"Wir müssen nicht hungern"

Der Davis-Cup-Sieger spricht im Interview über die Arbeit in seiner Akademie, über seinen Schützling Oscar Otte und über notwendige Rituale im Tennis.

von Christian Albrecht Barschel
zuletzt bearbeitet: 30.09.2011, 11:39 Uhr

Marc-Kevin Goellner (41) war acht Jahre lang Mitglied der deutschen Davis Cup-Mannschaft. Gleich in seiner Debütsaison 1993 gelang ihm der Titelgewinn, der dritte und bislang letzte für Deutschland. In seinen 14 Jahren auf der Profitour erreichte er zwei Turniersiege (Nizza und Marbella) und spielte sich bis auf Platz 26 der Weltrangliste vor. Im Doppel holte Goellner gemeinsam mit David Prinosil die Bronzemedaille bei den Olympischen 1996 in Atlanta und stand im Finale der French Open. Sein Markenzeichen war die nach hinten gerichtete Baseball-Mütze, die er bei jedem Spiel aufsetzte.

Herr Goellner, Ihr Schützling Oscar Otte hat das Finale beim G1-Turnier in Umag erreicht. Was können wir von ihm in der Zukunft erwarten?

Wir wollen ihn ohne Druck aufbauen. Er hat das Zeug dazu, schnell in der Rangliste zu steigen und wir haben uns für das kommende Jahr ungefähr die Top 700 vorgenommen. Das ist aber kein statisches Ziel, bei jungen Spielern muss man Geduld haben, dann kann es auch mal recht schnell gehen.

Er hat den hoch gehandelten Dominic Thiem geschlagen, der in den Top Ten der Junioren steht. Hätten Sie damit gerechnet?

Groß überrascht war ich ehrlich gesagt nicht. Wenn ich hier sehe, was er kann und was er macht, war der Optimismus nicht unbegründet. Es scheint der richtige Schritt für Oscar zu sein,sich nun voll auf Tennis zu konzentrieren.

Dabei ist er nur mit einer Wildcard in die Qualifikation gekommen. Nicht gerade gewöhnlich, dass ein deutscher Spieler die bei so einem Turnier einfach bekommt.

Die ganze Teilnahme kam nur durch einen Zufall zustande. David Eisenzapf, der neu in der Akademie ist, meinte: "Lass uns nach Umag fahren und du besorgst Oscar einfach ne Wildcard." Also habe ich angerufen und Oscar durfte starten. Eigentlich wollten wir weitere Futures spielen.

Durch den Finaleinzug hat er eine weitere Wildcard bekommen - die für das ITF-Turnier in Umag in dieser Woche. Dabei konnte er auch seinen ersten ATP-Punkt sammeln.

Darüber haben wir uns sehr gefreut und dies ist eine gute Starthilfe, da er nun auch ohne Wildcards in Future-Qualifikationen kommt. Gegen Kevin Krawietz im Achtelfinale war er dann kompletter Underdog, hat sich aber gut behauptet.

Oscar ist 18 Jahre, es ist also sein letztes Jugendjahr. Geht er nun voll auf Futures?

Ursprünglich war dies der Plan, aber nun ist es zunächst das Ziel den Orange Bowl zu spielen. Er braucht noch ein paar Punkte, um sich zu qualifizieren. Das ist noch mal eine wichtige Etappe im letzten Jugendjahr und es wird interessant zu sehen sein, wo man steht.

Es ist der erste größere Erfolg für ihre Akademie. Sie arbeiten vorwiegend mit Junioren, unter anderem auch mit Jannis Kahlke. Preisgelder sind dort eher die Ausnahme. Ist ihre Akademie rentabel?

Wir haben ein paar Sponsoren, die uns unterstützen und uns auch in der Infrastruktur unterstützen. Wir müssen nicht hungern. Einige der Spieler haben Privatsponsoren, auch die Verbände oder die Eltern unterstützen. Es ist ein teures Vergnügen, aber wenn einer durchkommt rentiert es sich.

Die Schüttler-Waske Akademie mit Alex Waske legt großen Wert auf Fitness. Wie ist ihre Philosophie?

Bei uns geht es um eine komplette Betreuung mit Technik, Taktik, Fitness und vor allem mentales Training.


Wie schaut ihr Taktiktraining konkret aus?

Es geht vor allem um Spielzüge und Rituale. Wie verhalte ich mich in welchen Situationen? Boris Becker beispielsweise hat bei Breakball immer seinen Lieblingsaufschlag gemacht. Er hatte damit immer einen konkreten Plan. Dies ist wichtig! Auf so etwas wird heute zu wenig Wert gelegt. Wahrscheinlich auch, weil es viel Geduld braucht und nur langsam voran geht.

Wie muss man sich die Arbeit bei Ritualen vorstellen?

Wie oft man vor wichtigen Ballwechseln den Ball aufprellt? Welche Atemtechnik man einsetzt, wenn man auf der Bank sitzt und sich pushen oder beruhigen will? Wenn man solche Abläufe immer wieder durchgeht und damit Sicherheit erlangt, kann man die wichtigen Punkte gewinnen.

Kann man junge Spieler für solche Detailarbeit begeistern?

Auf jeden Fall. Natürlich ist Atemtechnik manchmal langweilig, aber wer das Buch von Andre Agassi gelesen hat, weiß, wie wichtig Kleinigkeiten sind.

Wann haben Sie ihren ersten Top-100-Spieler?

Der Slowake Pavol Cervenak, Spieler unserer Akademie, steht zurzeit knapp 200. Ich kann mir vorstellen, wenn er weiterhin so hart, intensiv und diszipliniert trainiert, kann er Mitte oder Ende kommendes Jahres in den Top 100 stehen. Er hat grosses Potential und zuletzt viele gute Spieler geschlagen. Beim ATP-Turnier in Stuttgart stand er im Viertelfinale, vergangene Woche hat er in der Slowakei sein erstes Challenger-Finale erreicht. Mit Glauben, harter Arbeit und etwas Glück kann er es packen.

Das Interview führte Nils Lehnebach; Foto: GEPA pictures

Hier geht es zur Akademie von Marc-Kevin Goellner

von Christian Albrecht Barschel

Freitag
30.09.2011, 11:39 Uhr