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Nichts für schwache Nerven - Steffi Graf gegen Martina Hingis 1999

Am 5. Juni 1999 holte Steffi Graf in Roland Garros ihren 22. und letzten Titel bei einem Major. Der Erfolg gegen Martina Hingis war aus mehreren Aspekten bemerkenswert.

von SID
zuletzt bearbeitet: 04.06.2020, 14:21 Uhr

Steffi Graf hatte 1999 in Paris gut lachen
© GEPA Pictures
Steffi Graf hatte 1999 in Paris gut lachen

Steffi Graf eilte wahrlich nicht der Ruf voraus, sich auf dem Tennisplatz in endlosen Wortgefechten mit Schieds- und Linienrichtern zu verlieren, doch an diesem kühlen 5. Juni 1999 in Paris ist ihr Nervenkostüm auf einmal ausgesprochen dünn. "Was ist jetzt, wollen wir weiterspielen oder rumdiskutieren", fragt sie Stuhlschiedsrichterin Anne Lassere - doch auch die wirkt leicht überfordert. 

Eine maulende, bockige Martina Hingis hat die komplette Dramaturgie des French-Open-Finales in Paris aus den Angeln gehoben. Die 18-jährige Schweizerin ist als Nummer eins der Welt angetreten, mit dem letzten noch fehlenden Titel ihren Karriere-Grand-Slam zu komplettieren, doch dann entgleitet ihr nicht nur das Match.

Den ersten Satz hat Hingis bereits mit 6:4 gewonnen, und Graf, in den Wochen zuvor von Verletzungen und Zweifeln gebeutelt, scheint nicht viel gegen die zwölf Jahre jüngere Gegnerin einzufallen. Auch im zweiten Satz legt Hingis ein 2:0 vor - dann nimmt das Unheil seinen Lauf. 

Anne Lassere gibt einen Return von Hingis "Aus", eine Entscheidung, die diese keinesfalls hinnehmen will. Um sich zu vergewissern, bricht Martina Hingis eine eherne Regel im Tennis: Sie spaziert auf die Seite ihrer Gegnerin, um den Abdruck des Balles selbst zu überprüfen. Es bleibt dabei: Der Ball war draußen.

Graf macht Hingis Mut

Hingis setzt sich auf ihren Stuhl und weigert sich weiterzuspielen. Sie kassiert eine Verwarnung, wenig später den Satzausgleich, sie jammert und lamentiert ununterbrochen. Ihre Mutter und Trainerin Melanie Molitor versucht von der Tribüne aus vergeblich, die Tochter einzufangen, die verspielt derweil das Finale und alle Sympathien.

Im dritten Satz hat Steffi Graf bei 5:2 und 40:30 Matchball, Hingis schlägt von unten auf, das Stadion brüllt die Schweizerin nieder. Graf ist so perplex, dass sie den Return ins Netz schlägt, aufzuhalten ist sie nicht mehr. Wenig später bringt sie ihren sechsten French-Open-Titel nach Hause. Es ist der 22. und letzte bei einem Grand-Slam-Turnier.

Und Martina Hingis? Die verlässt von einem Weinkrampf geschüttelt den Platz, ihre Mutter kann sie kaum überreden, zur Siegerehrung zurückzukehren. Bei dieser Zeremonie findet Steffi Graf dann versöhnliche Worte für die junge Schweizerin: "Du wirst noch viele Titel gewinnen, du hast so viel Zeit." 

Graf nicht mehr: Vier Wochen später verliert sie das Wimbledonfinale gegen Lindsay Davenport, einen weiteren Monat später beendet sie ihre Karriere. Übrigens: Martina Hingis kommt in Wimbledon nicht sonderlich weit, verliert in der ersten Runde gegen Jelena Dokic - und gewinnt nie mehr einen Grand-Slam-Titel im Einzel. 

von SID

Freitag
05.06.2020, 08:15 Uhr
zuletzt bearbeitet: 04.06.2020, 14:21 Uhr