Petkovic verpasst Duell mit Serena - 9 deutsche Herren überzeugend

Andrea Petkovic konnte nicht an die gute Leistung aus 's-Hertogenbosch anknüpfen. In Wimbledon ist nach Runde 1 Schluss.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 22.06.2010, 14:37 Uhr

Von Jörg Allmeroth und Jan Lüdeke

London. Als Andrea Petkovic um genau 14 Uhr Ortszeit im All England Club einen Tennisball weit über Platz 14 hinausjagte, fast bis ins internationale Fernsehzentrum, da war alles vorbei: Das erste Wimbledon-Gastspiel, das erhoffte Centre Court-Rendezvous mit Titelverteidigerin Serena Williams – und ein Auftritt unter den Augen von Königin Elizabeth II am Donnerstag. „Der Frust sitzt jetzt schon tief“, sagte die mit viel Vorschußlorbeeren und ehrgeizigen Hoffnungen angereiste Hessin, die der ehemaligen Top Fünf-Spielerin Anna Tschakwetadse (Russland) mit 6:3, 4:6 und 4:6 unterlag.

Bundestrainerin Rittner hatte das frühe Aus befürchtet

Sie war nach den letzten Ergebnissen so etwas wie die deutsche Hoffnung für Wimbledon gewesen, doch nun ist nach der 1. Runde schon wieder Schluss für Andrea Petkovic (Foto: J. Hasenkopf). Nur enttäuschende 112 Minuten dauerte so Petkovics Mitwirken bei den Rasenfestspielen im Londoner Südwesten -  112 Minuten, in denen die stolze Finalistin des Turniers in s´Hertogenbosch aller hochfliegenden Erwartungen beraubt wurde. Und zwar nicht einmal unverdient oder unglücklich: „Dass ich heute verloren habe, ist absolut ärgerlich, aber auch okay.“ Auch Bundestrainerin Barbara Rittner konstatierte nüchtern: „Es war schon eine schwere Auslosung. Und es war auch das schwere Spiel mit dem Ergebnis, das ich insgeheim befürchtet hatte.“

Mitarbeiter des Tages aus Deutschland war der Lübecker Tobias Kamke, der eine großartige Aufholjagd gegen den Spanier Guilermo Garcia-Lopez mit einem 5:7, 2:6, 7:5, 6:4, 6:4-Sieg krönte. „Ich habe immer an meine Chance geglaubt, selbst als es finster aussah“, sagte der Kämpfertyp aus dem hohen Norden, der im dritten Satz, bei 3:5-Rückstand, nur noch ein Spiel vom schnellen Wimbledon-Aus entfernt war. Kamke hatte zuletzt auch bei den French Open als Qualifikant überzeugt, der noch bis in die zweite Runde des Hauptfeldes vorgestoßen war. Er spielt nun gegen den Italiener Andreas Seppi.

Neben Kamke setzten sich am Dienstag auch Andreas Beck (Foto: J. Hasenkopf) (7:6, 6:3, 6:4 gegen den Briten Jamie Baker) und Philipp Petzschner (6:4, 7:6, 4:6, 2:6, 6:4 gegen den Franzosen Stephane Robert) durch. Für Veteran Nicolas Kiefer, der 1997 als Debütant das Viertelfinale erreicht hatte und mit einer Wild Card ins Hauptfeld gekommen war, blieb sein Gastspiel 2010 ein flüchtiges Vergnügen: Der 32-jährige verlor glatt mit 4:6, 2:6 und 3:6 gegen Spaniens Weltklassemann David Ferrer. Auch Simon Greul schied nach einer 6:7, 3:6, 2:6-Niederlage gegen den Franzosen Florent Serra aus. Sein schwäbischer Landsmann Michael Berrer gab seine Partie gegen den Ukrainer Illya Marchenko beim Zwischenstand von 3:6, 5:7 wegen einer Sprunggelenksverletzung auf.

