Mental stabil bleiben: Fünf erprobte Schritte für maximale Konzentration
Wie bleibe ich stabil, wenn es in Matches eng wird? Der Tennis-Insider bringt es mit fünf Vorschlägen auf den Punkt.
von Marco Kühn
zuletzt bearbeitet:
07.05.2025, 08:15 Uhr

Die hängenden Schultern und der suchende Blick nach Hilfe verrieten den Ausgang des Matches.
Tobias führte in seinem ersten Medenspiel der Saison schnell im ersten Satz mit 4:2. Alles lief. Er spielte die Vorhand mit Spin an die Seitenlinien. Sogar den kurz-cross packte er bei 3:1 und 40:30 aus.
Aber dann schlich sich ein unnötiger Vorhand-Fehler aus dem Halbfeld ein. Er verlor kurz die Körperspannung. Zögerte einen Moment zu lang. Vermutlich konnte er sich nicht entscheiden, wohin er den Ball spielen wollte.
Weder sein Gegner, noch die sechs Zuschauer auf der heimischen Tennisanlage, konnten es hören. Doch in seinem Kopf tauchten die ersten düsteren Stimmen auf. "Klappt wohl doch nicht alles so am Schnürchen, wie gedacht, was?" - hallte es nicht laut, aber für Tobi hörbar, durch seinen Kopf.
Diese Stimme wurde in den folgenden Aufschlagspielen lauter. Sie übernahm erst den Kopf von Tobias und dann das gesamte Match. So schnell, wie Tobias mit 4:2 in Durchgang eins führte, so schnell ging der Rest des Matches in die Hose. Knapp 30 Minuten später musste er seinem nicht viel stärkeren Gegner bei 4:6 und 1:6 die Hand am Netz schütteln.
Ein Match, das er gewinnen konnte. Aber in seinem Kopf verlor.
Warum verlieren wir Tennisspieler den Faden? Warum spielen wir einen Satz bärenstark, nur um dann noch stärker abzubauen und ganze Matches vom Schläger zu geben? Lass uns in diesem Artikel herausfinden, wie du deine Konzentration so "manipulieren" kannst, dass du auch nach einem starken ersten Satz stark weiterspielen kannst.
Bevor wir uns um die Lösung kümmern, müssen wir zunächst das Problem verstehen.
Was zum Tennisteufel sind externe und interne Aufmerksamkeit?
Du spielst nur 30-45 Minuten dein bestes Tennis, weil danach deine Konzentration so gut wie aufgebraucht ist. Tennis ist ein mental fast noch anstrengenderer Sport als physisch. Warum ist das so? Du musst bei jedem einzelnen Schlag unglaublich viel unter einen Hut bekommen. Du musst dich gut zur Murmel stellen, früh ausholen, das Timing beim Schlag beachten, in die Knie gehen, den Ball früh vor dem Körper treffen und noch viele weitere kleine Details beachten. Das schlaucht. Nicht nur körperlich.
Wir können all diese kleinen Elemente, die allesamt deine Aufmerksamkeit benötigen, in interne und externe Aufmerksamkeit unterteilen. Du lenkst deinen Fokus beim Tennis auf interne und externe Bereiche.
Bevor wir hier weiter ins Detail gehen, lass uns diese externe und interne Aufmerksamkeit genauer unter die Tennislupe nehmen.
Externer Fokus ist alles, was außerhalb deines Körpers passiert. Das kann sein:
- Vorhand
- Rückhand
- Bewegung zum Ball
- Aufschlag
- Ball auftippen, zum Beispiel vor dem Aufschlag
- Schläger greifen, Griffhaltung wechseln
- Beinarbeit, der Split-Step, Richtungswechsel
Um nur ein paar externe Bereiche zu nennen, die beim Tennis permanent deine Aufmerksamkeit fordern. Wirst du nur ein bisschen nachlässiger, schleichen sich Fehler in dein Spiel ein. Die externe Aufmerksamkeit ist beim Tennis der größere Bereich, weil hier so viel in so kurzer Zeit passiert. Du kannst dir an dieser Stelle auf die Schulter klopfen und dir ganz ehrlich sagen, wie viel du da in jedem Match meisterst. Das ist nicht ohne.
Neben der externen Aufmerksamkeit, musst du dich noch mit dem internen Fokus herumschlagen. Hier gibt es nicht so viele Bereiche wie beim externen Fokus. Du merkst schon, jetzt kommt ein Aber-Satz. Aber: Der interne Fokus hat mehr Einfluss auf deine Performance. Wir schauen uns jetzt Beispiele für diesen tückischen internen Fokus an.
Interner Fokus ist alles, was in deinen Gedanken passiert. Das kann zum Beispiel sein:
- Analyse beim Seitenwechsel
- Ärgern über den letzten Fehler
- Frust über die Spielweise des Gegners
- Aufregen über das unsportliche Verhalten des Gegners
- Spielzüge planen
- Taktik und Matchplan überdenken
- Nervige Zuschauer am Spielfeldrand
Dieser interne Fokus bildet die mentale Grundlage für deine Performance. Wenn du wütend bist, wählst du andere Schlagvariationen, als wenn du entspannt bist. Wenn du ängstlich bist, holst du bei deiner Vorhand anders aus, als wenn du dich mutig und zuversichtlich fühlst. Was im internen Fokus kreiert wird, hat einen direkten Einfluss auf deinen externen Fokus und damit auf dein Leistungsniveau.
