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Pliskova-Coach Sascha Bajin im Interview: "Ich will, dass Karolina auf Sieg spielt"

Karolina Pliskova steht in Wimbledon zum zweiten Mal in ihrer Karriere in einem Grand-Slam-Finale. Wir haben vor dem Endspiel gegen Ashleigh Barty mit ihrem Trainer Sascha Bajin gesprochen.

von Nikolaus Fink
zuletzt bearbeitet: 10.07.2021, 10:01 Uhr

Sascha Bajin führte Karolina Pliskova ins Endspiel von Wimbledon
© Getty Images
Sascha Bajin führte Karolina Pliskova ins Endspiel von Wimbledon

Herr Bajin, Ihr Schützling Karolina Pliskova kam nach zwei Niederlagen in Berlin und Eastbourne nicht gerade in Bestform nach Wimbledon. Wie erklären Sie sich ihre Leistungsexplosion?

Es ist schwer, dafür einen genauen Moment auszumachen. Ich glaube, dass wir schon in der Vorbereitung auf das Turnier gute Arbeit im Training geleistet haben. Sie hat sich im Training immer relativ gut gefühlt, es war für sie aber schwer, das auch im Match zu zeigen. Zudem hängt im Match nicht immer alles nur von dir, sondern auch von den Gegnerinnen ab. Irgendetwas ist aber in der ersten Runde gegen Zidansek (Tamara, Anm.) bei 2:5 im ersten Satz passiert. Ich weiß nicht genau, was war, aber sie ist von der Bank aufgestanden und hat irgendwie anders ausgehen - als hätte es in diesem Moment irgendwie "Klick" gemacht. Seither hat sie anders gespielt und der Blick in ihren Augen war ein anderer - irgendwie hat sie in diesem Moment den Schalter umgelegt. So sah das zumindest von außen aus. Anders kann ich mir das nicht erklären. Ich bin froh, dass es bis jetzt so gehalten hat.

Haben Sie mit ihr über diesen Schlüsselmoment gesprochen?

Ja, ich habe mit ihr darüber gesprochen. Ich habe ihr gesagt, dass sie seit diesem 2:5 anders ist. Ich habe ihr direkt nach dem Match auch gesagt, dass - sollte sie ihr Auftreten, ihr Mindset und die Körpersprache so beibehalten - wir in zwei Wochen noch hier sein und uns über diesen Moment unterhalten werden. Ich habe versucht, ihr ab diesem Tag einzureden, dass sie nicht mehr tun muss, aber auch auf keinen Fall weniger machen darf und dann wird sie hier im Finale stehen. Mich freut es, dass das dann so funktioniert hat.

Ein weiterer Schlüsselmoment dürfte auch das Comeback im Halbfinale gewesen sein. Pliskova war im ersten Satz zwar gefühlt die bessere Spielerin, dieser ging dennoch an Aryna Sabalenka. Wie schwer war es für Ihren Schützling, diesen Rückschlag zu verdauen und worauf führen sie das geglückte Comeback zurück?

Es ist natürlich unglaublich schwer, so etwas in einem Grand-Slam-Halbfinale zu verarbeiten. Da hat sich gezeigt, dass sie die mentale Stärke hat, die auch die Großen in den entscheidenden Momenten auszeichnet. Ich glaube, das kommt von unserer gesamten Zusammenarbeit. Damit meine ich die guten Momente im Training, die positive Energie im Team, die auch von ihrem Mann und dem Physiotherapeuten ausgeht, und den Umstand, dass wir ihr gut zureden. Das Vertrauen ist da. Es war so, dass sie leicht negativ wurde. Eine der wichtigsten Sachen, über die ich mit ihr viel gesprochen habe, ist, dass sie den Unterschied zwischen Negativität und Frustration versteht. Das sind zwei verschiedene Sachen. Es ist okay, dass sie sich ärgert. Das ist menschlich. Aber sie darf nicht negativ werden. Wenn sie sich ärgert, weil sie den ersten Satz verloren hat, ist das vollkommen okay und ein ganz normales Gefühl. Sie darf sich aber nicht denken, dass es jetzt keinen Sinn mehr macht. Das ist nicht okay. Das sind zwei verschiedene Dinge. Ich glaube, dass durch die ganze positive Energie in unserem Team die Sache eher in Richtung Frustration und weg vom Negativen geht. Das erlaubt ihr, weiterhin zu kämpfen, im Moment zu bleiben und Punkt für Punkt zu spielen. Sie fokussiert sich auf die guten Sachen. Zum Beispiel, dass sie gegen Sabalenka schon im ersten Satz die bessere Spielerin war, es dann eben im zweiten Durchgang klappen wird und man auch im dritten Satz neu anfangen kann.

