Nikoloz Basilashvili im Interview: "Das waren schwierige Momente, aber ich bereue es nicht"

Nikoloz Basilashvili spricht im großen Interview mit tennisnet.com über seine aktuelle Verfassung, den Stellenwert der Person Jan de Witt in seiner Laufbahn und darüber, wie schwer es ist, aus einem Land wie Georgien an die Spitze des Tennissports zu kommen. 

von Michael Rothschädl
zuletzt bearbeitet: 06.10.2022, 13:16 Uhr

Nikoloz Basilashvili im großen Interview mit tennisnet.com
Nikoloz Basilashvili im großen Interview mit tennisnet.com

Guten Tag, Herr Basilashvili. Sie haben gerade aus dem ATP-500-Event von Astana zurückgezogen. Haben Sie derzeit irgendwelche körperlichen Beschwerden?

Ja, ich habe eine langwierige Verletzung an meinem Ellbogen, die in letzter Zeit sehr ernst geworden ist. Ungefähr vor zwei Jahren habe ich mich einer Operation unterzogen, aber es hat mich seitdem weiter beeinträchtigt. Es war sehr hart. Ende des Jahres werde ich erneut einen Blick darauf werfen, vielleicht werde ich eine weitere Operation machen. Wir werden sehen.

Sie hatten zuletzt harte Wochen. Wimbledon war das letzte Turnier, bei dem Sie zwei Matches hintereinander gewinnen konnten. Ist das darauf zurückzuführen, dass Sie physisch nicht bei 100% waren?

Ja, ich bin ganz sicher nicht bei 100%.

Derzeit ist überhaupt eine schwierige Situation für Sie, Sie werden demnächst 600 Punkte für Ihren Finaleinzug in Indian Wells im Vorjahr verlieren (Anm. Indian Wells wurde im Vorjahr COVID-19-bedingt nicht im Frühjahr, sondern im Herbst gespielt). Fühlen Sie irgendeinen Druck – vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass Sie derzeit nicht 100% fit sind?

Nein, nicht wirklich. Weil ich weiß, wenn ich meinen Ellbogen in den Griff bekomme, frei servieren kann und nicht an die Verletzung denken muss, dass ich ein Spiel habe, um an der Spitze des Rankings zu sein. Ich habe kein Problem damit, in der Weltrangliste zurückzufallen. Für mich ist es derzeit die Priorität, meinen Ellbogen in den Griff zu bekommen – und langsam das Selbstvertrauen zurückzubekommen.

Können Sie präzisieren, um welches Problem es sich hier bei Ihrem Ellbogen handelt?

Es ist am rechten Ellbogen – früher hatte ich ein anderes Problem am Ellbogen, das war mehr am Knochen -, das jetzt nennt sich „Tennis-Ellbogen“, was ein Ligament-Problem ist. Meine Beschwerden haben mit dem Ligament und dem Muskel zu tun. Ich habe schon lange kein MRT mehr gemacht, aber, wenn die Saison vorbei ist, will ich es auf jeden Fall kontrollieren, um zu sehen, was genau hier los ist.

Sie waren sehr erfolgreich auf 250er-, 500er- und sogar auf ATP-Masters-1000-Niveau. Aber bei den Grand Slams konnten Sie bislang nur einmal in Ihrer Laufbahn ein Achtelfinale erreichen. Woran, denken Sie, ist es bislang gescheitert, dass Sie es bei den Majors weiter schaffen?

Das ist auf jeden Fall etwas, das mir gar nicht gefällt. Ich will daran arbeiten. Grand Slams zu spielen, hat für mich die größte Priorität. Das Problem war, als ich 2018 begann, im Ranking nach oben zu kommen, dass es ab dann begonnen hat, dass ich körperliche Beschwerden bekommen habe, wie etwa mit dem Ellbogen. Ich habe mich einer Operation unterzogen, es hat mich viel Zeit gekostet, um zurückzukommen. Ich bin kein Spieler, der Turniere auslässt, wenn er sich schlecht fühlt. Ich spiele trotzdem, weil der Schmerz könnte so oder so nicht schlimmer werden - egal, ob du spielst oder pausierst. Also spiele ich einfach weiter Turniere und versuche, über den Schmerz hinweg zu kommen. Ich hatte eine sehr instabile Karriere, ich hatte viele Aufs und Abs, aber –wie gesagt – ich hatte viele körperliche Beschwerden. Allerdings werde ich auf jeden Fall probieren, dass ich mein bestes Tennis später zur Verfügung habe. Weil ich denke, dass ich jetzt viel mehr Erfahrung im Tennis habe, dass ich jetzt ein völlig anderer Spieler bin - ich verstehe Tennis jetzt viel besser. Wenn ich in der Lage bin, körperlich bei 100% zu sein, dann kann ich ein sehr gutes Level spielen.

