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Roger Federer nach Halle-Aus: „Das war nicht der Spieler, der ich sonst bin“

Roger Federer hat nach seinem frühen Aus in Halle erst mal einige Zeit gebraucht, um sich zu sammeln.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 17.06.2021, 15:16 Uhr

Roger Federer
© Getty Images
Roger Federer

Auch nach den bittersten Niederlagen macht Roger Federer eigentlich gern kurzen Prozess. Schnell rein in die Pressekonferenz, ein paar pflichtschuldige Anmerkungen zum sportlichen Aus, vielleicht noch ein Lob für den Gegner und den Turnierveranstalter – und dann nichts wie weg vom Ort des Scheiterns.

Doch als Federer am späten Mittwochnachmittag so früh wie noch nie in seinem sonstigen Tennis-Paradies Halle ausgeschieden war, mit 6:4, 3:6 und 2:6 in Runde zwei gegen den 20-jährigen Kanadier Felix Auger-Aliassime, tauchte der Weltstar erst einmal für längere Zeit ab. Eine Stunde verstrich, noch eine weitere Stunde zog ins Land: Wo war Federer? Was hatte das Verschwinden zu bedeuten? Erst um 19.15 Uhr war der 39-jährige dann wieder zu sehen, beim virtuellen Pressegespräch meldete sich Federer mit den Worten „Hallo, Leute“ wieder zurück.

Federer: "Wer weiß, wozu ich mich hätte hinreissen lassen"

Und es dauerte dann auch nicht lange, bis Federer erklärte, warum er erst einmal von der Bildfläche verschwunden war, weg ins nahegelegene Spielerhotel, zu seiner Familie, zu seinem Team. „Ich wollte kein verschwitztes Interview geben, in der ersten Erregung. Ich brauchte meine Zeit, ich brauchte Abstand. Wer weiß, wozu ich mich hätte hinreissen lassen“, sagte Federer. Ja, wozu? Vielleicht zu einem Wimbledon-Verzicht? Vielleicht zu einer wütenden Selbstanklage, zu ärgerlicher, wütender Analyse des am Ende verstörenden Auftritts? „Es war gut, dass ich mich in Ruhe mit meinem Team besprochen habe“, sagte Federer dann, „jetzt gilt das Motto: Kopf hoch und weiter. Wimbledon wird einen anderen Federer erleben. So etwas wie hier wird nicht wieder passieren.“

Womit der 20-malige Grand-Slam-Sieger natürlich das triste, beklagenswerte Finish des Spiels gegen den hochtalentierten Auger-Aliassime meinte. Nach dem 1:1-Satzausgleich des Herausforderers, der auf den Tag genau 19 Jahre jünger ist als Federer, brach der Halle-Rekordchampion (zehn Titel) katastrophal ein. Federer tat etwas, was ihm eigentlich von Natur aus fremd ist: Er ließ die Partie laufen, er wehrte sich nicht mehr, er verlor ohne wirklichen Kampf, ohne echtes Aufbäumen. „Das war nicht der Spieler, der ich sonst bin“, sagte Federer später mit nüchterner Härte, „dieses Haltung war einfach schlecht.“ 

Federer: "Schlusssatz kann ich nicht akzeptieren"

Federer wirkte in jenen Minuten und Momenten beinahe, als sei er unter einer erdrückenden psychischen Last begraben: Die langen Monate der verzweifelten Comeback-Anstrengungen, nun die alltäglichen Mühen der Etappe – und die ins Bewusstsein eingesunkene Erkenntnis, wie schwer die Rückkehr in die Weltspitze letztlich sein wird. „Auf einmal merkst du, wie hart du um jeden Punkt, um jedes Spiel, um jeden Sieg fighten musst“, sagte Federer. Und als er da in den Spielpausen auf seinem Stuhl saß, mit hängenden Schultern und verbitterter Miene, gab es auch niemanden, der ihn wirklich hätte auf muntern könnte – die Pandemie, das verwaiste Stadion, die fehlenden Fans, die fehlenden Sprechchöre taten ihr Übriges. Die einsamen Anfeuerungsrufe von Ehefrau Mirka oder Trainer Ivan Ljubicic konnten Federers Stimmung allein jedenfalls nicht aufhellen. „Es war einfach ein Unglück, wie das hier heute endete“, sagte Federer später, „so einen Schlusssatz kann ich nicht akzeptieren von mir.“

Eins ist noch einmal klarer geworden bei diesem kürzesten Gastspiel Federers überhaupt in Halle (er schied bis zum Mittwoch noch nie vor dem Viertelfinale aus): Sein Comeback nach zwei Knieoperationen und mehr als einjähriger Wettkampfpause von Januar 2020 bis März 2021 wird ihm mehr abverlangen als jeder seiner 20 Grand-Slam-Siege oder sonstigen Centre-Court-Coups. Sein schwerster Gegner ist diesmal er selbst, der Roger Federer, der nach einer mutmachenden Reha-Zeit nun ins Zweifeln und Grübeln gekommen ist. Der offenbar zu früh zu viel von sich erwartet hat. „Es ist ganz schwer zu prognostizieren, wohin der Weg führt“, merkte der deutsche Spitzenspieler Jan-Lennard Struff an, „die Zeit ist nicht stehen geblieben. Es ist auf jeden Fall ungewohnt, ihn so oft verlieren zu sehen.“ Gerade in Halle werde es nun schlicht „merkwürdig“ sein, so Struff, „dass Roger am Finalwochenende fehlt.“

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von Jörg Allmeroth

Donnerstag
17.06.2021, 12:57 Uhr
zuletzt bearbeitet: 17.06.2021, 15:16 Uhr

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