Als Tennisspieler hast du eine sehr breit gestreute Aufmerksamkeitsspanne. Intern wie auch extern. Du musst analytisch denken, viele Schläge ausführen, dich bewegen und deine Nerven kontrollieren. In einem normalen Match switcht du immer wieder zwischen dem internen und dem externen Fokus. Ganz schön anstrengend, findest du nicht?
Warum bricht deine Konzentration nach dem ersten Satz ein?
Das kann man sich jetzt selbst erklären, oder? Du hast so viele interne sowie externe Bereiche, die deine volle Aufmerksamkeit fordern - du kannst unmöglich 120 Minuten voll konzentriert im Tunnel durchspielen. Es gibt noch ein anderes Problem. Viele Spieler sind vor einem Match nervös. Was völlig normal ist. Diese Nervosität kann den Fokus auf den internen und externen Bereich drastisch erhöhen. Du gehst dann so fokussiert ins Match, dass du dich nach dem ersten Satz ausgelaugt, müde und kaputt fühlst. Obwohl du körperlich gar nicht so viel gelaufen bist.
Du warst dann so drin im Match, dass deine Konzentration verbrannt wurde. Nichts ist mehr übrig. Du weißt dann gerade noch so eben, wie man eine Vorhand spielt. Du weißt jetzt, wie die Konzentration beim Tennis funktioniert. Du kennst die externen und internen Bereiche der Aufmerksamkeit, die beim Tennis von dir perfekt bedient werden wollen.
Wir können uns jetzt darüber Gedanken machen, wie du deine Konzentration besser sortieren kannst, um dein Niveau auch nach dem ersten Satz zu stabilisieren.
Schritt #1: Verstehe das Konzentrations-Budget
Stell dir eine volle Flasche Wasser vor. Diese nimmst du mit ins Match. Nach den ersten drei bis fünf Spielen hast du einige große Schlücke von dieser Wasserflasche getrunken. Sie ist nur noch halbvoll. Nach dem ersten Satz bist du ziemlich aus der Puste, sitzt auf der Bank und nimmst den letzten Schluck aus deiner Wasserflasche.
So wie deine Wasserflasche im Verlauf des Satzes leerer wird, so "verschwindet" auch dein Konzentrations-Budget. Problem? Du kannst dir einfach eine neue Wasserflasche holen. Du kannst dir aber nicht eine neue Flasche mit Konzentration besorgen. Das bedeutet, du musst mit dieser einen Flasche an Konzentration das gesamte Match auskommen. Wie kriegst du das hin? Exakt, du lernst, das Budget deiner vorhandenen Konzentration besser einzuteilen. Allein dieses Prinzip zu verstehen, kann dich zu einem mental stärkeren Spieler machen. Du hast nicht unendlich viel Konzentration zur Verfügung. Deine große Aufgabe besteht darin, dieses Budget so gut wie möglich zu managen.
Ich empfehle dir, den externen und internen Bereich separat zu managen. Wie das im Wahnsinn eines Matches aussehen kann, schauen wir uns in den folgenden Schritten an.
Schritt #2: Nutze die Zeit zwischen den Ballwechseln und den Seitenwechseln
Du kennst sie. Die Spieler, die von Ballwechsel zu Ballwechsel hetzen, als würde ein Tennisdämon sie verfolgen. Sie lassen sich weder zwischen den Ballwechseln, noch zwischen ihrem ersten und zweiten Aufschlag Zeit. Dein interner Fokus kommt nicht zur Ruhe und verbrennt in einer Tour dein Konzentrations-Budget. Dabei ist diese Zeit zwischen den Ballwechseln und beim Seitenwechsel die wichtigste Zeit, um deine Konzentration zu managen.
Indem du fair mit dir selbst sprichst (mentale Technik: Selbstgespräche), bewusst atmest (mentale Technik: Atmung) und deine Nerven beruhigst, kannst du deinen internen Fokus viel besser einteilen. Auch körperlich, für den externen Bereich, sind diese Pausen wertvoll. Du kannst die Beine ausschütteln, mit den Schultern kreisen oder deine Bespannung richten. Alles simple Methoden, die addiert viel Konzentration "sparen" können.
Schritt #3: Erkenne Ablenkungen
Ich habe Spieler erlebt, die haben sich ein ganzes Match lang über den sich ständig drehenden Wind aufgeregt. Unglaublich. Dann habe ich Spieler erlebt, die haben sich von unfairen Spielern vollkommen aus der Konzentration bringen lassen. Exakt das ist es ja, was diese unsportlichen Typen wollen. Sie wollen, dass du dich selbst aus dem Spiel nimmst. Worüber sprechen wir gerade? Über Ablenkungen, die dich völlig aus dem Rhythmus bringen und damit deine Konzentration verbrennen können.
