"Wird schwer, uns 2017 zu schlagen"

Philipp Petzschner hat für das DTB-Team viele Schlachten geschlagen. Der Doppelspezialist befindet sich nach einer mysteriösen Virusinfektion auf dem Weg zurück in die erweiterte Weltspitze. Vor der Davis-Cup-Partie gegen Belgien (ab Freitag, 14 Uhr live auf DAZN) schätzt der 32-Jährige das deutsche Team ein, erklärt die Faszination Davis Cup, berichtet von eigenen Fehlern und beschreibt den beschwerlichen Weg zurück an die Spitze.

von Jannik Schneider
zuletzt bearbeitet: 30.01.2017, 13:08 Uhr

Philipp Petzschner spielte letztmalig im Februar 2016 für Deutschland im Davis Cup

Nicht nur deswegen ist "Petzsche" gut gelaunt. Nach einer langen Ausfallzeit ist der Doppelspezialist gerade aus Melbourne zurückkehrt, wo er wieder Matchpraxis sammeln durfte.

SPOX: Herr Petzschner, für Sie war es verletzungstechnisch mit einem mysteriösen Virus ein bitteres Jahr 2016. In den vergangenen Monaten haben Sie sich wieder herangekämpft ans Profitennis. Wo sehen Sie sich körperlich und spielerisch in diesen Tagen?

Petzschner: Ich weiß nicht, ob die 100 Prozent, die ich körperlich und sportlich wieder abrufen kann, mein Maximum sind - oder ob da noch was geht. Ich bin auf einem sehr guten Weg. Spielerisch fühle ich mich wieder sehr, sehr wohl. Körperlich ist soweit auch alles gut. Nach langen Reisen, wie jetzt aus Australien, habe ich ein, zwei Tage Probleme. Dort habe ich aber zwei gute Matches gespielt, hatte nicht das Auslosungsglück, um vielleicht noch weiter zu kommen.

SPOX: Ihr Partner vor der langen Auszeit, Alexander Peya, schlägt dieses Jahr mit dem Kroaten Mate Pavic auf - das war so abgesprochen: Ihre angesprochenen Matches haben Sie mit Robin Haase und bei den Australian Open mit Florian Mayer bestritten. Bleibt das so, oder sind Sie auf der Suche nach einem festen Partner?

Petzschner: Jein! Zunächst bestreite ich das kommende Turnier in Sofia nochmal mit Robin Haase - wir kennen uns schon länger. Deutsche Konstellationen wie mit Flo, Philipp Kohlschreiber oder vielleicht auch mit einem der beiden Zverev-Brüder habe ich immer sehr gerne. Natürlich halte ich aber Ausschau nach einem festen Partner. Für ein erfolgreiches, eingespieltes Doppel macht das einfach Sinn, und das ist auch mittelfristig wieder das Ziel.

SPOX: Davis-Cup-Teamchef Michael Kohlmann hat Ihnen kürzlich in einem Interview eine Hintertür für das Nationalteam offen gehalten ob Ihrer Doppelexpertise. Balsam für die geschundene Sportlerseele?

Petzschner: Es freut mich sehr. Es ist Ziel jedes deutschen Spielers, Davis Cup spielen zu dürfen, und natürlich würde ich mich über jede Einladung freuen. Wir haben 2017 ein sehr schlagfertiges Team, das nicht nur gegen Belgien bestehen kann. Sobald der Teamchef und das Team denken, dass ich ihnen helfen kann, stehe ich natürlich bereit.

SPOX: Sie können mit Ihrer Erfahrung auf eine Vielzahl von Einsätzen zurückblicken. Gibt es eine Begegnung, die Ihnen noch besonders präsent ist?

Petzschner: Die intensivste Nominierung war sicherlich das Viertelfinale 2008 in Bremen gegen Spanien.

SPOX: Ich hätte gewettet, Sie nennen jetzt den Sieg gegen Kroatien 2011. Da haben Sie doch bärenstark gespielt.

Petzschner: Sportlich gesehen, klar: Da habe ich Doppel und Einzel gewonnen und wir waren erfolgreich. Aber in Bremen waren mehr als 12.000 Zuschauer in der Halle. Die Spanier waren dort mit ihrer Topmannschaft: Nadal, Ferrer, Verdasco, Lopez. Das war mein emotionalster Davis-Cup-Moment, weil einfach die Stimmung in der komplett ausverkauften Halle der Wahnsinn war - ein Wow-Moment! Hinzu kam noch das Marathonmatch im Doppel.