Sie haben diese mentale Komponente bereits im tennisnet-Gespräch im Dezember als Hauptgrund angeführt, warum es bei Pliskova bislang noch nicht mit einem Grand-Slam-Sieg funktioniert hat. Sie steht nun in ihrem zweiten Major-Endspiel. Was muss sie anders machen als bei den US Open 2016? Inwiefern werden Sie ihr durch Ihre Erfahrungen mit Naomi Osaka und Serena Williams helfen können?

Ich werde ihr weiterhin so viel Selbstvertrauen wie möglich geben. Das fängt beim Aufwärmen an. Ich werde sie nicht korrigieren, wenn sie etwas falsch macht, sondern ihr positiv zusprechen, wenn sie etwas richtig macht. Ich kann als Coach ja entscheiden, ob ich bei einem schwächeren Schlag sage "Geh mehr unter den Ball" oder bei einem guten "Das war richtig gut, das will ich sehen". Da muss ich ein bisschen auf meine Wortwahl achten. Das sind Kleinigkeiten. Am Ende machen wir immer noch ein bis zwei Übungen, die ihr gut tun. Wir hören nie mit dem Aufschlag oder dem Return auf, sondern mit Sachen, bei denen sie aggressiv sein kann. Das können Angriffsbälle oder Volleys sein - also Dinge, die sie gut macht. Sie soll vom Platz gehen und sich gut fühlen. Dann hoffe ich natürlich, dass Ash Barty, die auch noch nie in einem Wimbledon-Finale war, ein bisschen nervös ist und es auf gleicher Ebene ausgespielt wird.

Im Head to Head führt Barty mit 5:2, die vergangenen drei Duelle gingen ebenfalls an sie. Was muss Karolina anders machen als zuletzt?

Gerade auch das letzte Match in Stuttgart (2:6, 6:1 und 7:5 für Barty, Anm.) war wieder so knapp. Karolina hat zum Matchgewinn aufgeschlagen und war zwei Punkte vom Sieg entfernt. Also gibt es auch nicht so viel, was man anders machen muss oder kann. Vielleicht ein paar Kleinigkeiten hier, ein paar Kleinigkeiten da. Ich glaube aber wirklich, dass es auf das "emotional management" ankommen wird. Sie muss ruhig bleiben und ich will, dass Karolina auf Sieg spielt und nicht, um nicht zu verlieren. Ich hoffe, dass sie sich das zu Herzen nimmt. Ich will sehen, dass sie das Spiel in ihre Hand nimmt. Da sie schon siebenmal gegeneinander gespielt haben, weiß sie ein bisschen, was sie erwartet. Darauf werde ich sie vorbereiten.

Barty ist auch dafür bekannt, mit sehr viel Variation zu agieren. Wie will Karolina ihr diesen Spielwitz nehmen?

Ich werde ihr zwei bis drei taktische Anweisungen mit auf den Weg geben. Ich will schon sehen, dass sie diese umsetzt. Genaueres kann ich aber leider nicht verraten.

Zum Abschluss noch eine persönlichere Frage: Für Sie ist es das erste Wimbledon-Finale als Headcoach. Fühlt sich das aufgrund der Historie und der Bedeutung des Turniers etwas anders an als in Melbourne oder New York?

Es ist mir natürlich nicht egal, weil jedes Grand-Slam-Finale etwas Besonderes ist. Klar ist Wimbledon sehr speziell, ich muss aber auch sagen, dass es auch etwas hatte, mit Naomi gegen Serena bei den US Open zu spielen (lacht).  Es war auch eine Art von Druck, als Naomi in Australien gewinnen musste, um Nummer eins der Welt zu werden. Ich will nicht sagen, ein Endspiel ist wichtiger als das andere. Ich war hier mit Serena als Hitting Partner so oft im Finale. Das heißt - egal, ob das jetzt als Headcoach oder Hitting Partner war - ich bin es so ein bisschen gewohnt. Vielleicht kann ich Karolina insofern mit meiner gewissen inneren Ruhe helfen, weil ich hier eben schon so oft im Finale war. Ich war in meiner Vergangenheit ein bisschen erfolgsverwöhnt und ich glaube, dass mir das jetzt zugutekommt.

Vielen Dank für das Gespräch.

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