Stefan Koubek im tennisnet-Interview: „Mit Thomas Muster habe ich mich sehr gut verstanden“

Die Amtszeit von Stefan Koubek als österreichischer Davis-Cup-Kapitän ist mit der Davis-Cup-Finalrunde in Innsbruck zu ihrem Ende gekommen. Im Interview mit tennisnet.com spricht Koubek über prägende Matches, fordernde Kapitäne und die Chancen in Südkorea.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 11.12.2021, 11:36 Uhr

Stefan Koubel wird dem österreichischen Davis-Cup-Team im Erfolgsfall erhalten bleiben
© GEPA Pictures
Stefan Koubel wird dem österreichischen Davis-Cup-Team im Erfolgsfall erhalten bleiben

tennisnet: Herr Koubek. Wenn Sie auf Ihre Zeit als Davis-Cup-Kapitän zurückblicken - welche Höhepunkte werden Sie in Erinnerung behalten?

Stefan Koubek: Die größte, positive Überraschung war natürlich der Sieg in Russland. Aber: Gleich die erste Partie in Schweden 2015 war hochinteressant. Dort hat Gerald Melzer bei 2:2 den entscheidenden Punkt geholt (gegen Christian Lindell, Anm. d. Red.). Gerald fühlt sich bekanntlich auf Sand am wohlsten, hat dort aber auf Hartplatz eine echt gute Partie gespielt. Dazu kommt: Es waren im Vorfeld nicht alle glücklich, als ich gesagt habe, dass der Gerald spielt. Aber der hat dann geliefert.

tennisnet: Was haben Sie als Kapitän Ihren Spielern aus den Erfahrungen Ihrer aktiven Zeit mitgeben können?

Koubek: Ich habe ja über zehn Jahre lang selbst Davis Cup gespielt. Und Partien wie 1999 gegen Magnus Gustafsson bleiben einfach im Gedächtnis hängen. Ich habe mit 10:8 im fünften Satz gewonnen, im letzten Game stand es bei Aufschlag Gustafsson 40:0 - und ich habe ihn noch gebreakt. Das war eine Sensation, dass wir Jungen die damals noch starke Tennis-Nation Schweden mit Magnus Norman, Gustafsson und Thomas Johansson besiegen konnten. Gegen Norman hat Markus Hipfl am Freitag gewonnen, ich habe gegen ihn verloren, weil ich am letzten Tag genauso fertig war wie der Gustafsson. Der wiederum gegen den Markus eingeschaut hat.

tennisnet: Glorreiche Erinnerungen …

Koubek: Die wichtigsten Dinge, die ein Davis-Cup-Kapitän seinen Spielern mitgeben kann, sind aber andere: Nämlich bei Matches, in die man nervös reingeht, in denen man unsicher ist. Wie bei Partien vor eigenem Publikum, wo man vielleicht schon einmal versagt hat. Als Außenstehender kann man das nicht verstehen. Zu sagen: „Du bist Außenseiter, geh rein, spiel einfach“ - das ist natürlich viel zu wenig. Du spielst für die Nation, Du spielst für Dein Team, mit dem Du die ganze Woche zusammen bist. Das ist eine andere Belastung als bei einem Turnier. Ich habe gegen Dänemark eine grottenschlechte Partie gespielt, war zwei Sätze und Breakball hinten - und habe dennoch noch gewonnen. Das ist im Format heutzutage natürlich anders. Da kann es schon mal schnell gehen.

tennisnet: Hat Sie einer der Kapitäne zu Ihrer aktiven Zeit mit seiner Art beeinflusst, wie Sie dann selbst als Teamchef agiert haben?

Koubek: Zu Beginn war die Situation mit Günter Bresnik natürlich großartig. Der war ja auch mein Coach. Ich musste gefühlt immer ein wenig mehr leisten, weil ich ja von ihm komme. Das hat der Günter auch umgesetzt. Da habe ich einiges gelernt. Wenn man erfahrener wird, sich im ATP-Zirkus etabliert hat, dann ändert sich das. Man wird selbständiger. Aber ich habe mich zum Beispiel mit Thomas Muster sehr gut verstanden. Beim Tom hat man immer das Gefühl gehabt, dass er auf der Bank mitspielt. Bei der Persönlichkeit und dem Ehrgeiz von Muster kannst Du gar nicht lockerlassen. Das hat mir gut getan. Ich bin damals extra eine Woche früher nach Graz gefahren, habe mit ihm trainiert. Mit Gilbert Schaller war es on and off. Eigentlich waren wir gut befreundet, dann hat es einmal was gegeben - aber das gehört auch dazu. Der Kapitän muss eine Entscheidung. Und die Spieler müssen damit leben.

tennisnet: Sind Sie selbst auch in so eine Situation als Kapitän gekommen?

