Quiet-Eye-Training: Warum das ruhige Auge dein Spiel verbessert
Der Punkt beginnt als Rückschläger idealerweise mit einem gelungenen Return. Wie man sich dabei das “ruhige Auge” vom Rekord-Grand-Slam-Champion Novak Djokovic zunutze machen kann, verrät der Tennis-Insider Marco Kühn.
von Marco Kühn
zuletzt bearbeitet:
06.12.2025, 11:19 Uhr

Diesen Gesichtsausdruck kannte man nur aus dem Kino, wenn sich das Publikum bei einem Horrorfilm erschrocken hatte. Novak Djokovic brachte diese Mimik auf den Tennisplatz. Mit weit aufgerissenen Augen bereitete er sich auf den Return vor. Erst wurde die Position an der Grundlinie gecheckt. Dann wurde der Körperschwerpunkt nach unten verlagert. Rücken gerade. Dann kamen diese weit aufgerissenen Augen, die den Gegner starr ins Visier nahmen. Voller Fokus auf den nächsten Punkt.
Ist der Djoker von allen guten Tennisgeistern verlassen? Oder nutzte er eine mentale Technik, die auch jeder andere Spieler nutzen kann? Lass uns in diesem Artikel herausfinden, was es mit diesen weit aufgerissenen, starren Augen auf sich hat.
Was ist Quiet-Eye-Training?
Beim Quiet-Eye-Training trainierst du deinen Blick auf den Ball. Das klingt im ersten Moment nicht sehr sexy. Wir Tennisspieler sprechen gerne von einem Tunnel und wie man "in der Zone spielen kann". Was aber bedeutet es, in einer solchen Zone zu spielen? Oder in einem Tunnel? Faktisch meinen wir damit, den Ball so groß wie eine Melone zu sehen. Du willst dich von nichts ablenken lassen. Es gibt für einen kurzen Moment nur deinen Schlag und den Ball.
Beim Quiet-Eye-Training lernst du, dich vor dem Schlag auf den Ball zu fokussieren. Nicht auf deine negativen Gedanken oder eine Ablenkung von außen. Es gibt vielerlei Unfug, den man mit seinen Gedanken vor einem Schlag so anstellen kann. Das Anschauen des Balles wird im Verlauf eines Matches von Nerven, Emotionen und Ängsten verdrängt. Dann konzentrierst du dich mehr auf die Sprüche des Gegners, als auf den Ball.
Den Fokus in längeren Ballwechseln zu halten ist eine Fähigkeit, die dein Spiel auf Dauer spürbar verbessern kann. Kurzum: Du trainierst mit dem Quiet-Eye-Training deine Auge-Hand-Koordination.
Welchen Effekt hat das Quiet-Eye-Training auf dein Spiel?
Kennst du das, wenn du dich im Verlauf des Matches von äußeren Umständen ablenken lässt? Das kann ein blöder Zuschauer sein, dein Gegner, Nieselregen, die ständig wechselnde Sonne oder ein Platzfehler kurz vor der Grundlinie. All das zieht dich am Lacoste-Kragen aus deiner Konzentration heraus.
Quiet-Eye-Training schult deinen Geist, dich wieder zu refokussieren. Eine Fähigkeit, die beim Tennis wichtiger ist, als stur 120 Minuten wie ein Stoiker emotionslos zu 100 % konzentriert spielen zu wollen. Du kannst im Wahnsinn eines Tennismatches nicht 120 Minuten im Tunnel spielen. Du heißt ja nicht Jannik Sinner. Aber selbst der Südtiroler Rotschopf verlegt in 120 Minuten mal eine Vorhand. Eine Rückhand hingegen nicht.
Welche Effekte kann diese Art des Trainings auf dein Spiel haben? Du triffst den Ball sauberer und spürst deine Schläge besser auf dem Schläger. Du stehst pünktlich zum Schlag bereit. Viele Spieler laufen im Verlauf eines Ballwechsels in den Ball hinein. Der Abstand zum Ball stimmt nicht. Du stehst zu eng oder zu weit vom Ball entfernt. Schaust du den Ball fokussiert an, richten sich deine Bewegungen am Ball aus. Du stehst durch das aufmerksame Anschauen des Balles besser zu deinen Schlägen. Du bekommst alle Bewegungsabläufe besser unter einen Hut.
All diese kleinen Details führen zu weniger Fehlern, höherem Selbstvertrauen und einem größeren Mut in wichtigen Matchsituationen.
Warum ist ein ruhiges Auge beim Tennis wichtig?
Mit einem ruhigen Auge schaust du den Ball besser an. Du kannst dich besser zum Schlag positionieren. In längeren Rallys fällt es dir leichter, das Timing zu jedem einzelnen Schlag zu finden. Hier werden Spieler gerne von Schlag zu Schlag hektischer.