Sie waren besonders erfolgreich in Deutschland, wo Sie drei Ihrer fünf ATP-Titel gewonnen haben. Warum fühlen Sie sich auf Turnieren in Deutschland so wohl?

Ich glaube, das ist nur ein Zufall. Ich mag es aber, in Deutschland zu spielen, weil die Bedingungen ein bisschen „heavier“ sind. Meine Schläge, meine Bälle, sie fliegen nicht so weit, sie bleiben eher im Feld. Aber ansonsten macht es nicht wirklich einen Unterschied für mich. Generell mag ich es natürlich, in Deutschland zu spielen. Alles ist sehr gut organisiert und es ist auf jeden Fall eines meiner Lieblingsländer. Vielleicht könnte das ein Grund sein.

Sie haben auch mit einem deutschen Trainer gearbeitet, Jan de Witt. Derzeit ist aber kein offizieller Trainer in Ihrem ATP-Profil ausgewiesen. Mit wem arbeiten Sie zurzeit zusammen?

Fast mein ganzes Team war aus Deutschland. Ich hatte mit Jan de Witt einen extrem guten Tennistrainer, der im Grunde meine gesamte Tenniskarriere verändert hat – vom Dasein als Rookie hin zu einem Profi. Ich hatte sehr gute Leute um mich herum, aber ich habe vor ungefähr eineinhalb Jahren aufgehört, mit Jan de Witt zu arbeiten, weil wir der Meinung waren, dass ich nicht in der besten Verfassung war, als dass ich Jans Hilfe hätte gebrauchen können. Vielleicht – ich weiß es nicht – könnten wir in der Zukunft erneut zusammenarbeiten. Derzeit aber habe ich keine Basis. Ich habe drei Jahre lang in Deutschland, in Halle, trainiert, derzeit bin ich meistens zuhause in Georgien oder auf Turnieren. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.

Sie haben Ihr Heimatland Georgien erwähnt. Es ist ein Land mit fast keiner Geschichte im professionellen Tennis. Wie schwierig, denken Sie, ist es für Spieler aus Ländern wie Georgien, an die Spitze des Sports zu kommen?

Es war sehr schwierig, keine Frage, weil niemand in meiner Familie Erfahrung im Tennissport hatte. Außerdem ist Georgien eines der Länder, das keine große Tennis-Geschichte hat, wir haben auch kaum Infrastruktur. Also war es extrem schwierig: Ich bin in die USA gezogen, als ich 13 war. Ich habe für acht Jahre dort trainiert – und es war ein Hin und Her: Manchmal war ich in Georgien, manchmal in den USA. Aber meistens in den USA. Dann bin ich zurück nach Georgien gezogen, damals war ich 22 Jahre alt. Dann musste ich im Wesentlichen meine professionelle Karriere von Grund auf beginnen. Denn ich war ungefähr auf Platz 600 in der Weltrangliste, ich spielte nicht wirklich gut, aber ich begann dann, mich wirklich auf mich selbst zu konzentrieren. Und dann habe ich es irgendwie geschafft, von Georgien aus den Durchbruch zu schaffen. Das war etwas ziemlich Besonderes.

In einem Interview vor einigen Jahren haben Sie eine Geschichte von Ihrem Vater geteilt, der Sie in der Jugend zu Turnieren gefahren hat, manchmal haben Sie dort sogar im Auto übernachtet. Wie war es für Sie möglich, mit jungen, wirklich professionellen Spielern mitzuhalten angesichts dieser schwierigen Umstände?

Ich hatte einige Momente wie diese, denn Tennis braucht eine Menge Mittel am Anfang, bis man ein Profi wird. Wir hatten nicht wirklich so viel Geld in der Familie, um in der Lage zu sein, frei zu den Turnieren zu reisen. Und ich hatte keine andere Unterstützung. Das waren schwierige Momente, aber ich bereue es nicht – es waren ziemlich gute Zeiten. Als ich begann, mit Jan zu arbeiten, war ich bereits ungefähr auf Platz 80, da war es viel einfacher. Aber auch als ich auf Platz 80 stand, hatte ich keine Ahnung, was es heißt, professionell zu arbeiten, Disziplin zu haben und all das. Aber von da an hat die Arbeit mit Jan so ziemlich alles verändert.

In vielen anderen Ländern ist es normal, vier, fünf starke Spieler innerhalb einer Generation zu haben. Ich gehe davon aus, in Ihrer Jugend war die Situation eine andere. Wurden Sie gewissermaßen als ein einsamer Wolf aufgezogen?

