Verletzungsschock für Marach!

Das heimische Doppel-Ass konnte zur Titelverteidigung in Hamburg nicht antreten – und muss nun länger pausieren.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 19.07.2012, 08:40 Uhr

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Riesen Schock fürOliver Marach:Der Großteil der restlichen Saison 2012 ist für den Steirer voraussichtlich gelaufen! Am Dienstag, acht Tage nach der Geburt seiner Tochter Leah und einen Tag nach seinem 32. Geburtstag, hat er sich alsTitelverteidigerbeim ATP-World-Tour-500-Turnier in Hamburg böse verletzt – ohne wirklich etwas dafür zu können. Alle Details erzählte Marach tennisnet.com im exklusiven Interview.

Oliver, der Reihe nach, was ist genau passiert?

Ich bin Dienstagfrüh mit meinem PartnerDaniele Braccialitrainieren gegangen. Ich hab ein Schnelligkeitsprogramm gemacht, dann sind wir auf den äußeren 8er-Platz gewechselt. Wir haben uns mitMahesh BhupathiundRohan Bopannaeingeschlagen, dann einen Satz gespielt. Ich war auf der Einstandsseite. Nach etwa 30 Minuten ist es passiert: Bhupathi schlägt auf, ich returniere, er spielt Vorhand-Cross raus aus dem Platz, ich schlage und sehe schon die Plane neben mir, will mich anhalten und knicke mit dem rechten Fuß voll weg – früher als es sonst vielleicht passiert wäre, da auf dem Platz regelmäßig alle 100 Zentimeter Metallpfeiler einer Traglufthalle verteilt sind. Die ragen da einfach zehn Zentimeter aus dem Boden raus, nicht bedeckt, nicht weggetan, nicht abgesichert. Nichts.

War das vorher nicht zu sehen?

Nein, man hat die Pfeiler nicht gesehen. Es hat am Vortag geregnet, alles war dreckig. Und man geht da rüber von einem Platz auf den anderen, schlägt ein und spielt. Da müsste man schon zufällig ganz genau dort hingehen und schauen, damit man das sieht. Aber das ist eh ganz egal, weil die Pfeiler da einfach nicht sein dürften.

Wie ist es weitergegangen?

Ich bin liegengeblieben, blöd mit der linken Hand aufgekommen, das ist auch noch ein kleiner Kratzer geworden. Ich hab versucht aufzustehen, alle haben mir dabei versucht zu helfen, ich hab mich nur noch hinsetzen können, auftreten ist nicht gegangen. Ich bin rausgehumpelt, hab meinen Verband runtergetan, schon gesehen, dass alles geschwollen ist und bin direkt ohne Duschen zum Röntgen gefahren.

Was haben die Ärzte gesagt?

Sie haben gemeint, ich soll noch schnell ein MR machen gehen. Das Syndesmoseband, das Schien- und Wadenbein zusammenhält, ist ab, die Außenbänder sind eingerissen, dazu hab ich auch ein Hämatom. Ich bin dann zurück auf die Anlage gefahren, der Turnierarzt und die Physiotherapeuten haben sich das alle nochmal angeschaut. Man hat mich gleich vorgewarnt: Wenn das Band instabil ist, dann wird es ganz mühsam, dann muss man wohl operieren.

An einen Turnierstart war also bei diesen Aussichten nicht mehr zu denken. Bedeutet: Heimreise, oder?

Ja. Ich bin zurück ins Hotel, hab im Reisebüro angerufen, ob noch ein Flieger geht – und ich hatte zwei Stunden, um fertigzuwerden. Ernst Köppel, mit dem ich die DNA Tennis Academy betreibe und der mein Fitnesscoach ist, haben unsere Sachen gepackt und sind Dienstag noch nach Wien geflogen. Es hat viel Schmerzmittel gebraucht. Die Luft und der Druck beim Flug, das war alles kein Highlight. Wir sind nach Graz ins Spital gefahren. Am Mittwoch hat sich nochmal ein Arzt alles angeschaut, heute macht das ein Spezialist.

Wird eine Operation nötig? Oder kommst du ohne einer aus?

