Porsche Tennis Grand Prix - Keine Knalleffekte in der Wohlfühloase

Die Bilanz für das deutsche Damentennis fällt nach dem Ausscheiden von Angelique Kerber beim Porsche Tennis Grand Prix in Stuttgart nicht unerwartet ernüchternd aus.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 28.04.2019, 12:33 Uhr

Angelique Kerber war geschwächt nach Stuttgart gekommen
© Getty Images
Angelique Kerber war geschwächt nach Stuttgart gekommen

Der DJ in der Stuttgarter Porsche-Arena gab sich alle Mühe, die gute alte Zeit noch einmal heraufzubeschwören. Und so schmetterte Helene Fischer am Freitagabend wieder einmal „Atemlos durch die Nacht“, als Angelique Kerber auf dem Centre Court im Einsatz war. Kerber ist ausgewiesener Fischer-Fan, und ihr Song war so etwas wie die Begleitmelodie der Turniersiege von Kerber in den Jahren 2015 und 2016 beim Porsche Grand Prix. 

Aber 2019 ist ein anderes Jahr für Kerber, jedenfalls bisher. Ein anderes Jahr auch fürs deutsche Frauentennis und sein wichtigstes Schaufenster, für den Topwettbewerb in Stuttgart. Kerber kämpft nach dem Wimbledonsieg der Vorsaison mit den Tücken des Alltags, beim Turnier in Baden-Württembergs Landeshauptstadt auch mit den Nachwirkungen einer schweren Erkältung. Atemlos zog sie nicht durch die Matches, sondern unfreiwillig kurzatmig. Sie keuchte, sie hustete, sie ächzte schwer. Sie gewann ein Spiel, ehe sie im Viertelfinale gegen die Niederländerin Kiki Bertens ausschied. 

Heiße Endphase ohne deutsche Beteiligung

„Unter den Umständen war das ganz ordentlich“, sagte Kerber, „ich muss nun wieder Schritt für Schritt zu voller Kraft kommen:“ Als es in die heiße Endphase des Turniers ging, war allerdings so keine Deutsche mehr vertreten. Ein Knalleffekt wie noch vor zwei Jahren, als Lokalmatadorin Laura Siegemund den Pokal strahlend in die Höhe reckte, blieb aus. Julia Görges war selbst verletzt in Stuttgart ins Rennen gegangen, Andrea Petkovic wirkte verbessert, aber ihre Formkurve ist launisch. Eine wie die ehemalige Wimbledon-Finalistin Sabine Lisicki scheiterte gleich in der ersten Qualifikationsrunde.

Es war allerdings auch ein ehrliches, ungeschminktes Bild des deutschen Frauentennis, das sich in Stuttgart bot, in der eigentlichen Wohlfühloase der nationalen Elite. Einerseits, weil noch immer die Hoffnungen auf der Ü30-Generation um Kerber, Julia Görges und Andrea Petkovic ruhen. Andererseits, weil sich hinter diesen verdienten Kräften eine große Lücke auftut. Eine Lücke, über die DTB-Abteilungsleiterin Barbara Rittner gerade erst sagte, sie werde nicht kleiner, „sondern immer größer.“ Sie sprach auch von einem „beängstigenden Gesamtbild.“ In der Generation hinter Kerber und Co., also in der Altersgruppe um Mitte bis Ende Zwanzig, gibt es tatsächlich keine Spielerinnen, die in der engeren oder erweiterten Weltspitze vertreten sind. Einziger Hoffnungsschimmer ist die Rheinländerin Anna-Lena Friedsam, die sich nach einer längeren Verletzungspause wieder nach vorne kämpft. In Stuttgart rackerte sich Friedsam tapfer durch die Qualifikation wenigstens ins Hauptfeld, es sind kleine Schritte, mit denen es vorwärts geht. 

Spielerinnen noch enger an den DTB binden

Beim DTB setzen sie vorerst noch auf die älteren Semester. Kerber und ihre Weggefährtinnen sollen mit einer bis Mitte Dreißig verlängerten Karriere die Zeit überbrücken, „bis eine neue Generation am Start ist“, wie Rittner sagt. Spielerinnen aus den Jahrgängen 2002 und 2003 hat Rittner da im Auge, etwa die Schwenningerin Alexandra Vecic, die Hamburgerin Eva Lys, Julia Middendorf  aus Vechta oder Mara Guth aus dem südhessischen Usingen. „Diese Spielerinnen müssen wir noch enger an den DTB binden, es geht hier um eine Vollgas-Förderung“, so Rittner, „diese Mädels können in die Fußstapfen unserer goldenen Generation um Angie Kerber treten.“ Die DTB-Coaches Dirk Dier und Jasmin Wöhr sollen deshalb auch noch enger im Trainingsalltag mit den Teenagerinnen arbeiten, außerdem soll eine noch bessere Verknüpfung zwischen Schule und Tennisaufgaben ermöglicht werden. „Das ist Pflicht, sonst verlieren wir den Anschluß an die Konkurrenz aus anderen Ländern, speziell aus Osteuropa und Asien“, sagt auch DTB-Vizepräsident Dirk Hordorff. 

Immerhin kann der DTB nach langen Jahren zäher Verhandlungen nun auf größere Zuschüsse des Bundesinnenmisteriums zurückgreifen, die Förderstrukturen, sagt auch einer wie Herrentennis-Chef Boris Becker, sind „im internationalen Vergleich absolut wettbewerbsfähig“: „Es kommt eigentlich auf den einzelnen Spieler, auf die einzelne Spielerin an. Und da brauchen wir auch eine größere Risikomentalität“, so Becker, „die Bereitschaft, noch konsequenter aufs Tennis zu setzen.“

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von Jörg Allmeroth

Sonntag
28.04.2019, 15:33 Uhr
zuletzt bearbeitet: 28.04.2019, 12:33 Uhr

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