Jeder Spieler hat andere Trigger. Aber jeder Spieler hat Trigger. Schnapp dir eine Tasse heißen Kaffee und analysiere, welche Trigger dich in einem Match ablenken. Ist es der Gegner? Sind es deine zweifelnden Gedanken? Ist es die Spielweise des Gegners, wenn dieser den Ball nur schupft? Was lenkt dich von deiner Konzentration auf das Match ab? Findest du auf diese Fragen ehrliche Antworten, kannst du einen großen Teil deiner Konzentration sparen und für bessere Dinge im Match einsetzen.
Rafael Nadal war in dieser Disziplin ein Meister. Er nutzte seine berühmten Rituale, um sich nur auf das Hier und Jetzt in einem Match zu fokussieren. Es hätten Cheerleader am Spielfeldrand tanzen können. Rafa hätte in aller Seelenruhe seine Flaschen positioniert und sich auf den nächsten Ballwechsel konzentriert.
Schritt #4: Manage dein Konzentrations-Budget
Mit den ersten drei Schritten sparst du dir Konzentration. Jetzt gilt es, diese "neu gewonnene" Konzentration smart einzusetzen. Tennis ist ein unglaublich dynamischer Sport. Mal spielst du für zehn Minuten groß auf, dann hat dein Gegner eine starke Phase.
Dann spielt ihr beide schwach. 15 Minuten später spielt ihr beide euer bestes Tennis des Tages. Ein Match ist immer in einer dieser Dynamiken gefangen. Du kannst dir überlegen, wann du am meisten Konzentration benötigst. Wir haben beim Tennis Punkte, die sind wichtiger als andere. Hier hast du auch wieder Chancen, Konzentration zu sparen und besser einzuteilen. Brauchst du deine volle Konzentration, intern wie extern, wenn du 3:0 führst und 30:0 bei eigenem Aufschlag hast? Eher weniger.
In dieser Spielsituation würde ich dir raten Aufreger zu vermeiden, auf Ablenkungen zu achten und eine gesunde "Ist nicht so wichtig!"-Attitüde zu kultivieren. Die Nerven kannst du dir sparen. Jannik Sinner sagt sehr gerne: “Es ist, wie es ist!”. Damit liegt er richtig. Du kannst vergangene Punkte nicht wiederholen. Du hast aber die Chance, direkt beim nächsten Ballwechsel vieles besser zu machen.
Dann gibt es Punkte, die können die Dynamik eines Matches komplett verändern. Sie können den Ausgang des Matches stark beeinflussen. Das sind die sogenannten Big-Points. Bei diesen Punkten willst du mit maximaler Konzentration in die Ballwechsel gehen. Du willst nicht mental ausgelaugt die wichtigsten Punkte des Matches spielen. Hab ein Auge auf die unterschiedlichen Phasen eines Matches. Manage dein Budget an Konzentration, indem du dir genau überlegst, wann du voll fokussiert in einen Punkt gehst - und wann nicht. Die große Kunst ist es, sich nicht an jedem einzelnen Ballwechsel festzukleben. Du musst nicht jeden Ballwechsel ideal spielen. Du kannst auch mal ein oder zwei Aufschlagspiele "sausen" lassen. Einfach, um deine Konzentration wieder neu zu sortieren.
Roger Federer war ein Meister in dieser Disziplin. Er konnte sich seine Konzentration so einteilen, dass er in den entscheidenden Phasen immer sein bestes Tennis vom Racket lassen konnten. Das war aber nur möglich, weil ihm viele andere Spielsituationen nicht so wichtig waren. Er hakte es ab, wenn der Gegner eine gute Phase hatte. Sein interner Fokus hatte immer die entscheidenden Punkte im Blick.
Schritt #5: Vermeide Perfektionismus
Wir Tennisspieler gehen gerne mit riesigen Erwartungen in unsere Matches. Wir wollen das ideale Spiel zeigen, wenig Fehler machen, Asse servieren und jeden kurzen Ball des Gegners in einen Punkt verwandeln. In der Fantasie ist das eine schicke Sache. Die Realität auf dem Court sieht aber anders aus. Es kann nervenzehrend sein, sich mit seinem Perfektionismus zu raufen. Halte Abstand. Es kann dich Konzentration und Nerven kosten, wenn du jeden Fehler mit dir selbst diskutierst. Verzeihe dir schwächere Phasen. Akzeptiere, dass man beim Tennis oft verlieren wird. Gehe ins Match, um zu lernen. Mit dieser Einstellung kannst du das Kostüm der Perfektion lockern - wenn nicht sogar abstreifen.
Fazit
Du kannst nicht 120 Minuten am Stück dein bestes Tennis spielen. Du musst aber auch nicht nach dem ersten Satz abbauen. Teile dir deine Konzentration klug ein und lerne deine Ablenkungen kennen. Nimm dir nach dem ersten Satz eine kurze Toilettenpause, nutze die Zeit zwischen den Ballwechseln und vor allem beim Seitenwechsel. All diese kleinen Details können deine Konzentration positiv beeinflussen und dich besser Tennis spielen lassen. Auch im entscheidenden Champions-Tiebreak.