Petkovic kämpfte verbissen - und vergeblich

Für Petkovic war das Aus gegen Tschakwetadse der zweite herbe Nackenschlag bei den Grand Slam-Turnieren des Frühlings: Nach dem Matchball-Drama bei den French Open gegen die 2009-Siegerin Swetlana Kusnetsowa – sie vergab dort vier Siegpunkte – verspielte die derzeit beste deutsche Tennisspielerin in Wimbledon erst ihre Satzführung, dann ihre Dominanz übers Match und schließlich auch noch den Einzug in die zweite Wettbewerbsrunde. Petkovic kämpfte verbissen, energisch und trotzig, doch es war ein unglücklicher Fight, bei dem sie sich in den entscheidenden Momenten immer wieder selbst Nackenschläge zufügte – ob mit Doppelfehlern oder einfachen Schnitzern. „Als ihre Gegnerin sich immer mehr traute, hat Andrea immer mehr zu zögern begonnen“, sagte Beobachterin Rittner. Sie sei „leider nicht so aggressiv gewesen“ wie geplant, befand Petkovic selbst: „Da habe ich heute wieder Lehrgeld kassiert.“

Den Schatz an negativen Erfahrungen vergrößert

Petkovic erhielt also mal wieder einen Dämpfer. Bereits vor dem Wimbledon-Start hatte die Hessin im Interview mit tennisnet.com die knappen Niederlagen gegen die Topspielerinnen Serena Williams, Justine Henin und eben Svetlana Kuznetsova an fehlender Erfahrung festgemacht: „Diese Unerfahrenheit zeigt sich eben noch manchmal. Aber die Betonung liegt hier eindeutig auf noch. Wenn man jedes Mal knapp verliert, dann wird demnächst auf jeden Fall auch ein Sieg dabei sein.“ Doch bei der Niederlage gegen Chakvetadze sei sie „leider nicht so aggressiv gewesen“ wie geplant, befand Petkovic selbst: „da habe ich heute wieder Lehrgeld gezahlt.“

Optimistischer Blick in die Zukunft

Die turbulentesten fünf Monate in Petkovics Karriere gingen in Wimbledon mit dem Knockout gegen die auf Platz 118 der Weltrangliste abgerutschte Tschakwetadse jäh und unvermutet zu Ende. Die 22-jährige erlebte seit Februar eine wunderliche Abenteuerreise und lotete alle Höhen und Tiefen im Wanderzirkus aus: „Es war wie ein Crashkurs, ich habe Erfahrungen in kurzer Zeit gemacht, für die andere drei Jahre brauchen.“ Allein im Fed Cup wechselten Petkovics Gefühlswelten von todtraurig bis himmelhochjauchzend – mal war sie die gescheiterte Führungsfigur in der ersten Länderspielpartie des Jahres in Tschechien, mal genoß sie große Glücksmomente auf heimischem Terrain bei zwei Einzelsiegen gegen Frankreich. „Ich sage mir jetzt: Es wird der Punkt kommen, an dem ich diese Erfahrungen auch in Spielen nutzen werde und in die zweite Woche bei einem Grand Slam komme. Noch fehlt mir aber die Abgeklärtheit in vielen Spielen“, sagte Petkovic.

Gegen Tschakwetadse war das vor allem in den zugespitzten Situationen der Partie zu sehen, jeweils bei einem 4:5-Rückstand im zweiten und dritten Satz. Beide Male verlor die 22-jährige da ihren Aufschlag, einmal zum Satzausgleich, einmal zum Matchverlust. „Das sind die Big Points, die man eben machen muss. Oder man verliert eben“, sagte Petkovic lakonisch.

Aufgrund der Niederlage, wird in ihrem Matchreport zunächst das möglich gewesende Zweitrundenmatch gegen die Vorjahressiegerin Serena Williams (Foto: J. Hasenkopf) fehlen. Die Weltranglistenerste setzte sich ohne Probleme gegen die erst 17-jährige Portugiesin Michelle Larcher de Brito durch. Das 6:0, 6:4 war für Williams nicht mehr als ein lockerer Spaziergang. Das wäre ein Spiel gegen Petkovic mit Sicherheit nicht geworden.

von tennisnet.com

Dienstag
22.06.2010, 14:37 Uhr