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SPOX: Es war mit knapp fünf Stunden das längste Davis-Cup-Doppel in der Geschichte des DTB.

Petzschner: Richtig. 10:12 im fünften Satz mit "Kohli" gegen Lopez/Verdasco - bitter. Aber da haben wir gegen 13 Uhr angefangen und abends immer noch gekämpft. Bei all den Reformwünschen und dem Zeitmangel rund um den Davis Cup: Dieser Wettbewerb hat schon ein ganz eigenes Flair und solche Matches begeistern auch die Menschen.

SPOX: Sie brennen für diesen Teamwettbewerb. Wie haben Sie die Kommunikation rund um die Absagenflut für das Relegationsmatch vergangenen Herbst gegen Polen erlebt?

Petzschner: Auch nur aus der Presse, da ich wegen der Erkrankung außer Gefecht war und nicht beide Seiten anhören konnte. Es ist natürlich ein schwieriges Thema und es ist immer schade, wenn so viele absagen. Am Ende hatten wir aber immer noch ein schlagkräftiges Team beisammen, dass das Spiel gegen Polen siegreich gestalten konnte.

SPOX: Der DTB und der Teamchef hatten daraus zunächst Konsequenzen gezogen und wollten eine Gruppe von Spielern nicht mehr nominieren. Am Ende steht Dustin Brown etwas alleine da als Sündenbock, oder?

Petzschner: Ein kurzer Vergleich zum Fußball: Wenn Carlo Ancelotti sich dazu entscheidet, Joshua Kimmich anstelle von Philipp Lahm aufzustellen, dann sollte man den Spieler, der nicht spielt, oder den Trainer nicht an den Pranger stellen, solange das Team gewinnt. Für das deutsche Tennis muss gelten: Die Vergangenheit ist vorbei, die Zukunft ist wichtig. Wir haben eine sehr, sehr gute Truppe, und viele potenzielle Kandidaten zur Nominierung, um den Davis Cup erfolgreich zu gestalten. Darauf sollten sich alle fokussieren.

SPOX: Zum Auftakt geht es gegen Belgien. Deren Nummer eins, David Goffin, hat aufgrund der Strapazen in Australien abgesagt. Wird das Spiel nun zur lästigen Pflichtaufgabe?

Petzschner: Die Goffin-Absage hilft sicherlich. Aber die Belgier sind dennoch brandgefährlich. In Steve Darcis haben sie jemanden, der im Davis Cup immer über sich hinauswachsen kann. Ihr Doppel hat vergangenes Jahr die Weltklassepaarung Melo/Soares geschlagen. Ruben Bemelmans, mit dem ich auch schon Doppel gespielt habe, ist ein guter Mann. Außerdem hat Belgien in den vergangenen zwei Jahren als Team für Furore gesorgt. Unterschätzen ist nicht. Dennoch haben wir das stärkere Team und ich bin mir sicher, dass wir gewinnen.

Petzschner: Alles. Das muss man ganz klar so formulieren. Wir haben mit Alexander Zverev den besten U21-Spieler der Welt und mit Philipp Kohlschreiber jemanden, der sehr erfahren ist und bereits wahnsinnig erfolgreich gespielt hat. Das ist eine gute Kombination. Jetzt haben wir noch den Luxus, dass Mischa Zverev von Selbstvertrauen strotzt und mit dem Sieg über Andy Murray gezeigt hat, was im "Best of Five"-Modus alles möglich ist. Wenn die Mannschaft dieses Jahr so zusammenbleibt, dann wird es schwer sein, uns 2017 zu schlagen.

SPOX: Zurück zu Ihnen. Nach ihrem ganzen Verletzungspech: Können Sie da überhaupt noch mittel- oder langfristig planen?

Petzschner: Ich möchte bei den großen Turnieren irgendwann wieder angreifen, das ist mittelfristig schon das Ziel. Die kurzfristige Planung steht aber über allem. Ich spiele die kommenden Wochen Sofia und Rotterdam, dann Dubai oder Acapulco. Ich kann und will nicht zu weit vorplanen und vor allem nicht zu stark forcieren, muss immer schauen, wie der Körper reagiert. Deswegen plane ich momentan nur von Woche zu Woche und schaue dabei, dass ich die Trainingsbelastung stetig steigere und jeweils einen Ticken mehr leisten kann. Ich genieße einfach, dass ich wieder Sport auf hohem Niveau betreiben kann - es sah lange Zeit nicht danach aus. Und dann schauen wir mal, wie hoch es im Ranking nochmal geht.

