Ljubicic über Roger Federer: "Er wollte bei 100 Prozent zurückkommen"
Ivan Ljubicic über den letzten Comebackversuch von Roger Federer - und die Überraschung bei den Australian Open 2017.
von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet:
15.10.2022, 18:14 Uhr

"Das Problem war, dass er, nachdem er im vergangenen Jahr in Doha zurückkam, nie mehr bei 100 Prozent war. Es gab kein einziges Turnier und kein einziges Training, bei dem alles gestimmt hat", erklärte Ljubicic im Interview mit Punto de Break.
Federer hatte nach seinen beiden Knie-Operationen (in 2020) in Doha seine Rückkehr gefeiert, auch in Genf und Paris gespielt, anschließend auf Rasen, mit unterschiedlichen Ergebnissen. Offensichtlich aber war, dass Federer nicht völlig "der Alte" war. "Er hat Matches gewonnen, weil er Roger ist", so Ljubicic, aber er sei nicht in der Verfassung gewesen, den ganzen Weg zu Turniersiegen zu gehen, was schwierig für ihn zu verarbeiten gewesen sei - ebenso, überhaupt in Halle oder Wimbledon zu spielen, ohne völlig auf der Höhe zu sein. "Roland Garros hat er mit dem Gedanken gespielt, die Stunden dort zu investieren und zu hoffen, dass er sich besser fühlt, wenn er mehr spielt. Aber das war leider nicht der Fall."
Am Ende, nach einer erneuten Operation im Spätsommer 2021 habe man in diesem Jahr bis in den Sommer hinein zwar so viele Fortschritte gemacht, um ein erneutes Comeback anzupeilen. Aber letztlich sei das Ziel für Federer gewesen, Turniere zu gewinnen. "Weiterzumachen bedeutete für ihn nicht, ein Match zu gewinnen. Er wäre nicht zurückgekommen, um eine erste oder zweite Runde zu spielen".
Am Ende also die Entscheidung zum Rücktritt, weil die Fortschritte nicht mehr weitergegangen seien. "Er wollte zurückkommen, um 100 Prozent zu geben. Es war keine Option für ihn, wieder so zu werden wie im Jahr 2021." Das Knie habe letztlich die Belastung nicht mehr ausgehalten, fünf Sätze zu spielen - und das am nächsten Tag wieder zu tun. "So einfach ist es. Es ging nicht um eine spezielle Bewegung."
Federer bei Australian Open 2017: "Sehr schwierig, diesen Roger zu schlagen"
Ljubicic hatte Ende 2015 als Coach von Federer übernommen, nach einem gemeinsamen Abendessen hatte Federer ihn gefragt, ob er bei ihm einsteigen wolle - eine klare Sache für den Kroaten. 2016 lief ungut an, mit Federers Verletzung und der langen Pause nach dem Wimbledonturnier 2016.
Ljubicic blickte freilich auch zurück auf das erste große Comeback, damals in Australien 2017. In Perth sei Federer mit Rückenproblemen angereist, habe ein paar Tage nicht trainiert - was nach den vielen Einheiten zuvor kein Problem gewesen sei. Dennoch sei nicht alles so rund gelaufen. Dann habe er sich aber bei den Australian Open reingespielt, "und wir dachten, es wird sehr schwierig, diesen Roger zu schlagen."
Vorm Finale gegen Rafael Nadal habe Ljubicuc ein altes Video herausgekramt von Fernando Gonzalez, als dieser Nadal deutlich geschlagen hatte, "ich habe einige Ideen aus diesem und anderen Spielen mitgenommen."
Mit einem kleinen Missverständnis räumte Ljubicic auch auf - Federers angeblich "neuer" Rückhand. "Er hat den Schlag nicht geändert. Nur die Art, wie er in einsetzte", so Ljubicic. Das habe geklappt, das Selbstvertrauen sei gestiegen und somit wiederum die Qualität der Rückhand.