Ich hab gestern mal einen manuellen Test gemacht, es schaut laut Arzt so aus, als ob es nicht nötig ist, zu operieren. Der Fuß ist halt extrem angeschwollen, ich hab mich selbst geschreckt, als ich das gesehen hab. Das sieht aus wie eine doppelte Achillessehne, alles doppelt so dick wie sonst, aber nicht nur punktuell, sondern alles in einem durch. Der Arzt meinte jedenfalls, es ist immer gut, wenn man nicht operieren muss, aber das Brutale ist: Es dauert in jedem Fall gleich lang. Jetzt hab ich mal einen Gips, am Samstag schauen wir dann nochmal rein, wie’s ausschaut, auch mit der Schwellung. Nur eine Bandage wäre zu viel Bewegungsfreiheit, der Gips wird mir also erhalten bleiben.

Was bedeutet das jetzt? Wie lange fällst du ungefähr aus?

Etwa neun Wochen, so wie’s derzeit aussieht. Sechs Wochen lang werde ich den Gips tragen müssen, danach kann ich alles langsam wieder aufbauen, zwei, drei Wochen mindestens. Ich werde in der Zeit nur mit meinem Oberkörper arbeiten können, ab dem Knie darf ich gar nicht belasten. Ich kann auch keine Therapie machen, es ist nicht mit einem Therapeut behandelbar, man kann alles nur ruhigstellen. Ich hab sogar noch Glück im Unglück gehabt. Hätte ich nicht am Fuß stets einen Stützverband oben, wäre alles hin, dann wär’s wohl ein halbes Jahr Pause.

Die US Open gehen sich also wohl auch nicht aus, oder?

Nein, ich kann die US-Tour nicht spielen, den Anfang der Asien-Tour auch nicht. Und dann komme ich bei den großen Turnieren schon nicht mehr rein. Wenn ich müde bin oder mich selbst verletze, kann man nix machen. Aber so, wenn ich nix dafür kann, das ist brutal. Ich bin wenigstens mega-glücklich mit meiner neuen Tochter Leah, daher verkrafte ich das derzeit alles wohl etwas besser.

Herzlichen Glückwunsch! Wann war’s denn soweit?

Am 9. Juli um 16:57 Uhr. Es war verspätet, sie hätte schon am 3. Juli kommen sollen. Daher ist die Geburt dann eingeleitet worden.

Wem ähnelt sie mehr, der Mama oder dem Papa?

Sie hat leider nur Ohren und Nase von mir.(lacht)

Wie geht’s deiner Frau und dem Mädchen?

Die Kleine ist unglaublich! Wobei sie eigentlich alles andere als klein ist: Sie ist so groß wie ein zwei Monate altes Baby, sie ist mit 4,8 Kilogramm und 54 Zentimeter geboren worden. Das ganze Gewand, das wir ihr im Voraus gekauft haben, passt ihr gar nicht, das haben wir weggeben müssen.(lacht)Sie wird auch dementsprechend mehr gefüttert. Derzeit schreit, isst oder schläft sie nur. Es ist ein bisschen hart derzeit, ich bin in Graz und meine Frau kann noch nicht reisen, weil die Geburt problematisch war, da Leah so groß war.

Die Verletzung könnte aber daher sogar was Gutes haben…

Wenn man so will: ja. Jetzt schaue ich mal, was am Samstag bei den näheren Untersuchungen rauskommt. Wenn man eh nix machen kann, dann fahre ich gleich weiter zu meiner Frau nach Genf. Dort kann ich dann nebenbei auch Fitness trainieren. Ein Wunderheiler wäre die andere Option. Aber bei der Verletzung dürfte das eher schwer werden, da wäre offenbar ein anderes Band als das Syndesmoseband besser gewesen.

Verletzungen, Erkrankungen,die Trennungvon Alexander Peya, kein Olympia-Start, jetzt wieder eine Verletzung – eine richtig verpatzte Saison, oder?

Ja, das heurige Jahr ist ein ziemlicher Wahnsinn. So krass hab ich das noch nie gehabt. Ich bin einmal, als ich noch Single gespielt hab, ein halbes Jahr ausgefallen, aber mittlerweile war ich da im Vergleich ja noch gut bedient. Viel hab ich nicht spielen können. Und jetzt passiert das auch noch ausgerechnet mitten im Sommer. Ich hab die letzten Tage wegen meiner Tochter nicht extrem viel trainiert: Einmal mitStanislas Wawrinkain Genf, am Sonntag hatte ich Liga in Erfurt, in Hamburg zweimal mitLukas Rosol,und zwar Single. Ich hab dabei unglaublich gespielt, auch am Vortag noch. Und dann das am nächsten Tag.

Der Jüngste bist du für einen Tennisprofi mit 32 Jahren jetzt auch nicht mehr. Aber Aufgeben ist kein Thema, oder?

Nein. Vielleicht komme ich stärker zurück, das weiß man nie. Aber es ist natürlich immer hart nach so etwas, solche Verletzungen hauen einen halt extrem zurück. Aber es kommt so, wie’s kommen soll, vielleicht sollte ich ja eine Pause machen. Diesmal kann ich halt echt nix dafür.

Jetzt wo du Papa bist: Ist dann in zwei, drei Jahren Schluss, weil du deine Tochter beim Aufwachsen erleben willst? Oder lässt sich das noch nicht sagen?

Natürlich beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Man wird immer glücklich sein, wenn man nach Hause kommt und auch diesen Drang noch mehr haben als sonst. Aber mein Job ist es auch, auf gewisse Art und Weise auf meine Familie aufzupassen. Ich versuche also, meinen Job so gut und lang wie möglich zu machen. Ich will, dass es meiner Familie gut geht. Und ich hoffe, dass es mir in gewissen Situationen auch mehr Kraft auf dem Platz gibt.Bob Bryanist auch Vater geworden, er hat mir gesagt, bei ihm ist es definitiv so. Meine Frau gibt mir natürlich auch Kraft, aber eine „frische“ Tochter, das ist schon was ganz Spezielles.

Und nach der Tennis-Karriere?

Viele wissen gar nicht, wie schwer es ist, danach was zu finden – außer wenn man im Tennis bleibt, wenn man seine Sache gut gemacht hat. Wenn man nicht Top 20 war, kann man sich nicht ausruhen. Aber der Typ bin ich eh nicht. Ich würde gerne was mit Tennis weitermachen: Coachen, Kinder trainieren, vielleicht einen Profi. Sicher mache ich mir darüber Gedanken, vor allem während einer Verletzung. Früher hab ich währenddessen öfter ans Aufhören als Profi gedacht, aber irgendwie ist dann immer wieder alles gut gelaufen. Ich weiß nur, ich würde sehr gerne im Tennis bleiben. Aber jetzt bin ich vor allem mal ziemlich down. Diese Verletzung haut mich echt zurück, ich muss erst mal alles realisieren, was da passiert ist.

Hat sich vom Turnier in Hamburg jemand bei dir entschuldigt? Was haben die Leute zu dem Vorfall gesagt?

Die Meinung von allen – Spielern, ATP-Physios etc. – am Dienstag war: „Ein Wahnsinn, sowas darf nicht sein.“ Ich hab das dem ATP-Tour-Manager, Miro Bratoev, mit dem ich mich gut verstehe, gesagt, nachher ist an der Stelle wenigstens ein Schutz aus Holz hingetan worden. Aber das hätte man vorher machen müssen. Vom Turnier hat sich seither niemand gemeldet, aber ich weiß auch nicht, ob die meine Nummer haben und auch nicht, von wem es denn der Fehler war: von der ATP oder dem Veranstalter.

Du meintest in einem Vorgespräch, das wir geführt haben, „Das hat ein Nachspiel“. Inwiefern?

Ich hab noch nicht genau darüber nachgedacht. Ich weiß nur: Die ganzen Therapien, das MR, das kann ich alles selber zahlen. Ich hab heuer mehr Kosten mit Behandlungen gehabt als ich insgesamt verdienen werde. Allein dreimal hatte ich Reha, permanent Spritzen, fünf bis sechs MR, was vor allem im Ausland nicht gerade billig ist, da kann man mit 1000 Euro oder mehr rechnen. Dazu kommt noch, dass die ATP-Regeln ein Wahnsinn sind. Weil ich vor meinem ersten Match abgesagt hab, bekomme ich auch kein Preisgeld und keine Hospitality und muss mir das Zimmer selbst zahlen.

Was heißt das jetzt? Denkst du an rechtliche Schritte?

Ich hab mir darüber keine genauen Gedanken gemacht. Man muss schauen. Jetzt versuche ich mal nur, meinen Fuß in Ordnung zu bringen.(Foto: GEPA pictures/ Matthias Hauer; Familienfoto: privat)

Das Gespräch führte Manuel Wachta.

von tennisnet.com

Donnerstag
19.07.2012, 08:40 Uhr