Koubek: Die erste war jene 2015 in Schweden. Damals hat jeder damit gerechnet, dass der Jürgen spielt. Der war aber nicht gut drauf und ist dann selbst zu mir gekommen und hat gesagt, ich soll den Gerald spielen lassen. Ich habe natürlich immer versucht, die Entscheidungen mit den Spielern gemeinsam zu treffen. Wo ich ein bisserl drüber gestanden bin, war vielleicht beim letzten Davis Cup in Innsbruck: Wo ich mich dafür entschieden habe, Jurij Rodionov erst am Sonntag spielen zu lassen. Im Training hatte ich den Eindruck, dass Gerald Melzer mehr Selbstvertrauen hat. Und dass Jurij vielleicht tight werden könnte. Der war mit meiner Entscheidung nicht glücklich.

tennisnet: Gespielt hat gegen Serbien dann ja Gerald Melzer. Und das sehr gut.

Koubek: Genau. Ich habe das auch mit dem Jürgen besprochen, der als Sportdirektor beim Team war. der hat auch den Gerald für den Freitag vorne gesehen. Dass ich dann am Sonntag den Jurij habe spielen lassen, damit war dann auch nicht jeder glücklich. Letztendlich hat aber Jurij den einzigen Punkt am Wochenende für uns geholt.

tennisnet: Wie war das Coaching von Gerald Melzer am Freitag gedacht? Jürgen Melzer hat seinen Bruder durch das Match ja sehr intensiv begleitet.

Koubek: Das ist ja auf der Hand gelegen. Dass der Gerald mehr Vertrauen in den Jürgen hat, ist ebenfalls klar. Das war auch so abgesprochen. Ich habe Jürgen darum gebeten, sich Gerald ans Herz zu nehmen, weil er ihn so gut kennt wie kein anderer. Ich musste als Kapitän nie alles selbst machen. Wenn ein Spieler seinen Trainer mitbringen wollte, dann konnte er das machen. Im Davis Cup muss der Kapitän darauf schauen, dass das Umfeld passt, dass alle gut drauf sind. Weil die Spieler sind erfahren, reisen das ganze Jahr mit ihren Coaches herum. Die brauchen niemanden, der ihnen erzählt, was sie machen sollen. Mit einem Doppel, das gemeinsam an der 80 kratzt, wäre das ja auch Wahnsinn. Das ist bei einer jungen Truppe anders.

tennisnet: Die lange Leine hat also funktioniert?

Koubek: Ich glaube, dass man den Spielern die Freiheit geben kann. Weil sie den Rest des Jahres selbständig unterwegs sind. Meine Vorgabe war nur: Ich möchte, dass Ihr am Spieltag ready seid. Und dabei helfe ich Euch. Wenn ich um sechs Uhr aufstehen soll, damit wir trainieren, dann mache ich das auch. Ihr müsst mir nur kommunizieren, was Ihr wollt.

tennisnet: Nun ist diese besondere Konstellation entstanden, dass Sie bei Erreichen der Finalrunde 2022 neben dem neuen Kapitän Jürgen Melzer als Co-Coach beim Endturnier dabei sein werden. Wie ist es dazu gekommen?

Koubek: Weil es der eine oder andere Spieler so wollte. Normalerweise ist es ja so, dass ein abgetretener Captain mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun haben möchte. Mir ist nicht wichtig, im Vordergrund zu stehen. So schön das die letzten sechs, sieben Jahre auch war. Mir geht es um die Sache. Ich möchte den Spielern helfen. Und diesen Wunsch hat es gegeben. So habe ich aber auch schon als Kapitän angefangen: Wenn die Spieler einen Teamchef nicht akzeptieren, dann wird hintenrum blöd geredet - und vorne kommt nix raus.

tennisnet: Österreich muss im kommenden Frühjahr nach Südkorea. Wie bewerten Sie diese Partie?

Koubek: Grundsätzlich finde ich die Auslosung gut. Unschön ist, dass wir eine Auswärtspartie haben. Südkorea ist schon ein Stückl weit weg. Und auch der Zeitpunkt ist schwierig. Ich hoffe natürlich, dass unsere Topspieler dabei sind und dass wir uns qualifizieren, weil es schon wieder eine große Chance ist. Die Nummer eins, Soon-Woo Kwon, ist nicht einfach, aber doch zu knacken. Aber dahinter stehen wir in der Papierform vorne. Wir sind im Doppel und auf der Nummer-Zwei-Position Favoriten.

von Jens Huiber

Samstag
11.12.2021, 09:55 Uhr
zuletzt bearbeitet: 11.12.2021, 11:36 Uhr