unterwegs. Wir haben bereits vor sechs oder sieben Jahren das erste Mal miteinander gearbeitet. Unser letztes gemeinsames Turnier war im Juni vergangenen Jahres. Danach hatten wir uns getrennt. Es macht aber wieder viel Spaß mit ihm und ist eine positive Zusammenarbeit.
Da du das Reisen gerade erwähnt hast. Dein Saisonauftakt fand bei einem Challenger in Nouméa in Neukaledonien statt. Dies ist das wahrscheinlich weit entfernteste Turnier auf dem Circuit. Was kannst du von diesem Event berichten?
Es ist ein Urlaubsort und eines meiner Lieblingsturniere. Das Hotel ist unfassbar und direkt am Strand. Das Wasser ist glasklar. Bei Temperaturen um die 26 Grad ist es nicht zu heiß und nicht zu kalt. Mein Tag hat damit begonnen, dass ich um 6 Uhr morgen wach wurde und ich mich zuerst für eine Stunde in die Sonne setzte und im Meer geschwommen bin. Dann gings ins Gym und zum Frühstücken, bevor ich mich noch einmal ausgeruht habe. Ich habe das Turnier zum zweiten Mal gespielt und die Anreise ist hart – insbesondere, wenn man die darauffolgende Woche bei den Australian Open spielt – aber ich liebe es dort.
Vor kurzem standen auch die Generali Open in Kitzbühel an. Ist das noch immer eines der Highlights in deinem Tennisjahr?
Klar, es ist immer schön zu Hause zu spielen. Kitzbühel und Wien sind im Kalender stets rot markiert. Die Bedingungen in der Stadthalle liegen mir allerdings noch etwas besser. Die Höhenlage in Kitzbühel ist manchmal ein wenig tough für mich, da ich ein eher gerade Spiel habe mit wenig Spin. Nichtsdestotrotz ist es ein unglaublicher Ort und ein tolles Event, was Jahr für Jahr von den Organisatoren auf die Beine gestellt wird. Ich genieße es jedes Mal dort zu spielen.
Wie gestaltest du die Turnierwoche abseits des Platzes hier in Bonn?
Hier gibt es einige gute Golfclubs in die Nähe. Das muss man an den freien Tagen ausnutzen und hilft ein wenig vom Tennis abzuschalten, wenn man gefühlt 24 Stunden auf der Anlage verbringt. Nach ein paar Abschlägen haben wir dort gut gegessen. Das ist wichtig, um auch das Leben zu genießen.
Du hast in den letzten Wochen auch Bundesliga gespielt. Welchen Stellenwert hat dieser Mannschaftwettbewerb für dich?
Ich habe in Österreich in der 1. Bundesliga für den TC Strassburg vier Partien absolviert und zwei in der Regionalliga in Deutschland für den TC Schießgraben in Augsburg. Insgesamt war es eine gute Saison mit vier Siegen und zwei Niederlagen im Einzel. In Österreich sind wir bis in die Semifinals der Play-Offs gekommen. In Deutschland haben wir den Klassenerhalt geschafft. Der Liga-Wettbewerb ist natürlich eine zusätzliche Einnahmequelle, die viele Spieler in Anspruch nehmen – auch weil sie es müssen, da sie sonst nicht über die Runden kommen. Wenn man über den Sommer hinaus 20.000 bis 40.000 Euro zusätzlich einnehmen kann, was auf Challenger-Ebene oft nicht möglich ist, dann ist das schon ein entscheidender Faktor. Das klingt vielleicht nach viel Geld, aber Tennisspieler haben relativ hohe Kosten. Gerade wenn man einen Trainer, mit mehreren hundert Euro pro Tag bezahlen muss. Deshalb ist die Liga für viele Spieler einfach ein Muss.
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg!