Österreichischer Tennisverband präsentiert 7-Punkte-Programm

Der Österreichische Tennisverband hat sein mit 1. Jänner 2016 greifendes Sportkonzept in der Wiener Stadthalle vorgestellt.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 21.10.2015, 19:32 Uhr

Von Manuel Wachta

Nun ist die Katze also aus dem Sack: Der Österreichische Tennisverband hat am Mittwoch zu Mittag am Rande der Erste Bank Open 500 in der Wiener Stadthalle sein neues, mit 1. Jänner 2016 greifendes ÖTV-Sportkonzept vorgestellt. Und zwar, so wie auf tennisnet.com schon im Vorfeld angekündigt, in Form eines Sieben-Punkte-Programms. Dieses umfasst die folgenden sieben Themenbereiche:

1. Individualförderung
2. Nationales Trainingszentrum Südstadt
3. Damentennis - Hauptverantwortlicher Jürgen Waber
4. Entsendungen
5. Turnierbetreuung
6. Nationaltrainings
7. Kids-Bereich

Bereits seit Jahren hatte es im ÖTV an klaren Richtlinien gefehlt, besonders im Förderwesen. So musste man sich gar in der Öffentlichkeit mit den eingestehenden Worten "Es gibt derzeit kein Damentennis-Konzept" präsentieren. In der am 1. März 2015 begonnenen Amtsperiode von Präsident Robert Groß besann man sich im ÖTV nun darauf, sich doch endlich intensiver mit eigentlichen Grundaufgaben des Verbands auseinanderzusetzen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse und Folgerungen wurden an diesem Tag medial verlautbart und diskutiert.

Zentrierung auf die Südstadt "nicht mehr der richtige Weg"

"Wir müssen erkennen, dass wir bei den Damen einen entsprechenden Aufholbedarf haben", sagte Neo-ÖTV-Präsident Groß. "Ich habe im Vorfeld viele Gespräche mit den Spielern, den Eltern und Trainern gehabt, wir haben alles hinterfragt, was die Damen letztendlich brauchen, wo wir helfen können, auch mit österreichischen Experten, so wie Günter Bresnik, Alexander Antonitsch , auch mit Jürgen Waber . Wir haben uns Meinungen eingeholt und aufgrund dieser Expertisen sowie Gespräche das neue Sportkonzept gemeinsam mit Florian Pernhaupt (ÖTV-Sportkoordinator; Anmerkung) , Marion Maruska (ÖTV-Nachwuchskoordinatorin) erarbeitet, auch unser Geschäftsführer Thomas Hammerl hat mitgeholfen."

Wie sehen die Erkenntnisse nun aus? "Dass es bei den Burschen nicht mehr der richtige Weg ist, mit allen finanziellen Mitteln und einem Headcoach alles ins Leistungszentrum Südstadt zu zentrieren. Und bei den Mädchen haben wir analysiert, dass viele Mädchen alleine reisen müssen, weil sie sich keinen Touring Coach leisten können", so Groß. "Wir wollen, dass die besten Köpfe des Landes alle an einem Strang ziehen. Ich will ein Miteinander - und nicht ein Gegeneinander, wie es in den letzten Jahren immer wieder der Fall war. Und es wird daher in Zukunft und ab sofort eine Kooperation mit der Tennisschule Bresnik geben. Bei den Damen haben wir einen neuen Gesamtverantwortlichen im Verband installiert, das ist Jürgen Waber", der Trainer von Barbara Haas und Österreichs Fed-Cup-Kapitän.

Nach diesen einleitenden Worten stellte Groß die Details des Programms vor.

1.) Individualförderung: Der ÖTV fördert künftig eine variable Anzahl der besten Burschen und Mädchen des Landes von 14 bis 23 Jahren, unabhängig von deren Trainingsstandort und Trainerumfeld - mit einer direkten finanziellen Unterstützung im Form einer Einmal-Summe. Die Individualförderung soll es in zwei Höhen geben: 15.000 Euro bei eindeutiger Erfüllung der erforderlichen Kriterien sowie 7500 Euro, über deren Ausschüttung die Sportkommission (diese besteht aus Pernhaupt, Maruska, Waber, Wolfgang Thiem und Groß höchstpersönlich) im Einzelfall entscheiden wird. Die zu erfüllenden Voraussetzungen umfassen hierbei, neben besagter Altersgrenze, eine gute Leistungstendenz (in spielerischer und physischer Hinsicht), Kooperationsbereitschaft und Einstellung zum Sport. Und, nicht sonderlich überraschend, die Position in den internationalen Ranglisten. Die ganz genauen Kriterien sind auf der Verbands-Website hier einsehbar.

Die besten österreichischen SpielerInnen könnten zudem etwa über das "Team Rot-weiß-rot", die Sporthilfe und das Programm "Rio 2016" oder als Heeressportler zusätzlich Unterstützung erhalten.

2.) Nationales Trainingszentrum Südstadt: Dieses ist zukünftig für insgesamt acht Schüler und Heeressportler pro Jahr offen - entsprechende Anfragen würden laut ÖTV-Sportkonzept "von der ÖTV-Sportkoordination beurteilt". Groß führte aus: "Die restliche Südstadt wird als Kompetenzzentrum verwendet, wo die besten Spieler solche Leistungen wie Physiotherapie, Massage, Ernährungsberatung, Mentaltraining und Konditionstraining auf Kosten des ÖTVs in Anspruch nehmen können." Auch sportwissenschaftliche Betreuung und Beratung bei der individuellen Turnierplanung möchte der Verband künftig anbieten. Besonders erfreulich für das österreichische Tennis: Dass sich Österreichs wohl renommiertester Trainer, Bresnik, mit seinen Assistenzcoaches und dem ÖTV-Betreuer Andreas Fasching der technisch-taktischen Tennisausbildung und der Turnierplanung der ÖTV-Spieler annehmen wird - nämlich Lucas Miedler , Luka Mrsic und Gabriel Huber , die als ÖTV-Vertragsspieler in der Tennisakademie von Bresnik mit Wolfgang Thiem arbeiten werden. ÖTV-Trainer Fasching nimmt sich David Pichler und Sebastian Ofner an, die sich derzeit im Heeressportzentrum befinden.

3.) Damentennis - Hauptverantwortlicher Jürgen Waber: Waber werde, sagte Groß, "mit allen guten Spielerinnen in Österreich ständig in Kontakt sein und gemeinsame Trainingstage planen." Linz werde hierbei künftig zur Homebase des heimischen Damentennis. Österreichs vieljährige Nummer eins, die Ex-Weltranglisten-19. Sybille Bammer (im Leistungszentrum in Oberösterreichs Landeshauptstadt aktuell im Team von Barbara Haas tätig), soll unterstützend zur Seite stehen. Als Touring Coach wurde Bernd Wetter gewonnen, ehemals Mitbetreuer des Fed-Cup-Teams und wieder aktueller Trainer von Nicole Rottmann , die derzeit ihr Comeback nach ursprünglichem Karriereende wegen Rückenbeschwerden beginnt. "Ich freue mich sehr, dass wir ihn verpflichten konnten. Die Spielerinnen werden hiermit gemeinsam vom ÖTV auf Turnieren und auch in Österreich bestens betreut", kündigte Groß dazu an. "Für mich ist ganz entscheidend, dass wir ehemalige Spitzenspielerinnen wieder ins Team reinholen." Gespräche habe es auch mit den vom Profitennis zurückgetretenen Patricia Mayr-Achleitner und Yvonne Meusburger gegeben. Die Tirolerin und die Vorarlbergerin stünden aber nicht zur Verfügung, da sie andere Jobs angenommen hätten. Meusburger ist bereits seit Mai für die vom ÖOC und von der Sporthilfe ins Leben gerufene Crowdfunding-Plattform "I believe in you" tätig.

