Ivan Ljubicic: "Roger wollte Tennis spielen, bis er 100 ist - es war das einzig mögliche Ende"

Ivan Ljubicic ist seit der Spielzeit 2016 verantwortlich für Roger Federer - nun sprach er über die Denkweise des Maestros und dem Umgang mit der Wimbledonniederlage in 2019.

von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet: 23.09.2022, 18:09 Uhr

Ivan Ljubicic sieht Federer nach wie vor zu Großem in der Lage
© Getty Images

Die Amtszeit von Ivan Ljubicic als Coach von Roger Federer war eine sehr gelungene: Drei Grand-Slam-Titel hat man gemeinsam gefeiert, 2017 bei den Australian Open und in Wimbledon, 2018 noch mal in Melbourne. Dabei hatte alles ungut angefangen, mit der Knieverletzung Federers zu Beginn des Spieljahres 2016./

Damals habe man aber recht schnell nach dem Wimbledon-Aus und Federers Absage für den Rest der Saison mit dem Training begonnen, "fünf Monate Quality-Arbeit, was zu wunderbaren anderthalb Jahren für ihn geführt hat". Kein Wunder natürlich, aber es sei im regulären Tourbetrieb nun mal schwierig, einfach so ein paar Monate zu trainieren, ohne Turniere zu spielen, so Ljubicic im Gespräch mit tennismajors.com.

Der kannte Federer freilich noch aus gemeinsamen Zeiten als Profi, man habe sich immer wieder unterhalten, bevor es zur gemeinsamen Arbeit gekommen sei. Federer habe gewusst, was er von ihm erwarten könne, wie er das Tennis betrachte und als Person so sei.

Gegen Nadal immer durchziehen!

Interessant: Ljubicic war der Ansicht, dass Federer zu den Zeiten mit Stefan Edberg (2014, 2015) zu viel Zeit am Netz verbracht habe! Und nicht so viel slicen solle - der Slice könnte einen zwar in eine gute Position bringen, aber wenn man öfter slice, sei man mehr am Rennen, öfter in der Defensive. "Und es hängt vom Gegner ab: Gegen Mannarino sollte man immer slicen, gegen Nadal nie." Generell sei er der Ansicht gewesen, "dass Roger am besten ist, wenn er an der Grundlinie steht und aggressiv spielt."

Auf diesem hohen Level gehe es weiterhin nicht darum, wie man eine Rückhand schlage (wie das vielleicht mit einem Juniorenspieler sei), sondern eher darum, Zeit miteinander zu verbringen und die Denkweise des Spielers etwas zu ändern. Zu oft höre er von Kommentatoren, welcher Spieler was verändert habe nachdem er einen Monat Zeit mit einem neuen Coach verbracht habe. So einfach sei es aber nicht. "Ich könnte nie im Leben sagen, woran Goran und Novak gerade arbeiten, oder Carlos und Rafa. "Sie hätten womöglich selbst Probleme, das zu erklären." Wichtig sei generell ein großes Vertrauen.

Beispiel: das Australian-Open-Finale 2017 gegen Nadal. Man habe stundenlang darüber gesprochen, "aber als Coach weißt du nicht, welche der hundert Puzzleteilchen an Informationen hängenbleiben und sich im Match als sinnvoll erweisen werden". Hier sei es so gewesen, dass Federer akzeptiert habe, dass er mehr Nadals Vorhand angehen, die Rückhand flacher spielen und sich auf den Ball konzentrieren müsse, nicht den Gegner. Im vierten Durchgang sei er etwas besorgt gewesen, aber im fünften Satz, selbst beim 1:3, dann ruhiger, weil Federer richtig gespielt hätte "und ich wusste, dass er eine Chance hat. Am Ende hat er gewonnen."

Wimbledon-Niederlage 2019: Mit "Fake it 'til you make it" zur guten Laune

Schwierig freilich das verlorene Wimbledonfinale 2019 gegen Djokovic, nach vergebenen zwei Matchbällen. Man habe am Ende versucht, das Finale selbst zu feiern - ein paar Freunde angerufen, etwas Musik aufgelegt - "ein wenig 'fake it 'til you make it', am Ende war es eine tolle Atmosphäre", so Ljubo. Es sei keine Tragödie epischen Ausmaßes gewesen, einfach schade, weil Federer so gut gespielt habe. "In jedem anderen Sport wäre es ein Unentschieden geworden." Man habe damals auch an weitere Chancen geglaubt.

Eine Sache hierzu stellte Ljubicic auch klar, denn zuletzt war berichtet worden, er hätte behauptet, Federer sei hier bereits angeschlagen und nur bei 60 oder 70 Prozent gewesen. Dabei sei er falsch zitiert worden, das habe sich auf Wimbledon 2021 bezogen. 2019 sei Federer "bei einer Million Prozent gewesen"!

Außerdem habe man reflektiert, wie viele Matches Federer gewonnen habe, die er hätte verlieren müssen - wie zum Beispiel das Spiel gegen Tommy Haas in 2009. Am Ende gewann Federer nicht nur das Match, sondern eben auch zum einzigen Mal in Paris.

Dass nun der Zeitpunkt zum Rücktritt gekommen sei und Federer halb verletzt abtreten müsse - nicht ideal. "Aber wenn man bedenkt, dass Roger spielen wollte, bis er 100 Jahre ist, da war es die einzige Möglichkeit. Es gab keine Chance, dass er jemals aus eigenem Willen aufgehört hätte."

Das gesamte, sehr spannende Interview könnt ihr hier lesen!

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von Florian Goosmann

Freitag
23.09.2022, 17:30 Uhr
zuletzt bearbeitet: 23.09.2022, 18:09 Uhr

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