Was unterschätzt wird:
Ein ruhiges Auge hilft dir beim nervlichen Reset. Es ist leicht, unter Stress wild durch die Gegend zu blicken. Wer gestresst ist, der sucht mit seinem Blick nach Hilfe. Aber wer starr auf einen fixen Punkt blickt, der beruhigt bis zu einem gewissen Grad auch seine Nerven. Das heißt nicht, dass ruhige Augen jedes nervliche Problem eines Tennisspielers lösen. Aber das ruhige Auge ist ein Ankerpunkt, der im Verlauf eines Matches helfen kann, cool zu bleiben.
Lass uns das kurz am Beispiel des Seitenwechsels durchgehen:
Du bist auf 180, weil du beim letzten Punkt die Vorhand aus dem Halbfeld drei Zentimeter neben die Seitenlinie gesetzt hast. Du liegst jetzt 4:5 hinten, anstatt 5:4 zu führen. Du setzt dich auf die Bank und würdest im Normalfall den Seitenwechsel nutzen, um dich so richtig im Ärger über diesen Fehler zu suhlen. Dabei würden deine Augen durch die Gegend irren. Dein Blick wäre kreuz und quer - wie deine Gedanken.
Setzt du dich aber auf die Bank, wirfst dir ein Handtuch über den Kopf und nimmst den Netzpfosten ins Visier, dann bleiben deine Augen ruhig. Fixierst du den Netzpfosten mit deinen Augen, kommst du eher zur Ruhe, als wenn du dies nicht tun würdest. Du gibst dir dann eine größere Chance dich nervlich zu resetten.
Ein solcher Reset kann dich dann in eine viel bessere Ausgangslage für die Entscheidung des Satzes bringen. Bei 4:5 aus deiner Sicht brauchst du Fokus, Konzentration und emotionale Gelassenheit. Du willst deine Punkte planen, konzentriert servieren oder dich fokussiert zum Return bereitstellen.
Verrückt, was ein kleines Detail wie das ruhige Auge für dich tun kann, nicht wahr? Lass uns zum Schluss darüber sprechen, wie du das ruhige Auge aktiv trainieren kannst.
Wie kann man das ruhige Auge trainieren?
Du kannst das Fixieren des Balles in jedem Training oder Trainingsspiel üben. Jepp, es ist eine Übungssache. Die Aufmerksamkeit auf den Ball zu trainieren ist wie das Trainieren des Bizeps. Viele Wiederholungen über eine längeren Zeitraum bringen dich ans Ziel. Nichts wird von heute auf morgen funktionieren.
Dafür ist allerdings ein Umdenken erforderlich. Ein Trainingsspiel ist dann nicht mehr dazu da, ein möglichst gutes Ergebnis mit nach Hause zu bringen. Du kannst dir stattdessen Mini-Ziele für deine Trainingsspiele setzen. Das kann zum Beispiel so aussehen:
- Trainingsspiel 1: 7x bewusst (!) den Ball anschauen
- Trainingsspiel 2: 5x bewusst (!) den Ball anschauen
- Trainingsspiel 3: 10x bewusst (!) den Ball anschauen
Das Trainingsspiel war erfolgreich, wenn du diese Ziele in diesem Trainingsspiel erreicht hast. Mit der Zeit wirst du deinen Blick auf den Ball verbessern können.
Sage dir vor einem Ballwechsel, dass du dich bewusst nur auf das Anschauen des Balles fokussieren willst. Das kann zum Beispiel so aussehen: "Okay, jetzt Blick nur auf den Ball!". Oder auch: "Alles ausblenden, nur den Ball fokussieren!". Setze das bewusste Anschauen des Balles als oberste Priorität. Nicht das Ergebnis des Trainingssatzes.
Beim Return beginnt dieses Anschauen bereits ab dem Auftippen des Balles des Gegners. Nimm den Ball ins Visier, sobald dein Gegner mit seiner Aufschlagbewegung beginnt. Konzentriere dich nicht auf deinen Split-Step, nicht auf deine Ausholbewegung und auch nicht auf das Ziel deines Returns. Vertraue deinem Unterbewusstsein. Fixiere den Ball. verfolge ihn mit deinen Augen, wenn dein Gegner ihn auftippt. Deine Augen gehen dann mit, wenn der Ball zum Ballwurf hoch geht.
Fazit
Was habe wir in diesem Artikel gelernt? Das Quiet-Eye-Training ist die Kunst, den Ball auch in langen Ballwechseln aufmerksam anzuschauen.
Wer es schafft sich mehr auf den Ball zu konzentrieren, der kann sein Timing beim Schlag und damit seine Fehlerquote verbessern. Eine geringere Fehlerquote führt so gut wie immer zu einem größeren Selbstvertrauen in das eigene Spiel.
Das Quiet-Eye-Training hilft aber auch bei den Nerven. Beim Seitenwechsel kannst du dir einen fixen Punkt suchen, diesen mit deinen Augen "festhalten" und durchatmen. Diese Strategie ist definitiv ratsamer, als sich beim Seitenwechsel über den letzten Vorhand-Fehler zu ärgern.
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