4.) Entsendungen: "Wir werden die besten bis zu 12-, 14-, 16- und 18-jährigen Mädchen und Burschen zusammen als Nationalteam zu Wettkämpfen entsenden", nämlich auf regelmäßiger Basis, so Groß. Der Nachwuchs soll hierbei einheitliche Trainingsanzüge erhalten, Kosten für Anreise, Hotel und Betreuung werden übernommen.

5.) Turnierbetreuung: Der ÖTV will ausgewählte österreichische Jugendliche bei nationalen und internationalen Turnieren betreuen. Franz Kresnik steht einer U14-Gruppe als zuständiger Coach vor, Andreas Fasching einer U18-Gruppe, in der eine kostengünstige Betreuung durch den Nationaltrainer bei ausgewählten ITF-Turnieren möglich sein soll (150 Euro pro Woche).

6.) Nationaltrainings: Der ÖTV will in regelmäßigen Abständen die besten Jugendlichen im nationalen Leistungszentrum Südstadt zusammenführen und lädt diese dabei zu Sparrings mit Jugendlichen aus anderen Bundesländern ein. Die Serviceangebote des "Kompetenzzentrums Südstadt" sollen hierbei freilich zur Verfügung gestellt werden. Die Kosten für Übernachtung und Verpflegung werden vom ÖTV übernommen.

7.) Kids-Bereich: "Hier beschäftigen wir mit Petra Russegger eine ganz eigene Trainerin", so Groß. "Ich freue mich, dass Petra das Talente-Scouting in Österreich übernimmt und Kontakt mit Eltern und Trainern und den besten (bis zu) Zehnjährigen hält." Vier Workshops und vier Sichtungsturniere sollen alljährlich für die besten U9- und U10-Kinder veranstaltet werden. In allen Landesverbänden gäbe es einen eigenen Kidstennis-Beauftragten und es werde nach der "Play and Stay"-Methode der ITF mit den roten, orangenen und grünen Bällen und kürzeren, kindergerechten Schlägern trainiert. "Zusätzlich haben wir auch neun Landesschulreferenten, die aktiv in den Schulen die Sportart Tennis populär machen wollen."

ÖTV lässt sich Sportkonzept 1 Million kosten

Groß zeigte sich felsenfest "überzeugt, dass wir mit dem neuen Konzept die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft stellen." Das Gesamtbudget hierfür bezifferte er mit "rund einer Million Euro" und versicherte gleichzeitig: "Alles, was wir vorhaben, können wir uns leisten. Ich bin froh, wenn wir sehr viele Spieler in dem Förderungskorridor drinnen haben, so viele wie nur möglich, das ist mir wichtig. Und ich garantiere auch dafür, dass das bezahlt wird." Dieses so umfassende Sportkonzept sei auch laut ÖTV-Geschäftsführer Hammerl durchfinanziert. Eine von Groß' Amtsvorgänger Ronnie Leitgeb angedacht gewesene Modernisierung der Südstadt sei "momentan nicht die erste Priorität. Wir müssen erst mal sportlich erfolgreich sein, das ist für mich wichtig." Bei den Herren wolle man 2016 in die Davis-Cup-Weltgruppe aufsteigen: "Das ist ein Ziel, das meines Erachtens erreichbar sein kann, aber nicht muss, wie wir gesehen haben", sagte Groß und äußerte seinen Respekt vor dem ersten Gegner Portugal. Von "einem gewissen Vakuum" sprach Groß offen bei den Damen: "Da sind wir dabei, da ersuche ich sie, uns auch etwas Zeit zu geben. "Wir werden sicherlich alles daran setzen, dass wir dort in den nächsten ein, zwei Jahren wieder eine Top-100-Spielerin haben."