SPOX: Was bedeutet denn für Sie einen "Ticken mehr machen" - wie hoch ist ihr Trainingspensum, gerade im Vergleich mit dem jungen, verletzungsfreien Philipp Petzschner?

Petzschner: Ungefähr die Hälfte. In der Vorbereitung habe ich drei Stunden am Tag absolvieren können, je anderthalb Stunden Tennis und Kondition, ohne dabei Rückschläge zu erleiden. Das war sehr angenehm und reicht wahrscheinlich für einen reinen Doppelspieler auch aus. Im Vergleich zu früher fehlen mir da aber nochmal drei Stunden täglich. Wichtig ist aber, dass ich mir nicht zu viel zumute, nicht Grenzen austeste, sondern lieber beständig und kontrolliert arbeite. Sonst sitze ich in zwei Wochen beim Physiotherapeuten mit Schmerzen am Knie oder an der Schulter.

SPOX: Haben Sie rückblickend in der Hinsicht vielleicht Fehler begangen? Zu viel trainiert, oder nach einer Verletzung zu früh angefangen?

Petzschner: Im Nachhinein bist du immer schlauer, klar. Das ein oder andere Mal hätte ich mehr forcieren müssen. Einmal habe ich nach einer Schulterverletzung zu früh wieder angefangen. Eine Geschichte ist noch sehr präsent: Ich hatte nach den US Open 2010 kurz vor den ATP-Finals, für das ich mit Jürgen Melzer qualifiziert war, einen vierfachen Bänderriss und habe mich nicht operieren lassen, sondern gespielt. Das war im Nachhinein sicher ein Fehler.

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SPOX: 2010 war Ihre beste Saison ...

Petzschner: Ja, schon und ich wollte das Saisonfinale unbedingt spielen. Deswegen kannst Du solche Dinge nie mit reinem Gewissen beantworten. Als Sportler vertraust Du ein Stück weit dem Körper und willst spielen. Nochmal: Im Nachhinein ist man immer schlauer, aber Garantien gibt es nie. Vergangenes Jahr lag ich wegen des Virus ganze zwei Monate im Krankenhaus und kein Arzt konnte mir sagen, was ich genau habe. Aber nach Hause durfte ich ebenfalls nicht, weil die Gefahr bestand, dass ich umkippe. Aber das ist jetzt zum Glück alles Vergangenheit.

SPOX: Deshalb zurück in die Gegenwart: Sie fühlen sich ja selbst sehr wohl am Netz. Waren Sie überrascht, dass Mischa Zverev in Australien so erfolgreich gespielt hat?

Petzschner: Nein, aber ich habe es ehrlich vermisst. Ich hatte ihn auch noch nie so offensiv erlebt. Auch nicht, als seine aufsteigende Tendenz Ende 2016 etwa in Shanghai schon erkennbar war - da spielte er noch etwas defensiver. Diese Aggressivität war echt schön anzusehen und auch etwas Neues. Nicht dieses Monotone von der Grundlinie, was sich generell im Tennis eingeschlichen hat. Die Art und Weise wie er das gegen Murray runtergespielt hat, davor habe ich großen Respekt.

SPOX: Generell kann man als Beobachter nur zu dem Eindruck kommen, dass sich das Brüderpaar in der jetzigen Konstellation sehr, sehr gut tut.

Petzschner: Sie profitieren im hohen Maße voneinander. Auf der einen Seite schaut der Kleine immer zu seinem großen Bruder auf und hört auf seinen Rat. Auf der anderen Seite hat Mischa auf dem Weg zurück in der ständigen Trainingsarbeit mit Sascha gemerkt, dass er nicht weit entfernt ist von ihm. Und Sascha ist im Ranking ja beständig gestiegen. Das war sehr wichtig für Mischa, diesen Vergleich zu haben, wenn du nochmal von ganz hinten anfangen musst. So steigt der Glaube an die eigene Stärke. Und jeder, der Geschwister hat, weiß, wie viel Geschwisterliebe helfen kann. Für beide und das deutsche Tennis ist das natürlich sehr, sehr gut.

Deutschland - Belgien in der Übersicht

von Jannik Schneider

Montag
30.01.2017, 13:08 Uhr