Ich war auf jeden Fall allein. Ich hatte keinen Coach, bis ich 24 Jahre alt war, also wirklich, wirklich spät. Ich hatte niemanden. Jan war die erste Person, die wirklich ein Coach, ein Mentor für mich war. Aber ich habe auf der anderen Seite eine Menge gelernt in dieser Zeit, in der ich allein war und mit und an mir selbst gearbeitet habe. Ich bin auf jeden Fall einer der Spieler, die großen Wert darauflegen, wie sie sich fühlen, wie sich ihr Körper fühlt, welches Level sie spielen. Ich bin sehr stark in diese Details involviert, weil ich so lange allein war. Diese Angewohnt bleibt bestehen.  

Es gibt kaum einen Spieler, der so heavy und so fest spielt, wie Sie es tun. Benutzen Sie irgendein besonderes Equipment, hinsichtlich Ihrer Bespannung vielleicht?

Nein, ich verwende sogar viel härtere Seiten, damit meine Schläge nicht so weit gehen. Ich weiß nicht, wieso ich so viel Power habe. Manchmal haben wir ein Problem, diese Kraft zu kontrollieren, manchmal habe ich Probleme damit, etwas langsamer, ruhiger zu spielen. Als ich jünger war, habe ich sehr viel Fitness gemacht, vielleicht hat mir das geholfen, wirklich stark zu werden. Ich habe ein sehr aggressives Tennis, das ist mein Spiel.

Sie sind der einzige georgische Spieler innerhalb der besten 500. Wie erleben Sie die Einstellung in Ihrer Heimat Tennis gegenüber? Gibt es großes Interesse in Ihre Person?

Ja, ich habe viele Fans in Georgien und die Menschen unterstützen mich großartig. Ich hatte offensichtlich nicht so ein gutes letztes Jahr, aber ich habe mich damit abgefunden. Wir werden auf jeden Fall versuchen, dass ich nächstes Jahr mein bestes Tennis spielen kann. Ich muss mein bestes Spiel finden, ich weiß, dass es da ist. Aber ja, ich habe auf jeden Fall sehr starken Support von den Menschen in Georgien.

Sie sind Anfang des Jahres 30 geworden, das ist möglicherweise ein guter Punkt, um ein paar Ziele für die letzten guten Jahre Ihrer Karriere zu machen. Was sind Ihre zentralsten Ziele für Ihre restliche Laufbahn?

Ich hatte sehr, sehr hohe Ziele für dieses Jahr. Für mich war es sehr speziell, im Finale von Indian Wells zu spielen und ich hatte das Gefühl, dass ich mein Spiel ein bisschen ruhiger durchziehen konnte. Natürlich war es tough, das Finale zu verlieren, weil ich den ersten Satz gewonnen und im zweiten 3:1 geführt habe. Aber ich hatte ein sehr gutes Gefühl auf dem Court. Das Wichtigste für mich ist es, mich gut am Court zu fühlen und mein Bestes geben zu können. Auf jeden Fall hatte ich einige Ziele für dieses Jahr, in den Top-10 zu sein zum Beispiel, aber es ist nun einmal nicht passiert. Nächstes Jahr liegt mein Fokus nicht auf speziellen Weltranglistenpositionen oder irgendwelchen Turniersiegen, mein Fokus liegt darauf, mich gut auf dem Court zu fühlen, gut zu spielen und das auf den Platz zu bringen, was ich auf den Platz bringen möchte. Und dann – wenn ich das wirklich schaffe – kann ich wirklich gut spielen und in den Rankings nach oben klettern.

Zum Abschluss: Langsam, aber sicher neigt sich die Herrschaft der „Big Three“ einem Ende zu, man hat bei einigen ATP-Masters-1000-Events – Miami zum Beispiel - gesehen, dass es wirklich sehr offen und schwer vorherzusehen war, wer den tiefen Run schaffen und den Titel gewinnen könnte. Denken Sie, dass es jetzt einfacher wird, den Grand-Slam-Run bzw. eine Überraschung bei den großen Turnieren zu schaffen?

Ich würde sagen, ja. Viele Spieler haben eine viel größere Chance, Turniere zu gewinnen. Weil ich glaube, dass Roger, Rafa und Novak eine Generation waren, die super, super einzigartig war. Sie sind einzigartige Spieler. Jetzt, wo sie langsam zurücktreten und älter werden, ändert es sich und es haben viele Spieler die Chance, ein Grand Slam zu gewinnen. Das macht es auf jeden Fall interessant, würde ich sagen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Sehr gerne.

von Michael Rothschädl

Donnerstag
06.10.2022, 13:02 Uhr
zuletzt bearbeitet: 06.10.2022, 13:16 Uhr