Waber: "Spielerinnen fördern, die auch später eine Chance haben"

Gemäß Waber müsse man "überhaupt mal schauen, dass man viele Mädchen mal dazu bringt, international zu spielen, dort für österreichische Verhältnisse, unter Anführungszeichen, viele Mädchen in die Ranglisten bringt." Man müsse "das Niveau im österreichischen Damentennis allgemein einfach anheben, sodass die Jungen, die jetzt 12, 13, 14 sind, später mal ordentlich gefordert sind, sich schon mal in Österreich behaupten und durchsetzen zu müssen. Und wenn man mehrere Spielerinnen in den Top 200 hat, und das ist schaffbar, bin ich davon überzeugt, dass auch die eine oder andere in die Top 100 kommt - abgesehen von Tamira Paszek , die ja schon bewiesen hat, wozu sie fähig ist, das würde ich mir auch nicht auf meine Kappe heften, wenn sie in die Top 100 kommt." Waber betrachtet die geäußerte Hoffnung hinsichtlich einer baldigen Top-100-Spielerin "als zu speziell aufs Ziel ausgerichtet", die Top 100 seien für ihn das Endziel. Das durch möglichst viele Top-200-Vertreterinnen am besten erreichbar sei. Die Förderungskriterien seien so eingerichtet, "dass natürlich jene Spielerinnen gefördert werden, die auch später eine Chance haben, einmal diese Ziele zu erreichen."

Damen-Zentralisierung in Linz "auf freiwilliger Basis"

Für Waber sei die Frage: "Wie kann man den Spielerinnen in Österreich helfen, die Kriterien zu erfüllen?" Nicht jeder Haushalt oder jedes Umfeld könne sich schließlich Kosten von z.B. 2500 Euro pro Monat für eine qualitativ hochwertige Tennisakademie leisten. "Deshalb muss der Verband meiner Meinung nach auch was für Spieler, die finanziell vielleicht nicht so gut gestellt sind, die aber trotzdem Potential haben und gut sind, anbieten können." Was, so sieht dies Waber, zu dementsprechenden, sinnvollen und machbaren Preisen sein sollte und für die Besten gratis. Linz als Homebase stelle er sich als Anlaufstation vor, wie diese Julia Grabher etwa vor den Generali Ladies Linz zur Vorbereitung nützte: "Wenn jetzt eine Spielerin in der Qualität kommt, soll sie zu uns kommen können. Das kostet sie nichts. Sie soll in der Zeit, in der sie da ist, professionell betreut werden und was mitnehmen können" - ohne dass es dabei eine Rolle spiele, wo eine Spielerin unter dem Jahr sonst trainiere. Dieses Angebot solle auch für die besten Jugendlichen offen sein, "um natürlich eine gewisse Art der Zentralisierung zu schaffen, sodass die Besten dann auch miteinander trainieren, aber eben auf freiwilliger Basis und mit den eigenen Trainern und völlig unkompliziert." Auch eine ganzjährige Betreuung sei für die besten Spielerinnen in einem gewissen Rahmen durchaus vorstellbar.

Nur 5 SpielerInnen derzeit für gänzlich förderungswürdig befunden

Interessant wurde es, am Ende der an die Präsentation des ÖTV-Sportkonzepts anschließende Diskussion, bei der Frage, wie viele Spieler und Spielerinnen denn im Augenblick zur Gänze die Kriterien der Individualförderung erfüllen würden. Die Antwort drauf: Mit Barbara Haas, Mira Antonitsch , Julia Grabher, Dennis Novak und Lucas Miedler befinden sich derzeit bloß fünf Nachwuchstalente im Förderungskorridor, die die vollen 15.000 Euro an Förderungsgeld bekommen könnten (was nicht jene SpielerInnen inkludiert, die 7500 Euro erhalten könnten). Eine eher bescheidene Anzahl, die - so wünscht man es sich auch beim Verband - gerne noch größer werden darf...

von tennisnet.com

Mittwoch
21.10.2015, 19:32 Uhr